Rente wie in Österreich? Warum das nicht für alle Deutschen eine gute Idee wäre
In Österreich sind die Renten im Durchschnitt höher als in Deutschland. Sollte das deutsche Rentensystem nach österreichischem Vorbild reformiert werden? Für einige könnte das ein Problem werden.
Berlin – Das deutsche Rentensystem steht finanziell unter starkem Druck und muss dringend reformiert werden – zudem ist Altersarmut ein großes Problem. Das führt auch dazu, dass mehr Menschen im hohen Alter noch arbeiten müssen. Wie die Neue Osnabrücker Zeitung unter Berufung auf Daten des Statistischen Bundesamtes berichtete, die das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) abgefragt hat, gingen im vergangenen Jahr 1,049 Millionen Menschen ab 67 einer Beschäftigung nach. Im Jahr 2021 seien es 871.000 Menschen gewesen, vor zehn Jahren 660.000 Menschen.
Wagenknecht fordert „große Rentenreform nach dem Vorbild Österreichs“
„Die gesetzliche Rente sichert kaum noch das Auskommen im Alter, sondern zwingt immer mehr Rentner zur Maloche bis zum Lebensende“, sagte Sahra Wagenknecht der Zeitung. Es sei zwar gut, wenn Unternehmen auch auf die Erfahrung und Kompetenz Älterer zurückgreifen. Mancher Älterer arbeite sicher zudem auch nicht nur aus finanziellen Gründen.
„Dass die Zahlen aber kontinuierlich ansteigen, zeigt, dass immer mehr Rentner und zum Teil Hochbetagte schlicht gezwungen sind, ihre zu schmale Rente aufzubessern“, sagte Wagenknecht und forderte eine „große Rentenreform nach dem Vorbild Österreichs“. Dort seien die Renten für langjährig Versicherte 800 Euro im Monat höher. Das aktuelle Rentensystem in Deutschland sei „respektlos gegenüber der Lebensleistung derjenigen, die jahrzehntelang eingezahlt haben“.
Rente wie in Österreich: So funktioniert das System
Tatsächlich könnten so manche deutsche Rentner neidisch werden, wenn sie einen Blick auf das Rentensystem unseres österreichischen Nachbarn werfen: Denn in der Alpenrepublik gibt es spürbar frühere und höhere Renten, weshalb Österreichs Rentensystem oft als Positiv-Beispiel herangezogen wird.
Als Hauptgrund für dessen Vorteile gilt eine Rentenreform vor rund 20 Jahren: Fast alle Erwerbstätigen zahlen im Nachbarland in die gesetzliche Rentenkasse ein, auch die Staatsbeschäftigten. Die durchschnittliche Rente für Männer liegt bei rund 2000 Euro, die für Frauen bei 1.250 Euro, die Rentner erhalten 14 Rentenauszahlungen im Jahr. Die Erhöhungen richten sich nach der Inflation. Zuletzt wurden die Zahlungen um 9,7 Prozent angehoben.
Das Regelpensionsalter beträgt für Männer 65 Jahre. Seit diesem Jahr wird das Frauenpensionsalter von 60 Jahren stufenweise angehoben und bis 2033 dem Männerpensionsalter angeglichen. Diese strukturelle Änderung beruht auf einem bereits vor Jahrzehnten gefassten Beschluss und nicht auf aktuellem Reformeifer. Mit Abschlägen können zum Beispiel Menschen, die 40 Jahre gearbeitet und eingezahlt haben, mit 62 Jahren in Rente gehen.
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Rente wie in Österreich: Welche Nachteile das haben könnte
Um das zu finanzieren, sind allerdings sowohl der Steuerzuschuss für die Rente als auch die Beitragssätze noch höher als in Deutschland, und zwar deutlich. Das Pensionssystem gilt als höchst reformreif. Mit etwa einem Viertel des Budgets, also mit rund 30 Milliarden Euro (davon 13 Milliarden Euro für Beamtenpensionen und 17 Milliarden Euro für die restlichen Versicherten) muss die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben geschlossen werden.
Zudem ist der Beitragssatz mit 22,8 Prozent in der Alpenrepublik viel höher – in Deutschland sind es 18,6 Prozent. Auch wenn in Österreich die Arbeitgeber einen höheren Anteil als die Arbeitnehmer zahlen, müssen österreichische Beitragszahler immer noch mehr berappen als deutsche. Und die Lohnkosten erhöhen sich dadurch für die Unternehmen ebenso.
Ein großer Unterschied ist zudem, dass man in Österreich erst nach 15 Beitragsjahren einen Rentenanspruch hat. Auch deshalb sind dort die Durchschnittsrenten höher. In Deutschland erhält man dagegen schon nach fünf Jahren Einzahlung in die Rentenkassen einen Rentenanspruch – wenn auch nur einen geringen. Ein Problem kann das vor allem für Frauen werden, die über längere Zeit für die Pflege von Angehörigen oder die Kindererziehung aus dem Erwerbsleben aussteigen. Denn auch wenn sie zehn oder zwölf Jahre versichert waren und Beiträge gezahlt haben, in Österreich erhalten sie – anders als in Deutschland – dafür überhaupt keine Rente.
Rente wie in Österreich auch in Deutschland? Experten haben Zweifel
Experten warnen zudem schon länger davor, das österreichische System einfach auf das deutsche zu übertragen. Denn das würde erst einmal Mehrausgaben für Staat und Erwerbstätige bedeuten sowie die Wirtschaft schwächen. Jochen Pimpertz, Rentenexperte vom Institut der Deutschen Wirtschaft, erklärte dazu gegenüber dem ZDF: „Sollte man den Beitragssatz auf 22,8 Prozent anheben, würde das mit einem Schlag die Nettoeinkommen der Beitragszahler reduzieren und gleichzeitig die Arbeitskosten der Unternehmen erhöhen. Das belastet den Wirtschaftsstandort und die Beschäftigungschancen der Arbeitnehmer.“
Der Ökonom Holger Bonin, Leiter des österreichischen Instituts für Höhere Studien, hält es laut Tagesschau auch aus demografischen Gründen (Deutschland altert schneller) nicht für möglich, das österreichische System einfach eins zu eins auf Deutschland zu übertragen. „Dem wird man nicht entkommen, indem man sagt, wir übernehmen das österreichische System, erhöhen das Rentenniveau ganz massiv, senken das Renteneintrittsalter. Das alleine zu finanzieren, indem man zusätzliche Versichertengruppen mit reinbringt, das wird nicht gelingen“, erklärt Bonin der Tagesschau. Außerdem würde es eine Erwerbstätigen-Generation (also etwa 40 Jahre) dauern, die gesetzliche Rente in Deutschland nach österreichischem Vorbild zu reformieren, so der Ökonom. Mit Material von AFP und dpa