Isarwinkler Eisenbahngeschichten: Als es Sonderzüge für Münchner Skitouristen gab

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Schwertransport: Aus Rotterdam bekam die Firma Moralt per Bahn Tropenhölzer zur Weiterverarbeitung geliefert. © cs

In einem Vortrag beim Historischen Verein geht es am 25. September um Isarwinkler Eisenbahngeschichte(n). Zu Gast ist der Buchautor Stefan Wittich.

Bad Tölz/Lenggries – 1893 besuchte der berühmte Schriftsteller Mark Twain mit seiner Frau und den Töchtern Tölz. Das wäre undenkbar gewesen, wenn der aufstrebende Kurort damals nicht schon ans Bahnnetz angeschlossen und so der Ort auf der Landkarte für das reisewillige Publikum interessant gewesen wäre. Heuer jährt es sich zum 150. Mal, dass Tölz einen Bahnanschluss und einen Bahnhof bekam. Es ist ein Doppeljubiläum: 50 Jahre später, 1924, wurde die Bahntrasse nach Lenggries verlängert. Tölz musste einen neuen Bahnhof bauen.

Langfristig sollte die Bahnstrecke von Tölz eigentlich ins Loisachtal führen

Stellt sich die Frage, warum die Planer nicht schon 1877 den Bahnhof am heutigen Standort errichteten, mit der Perspektive, die Trasse irgendwann weiter nach Lenggries zu führen? Die Antwort von Stefan Wittich: Man orientierte sich 1877 eher am Loisachtal und plante langfristig mit der Erweiterung nach Bichl, Penzberg und Murnau. Wittich weiß, wovon er spricht. Er hat erst jüngst ein Fachbuch über die Eisenbahnen im Oberland („Von Holzkirchen nach Lenggries“) geschrieben. Der 62-Jährige wird am Mittwoch, 25. September, beim Historischen Verein über dieses Thema referieren. Beginn ist um 19.30 Uhr im historischen Sitzungssaal des Stadtmuseums. Der Eintritt ist frei.

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Referent Stefan Wittich hat schon einige Fachbücher über die regionale Eisenbahngeschichte verfasst
Stefan Wittich ist der Referent des Abend. © privat

Eisenbahnvirus als Kind in Italien aufgeschnappt

Stefan Wittich lebt in Schliersee und war viele Jahre Hauptabteilungsleiter Intendanz im Bayerischen Rundfunk. Seit Kurzem ist er im Ruhestand und kann sich nun seiner Leidenschaft fürs Eisenbahnwesen widmen. Für den Miesbacher Merkur hat er in Studienzeiten geschrieben. Heute verfasst er auch für internationale Fachmagazine Beiträge. Den Eisenbahn-Virus hat er als Kind bei den ersten Familienurlauben in Italien aufgeschnappt. „Irgendwann lässt es einen nicht mehr los.“ Er ist da beileibe nicht alleine. Es gebe eine „riesige Community“, die sich fürs Thema Bahn interessiere und eine eingeschworene Gemeinschaft bilde. Wittich fotografiert gerne, hat eine große Sammlung und kann deshalb seinen Vortrag bestens illustrieren.

Die Firma Moralt verdankte dem Bahnanschluss den Aufschwung

Der Referent erinnert auch an die enorme wirtschaftliche Bedeutung des Tölzer Bahnanschlusses. Auch ihm verdankt die Firma Moralt den Aufschwung, den das Unternehmen im vergangenen Jahrhundert nahm. Wittich berichtet von den Tropenhölzern, die Moralt aus Rotterdam per Zug zur Weiterverarbeitung geliefert bekam. Apropos Moralt: zum Betriebsausflug nach Innsbruck heuerte der Firmen-Chef August Moralt 1960 für seine weit über 1000 Mitarbeiter einen Sonderzug mit 17 Waggons an.

Direktverbindungen aus Dortmund und Münster nach Lenggries

Zum Ziel vor allem für die Münchner Skitouristen wurde das Brauneck auch deshalb, weil die Firma „SportScheck“ den Ort mit nach ihr benannten Sonderzügen ansteuerte. Die Bundesbahn bot einst sogar Direktverbindungen von Dortmund und Münster nach Lenggries an. Ebenso wie die Touropa-Züge des gleichnamigen Reiseveranstalters, der in den 1950er-, 60er- und 70er-Jahren die Bahn so selbstverständlich nutzte wie heute Flugzeuge.

Ältere Isarwinkler werden sich bestimmt auch noch an die Leserreisen des Tölzer Kurier erinnern, die bestens angenommen wurden. Nicht wenig Zugführer, ist Wittich überzeugt, wurden gefunden, weil sie als Kinder bei Sonderaktionen der Bahn mit einer historischen Lok mitfahren durften und von der Technik fasziniert waren.

Warngauer Zugunglück wäre vermeidbar gewesen

Auch auf das schwere Zugunglück von Warngau mit 41 Toten 1975 kommt Wittich zu sprechen. Mit moderner Sicherungstechnik wäre das auf menschliches Versagen zurückzuführende Unglück vermeidbar gewesen, ist der Experte überzeugt.

Zu den Besonderheiten, die Wittich im Isarwinkel ausmacht, gehört auch das Bahn-Betriebswerk in Lenggries. Dem Experten ist kein anderes Ausbesserungswerk auf dem Niveau bekannt, „das so abgelegen ist“. In Lenggries werden derzeit vor allem die 31 Lint-Züge der Bayerischen Regiobahn (BRB) gewartet und die Hauptuntersuchungen durchgeführt. Das Lenggrieser Werk sei technisch aber so gut ausgestattet, dass es auch Triebfahrzeuge anderer Bahnunternehmen instand hält und etwa einen Zug-Prototypen der Österreichischen Bundesbahn für den italienischen Einsatz umbauen konnte.

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