Die Deutschen sollen mehr arbeiten: Ampel-Pläne laden Ökonom zufolge zu Missbrauch ein

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Mit einer „Wachstumsinitiative“ will die Bundesregierung die Konjunktur ankurbeln. Wirtschaftsverbände aber sind skeptisch. © Michael Kappeler/dpa

Die Deutschen sollen mehr arbeiten – das versucht die Bundesregierung mit ihrer Wachstumsinitiative zu erreichen. Ein Ökonom äußert jedoch Bedenken hinsichtlich der Umsetzbarkeit.

Frankfurt - Kürzlich wurden sowohl der Haushalt der Bundesregierung für das kommende Jahr als auch ein Wachstumsprogramm zur Förderung der Wirtschaft vorgestellt. Prognosen deuten darauf hin, dass das Arbeitskräftepotenzial und die Produktivität in den nächsten Jahren zurückgehen werden, was die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands weiter beeinträchtigt. Die Bundesregierung plant nun, durch verschiedene Anreize die Deutschen zu längerer Arbeitszeit zu motivieren. Ein Ökonom warnt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) jedoch vor falschen Anreizen.

Die Wachstumsinitiative für mehr Dynamik in der deutschen Wirtschaft: Das ist der Ampel-Plan

Am 17. Juli präsentierte die Bundesregierung nicht nur den Haushaltsplan für das kommende Jahr, sondern auch ein Wirtschaftsprogramm unter dem Titel „Wachstumsinitiative - neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland“. Ein zentrales Ziel dieser Initiative ist es, bessere Arbeitsanreize zu schaffen. Prognosen zufolge wird das Arbeitskräftepotenzial in den kommenden Jahren aufgrund des demografischen Wandels stark abnehmen, und auch die Produktivität wird voraussichtlich zurückgehen. Daher müsse Deutschland sein Arbeitskräftepotenzial dringend stärken.

Erreichen will das die Bundesregierung unter anderem mit dem Ausbau der Erwerbstätigkeit von Frauen, Vorteile für die Weiterbeschäftigung nach dem Rentenalter und der Steigerung von Arbeitsanreizen im Bürgergeld. In einem Interview mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf der Seite der Bundesregierung, spricht er vor allem davon, Bürokratie leichter zu machen. Auch die Steuerlast soll ich den kommenden Jahren verringert werden: „Bei der Lohn- und Einkommensteuer entlasten wir erheblich, in einer Größenordnung von 23 Mrd. Euro in den nächsten zwei Jahren, stellen Mehrarbeit von der Steuer frei, und setzen über den Arbeitslosen- und Rentenversicherungsbeitrag Anreize für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, länger im Beruf zu bleiben.“

Ampel-Plan für die Wirtschaft: Ökonom Andreas Peichl sieht Schwierigkeiten bei Umsetzung

Der Ökonom Andreas Peichl äußert sich in einem Interview mit der FAZ zu den Auswirkungen der Wachstumsinitiative der Bundesregierung. Peichl, der das Zentrum für Makroökonomik am ifo Institut leitet, spricht sich für die Ideen der Regierung aus, sieht aber Probleme gerade bei der Umsetzung. Ein Kernpunkt der Initiative ist die Einführung geringerer Besteuerung von Überstunden. Peichl warnt jedoch vor einem hohen Missbrauchspotenzial, das schwer zu kontrollieren sei und schnell zu einem „Bürokratiemonster“ führen könnte. Ausgenutzt werden könnte das beispielsweise, indem die reguläre Arbeitszeit auf 32 Stunden gesenkt und Überstundenzuschläge vereinbart werden.

Die Anreize für das Arbeiten über das Rentenalter hinaus hält Peichl für prinzipiell gut und kurzfristig am besten umsetzbar. Da die geburtenstarken Jahrgänge bald das Rentenalter erreichen, könnte eine längere Erwerbstätigkeit dieser Personen das Rentensystem entlasten. „Als das Rentensystem eingeführt wurde, hat Bismarck es als Invalidenrente gedacht. Da bekam man die Rente mit 70, und die Lebenserwartung von Männern waren keine 45 Jahre. Inzwischen hat sich das geändert, aber es wäre schon sinnvoll, den Renteneintritt an die Lebenserwartung zu koppeln“, ergänzt der Ökonom im Interview.

Falsche Anreize entmutigen zu mehr Arbeit: „Wer mehr verdient, kann trotzdem netto weniger haben“

Ein weiterer wichtiger Punkt für Peichl sind die falschen Anreize, die Menschen davon abhalten, mehr zu arbeiten, obwohl sie es gerne würden. Wenn zusätzlicher Verdienst zu Kürzungen bei den Sozialleistungen führt und das Netto-Einkommen kaum steigt, fehlt der finanzielle Anreiz zur Mehrarbeit. „Wer mehr verdient, kann trotzdem netto weniger haben“, erklärt er. Peichl veranschaulicht dies mit einem Beispiel: Ein Paar mit zwei Kindern in München erhält netto fast denselben Betrag, ob es 3500 Euro oder 6000 Euro brutto verdient – der Unterschied beträgt lediglich 20 bis 30 Euro. Besonders problematisch ist dies für die Rente: Wenn ein Partner, häufig die Frau, wegen fehlender Rentabilität nicht mehr arbeitet, fällt die Rente geringer aus, was viele nicht langfristig bedenken.

Peichl sieht pessimistisch in die Zukunft: Selbst wenn alle Forderungen der Wachstumsinitiative umgesetzt werden, reicht das seiner Meinung nach nicht aus, um den Bundeshaushalt nachhaltig zu sanieren.

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