„Zeitenwende 1525“: Neue Ausstellung über Ereignisse in Kempten während des Bauernkriegs eröffnet

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Plünderung im Kreuzgang: Im April 1525 verwüsteten und plünderten die aufständischen Bauern das Kloster in Kempten. Roger Mayrock hat die Szene rekonstruiert. Welche Gefühle entdeckt man in den Gesichtern der beteiligten Frauen und Männer? © Grafik und Konstruktion Roger Mayrock Kempten 2025

Wertvolle Urkunden, Flugschriften, Gegenstände: Die Ausstellung „Zeitenwende 1525“ im Kempten-Museum beleuchtet, was in der Zeit des Bauernkrieges in Kempten geschah.

Kempten – Im Gedenkjahr an den Bauernkrieg 1525 wird den Interessenten sehr viel geboten. Allein das Projekt „Courage“ umfasst mehr als 20 Ausstellungen und 100 Veranstaltungen. Wer sich auf die Geschehnisse in Kempten konzentrieren und das Wesentliche mit (fast) allen Sinnen erfahren möchte, ist gut beraten, die Sonderausstellung „Zeitenwende 1525“ im Kempten-Museum zu besuchen.

Bauernkrieg: Es beginnt und endet in Kempten

„Die Bauern wehrten sich. Dadurch hat das Allgäu Weltgeschichte gemacht – der Bauernkrieg von 1525, die bedeutendste bäuerliche Erhebung in Alteuropa, begann und endete im Fürststift Kempten“, zitierte Dr. Wolfgang Petz, Kurator der Ausstellung, im Rahmen der Vernissage den renommierten Bauernkrieg-Experten Peter Blickle.

Den musikalischen Einstieg leisteten Michael Schönmetzer und Jürgen Schlachter, die einige der 47 Strophen des im Herbst 1525 erstmalig in Bamberg gedruckten Liedes „Der Baurenn Krieg. Ein schönes Lyed wie es in allen Teutschen Landt mit den Baurenn ergangen ist“ vortrugen. Birgit Kata, die bei der Ausstellung als wissenschaftliche Beraterin diente und das Lied entdeckte, hob hervor, dass der Text mit der Überreichung der Beschwerden gegen den Kemptener Fürstabt im Januar 1525 beginnt und mit der Schlacht bei Leubas im Juli endet. Kempten bildet also den Rahmen für die Schilderung der Ereignisse im ganzen „Teutschen Land“.

Die Basis der Ausstellung bilden Tafeln, die die wichtigsten Ereignisse und deren Hintergründe thematisch und chronologisch erfassen – in einer für jedermann verständlichen Sprache, ergänzt durch eine übersichtliche Zahl von inhaltlich haargenau passenden Abbildungen.

Die Originalurkunde vom „Großen Kauf“

In der Mitte des Raumes steht eine extra für diesen Anlass angefertigte Vitrine mit der von Kaiser Karl V. unterzeichneten Urkunde, die den „Großen Kauf“ rechtskräftig bestätigte und hiermit die Reichsstadt Kempten – wie Petz betonte – „zum uneingeschränkten Herrn innerhalb ihrer Mauern“ machte. Es gehört zu den großen Verdiensten des Projektleiters Michael Grünwald, dass das Staatsarchiv Augsburg dieses kostbare, mit dem großen kaiserlichen Siegel versehene Dokument (die Unterschrift ist leider verdeckt) für eine begrenzte Zeit dem Kempten-Museum ausleiht. Danach wird es durch ein originaltreues Replikat ersetzt.

Ein weiteres wertvolles Dokument in der Ausstellung stellt die 1504 in Augsburg gedruckte Flugschrift von Amerigo Vespucci mit dem Titel „Mundus Novus“ dar, die Petz zufällig im Kemptener Stadtarchiv entdeckte. Der Florentiner Seefahrer berichtet über seine Reisen zu dem nach ihm benannten neuen Kontinent.

Eine Bronze in Hundform
Entdecken Sie dieses bronzene Aquamanile im Titelbild des Textes? Das Handwaschgerät, das liturgischen Zwecken diente, gehörte vermutlich zum Raubgut bei der Plünderung des Klosters 1525. Es wurde nach dem Scheitern des Aufstands wahrscheinlich vergraben und 1926 bei Ursulasried gefunden. Roger Mayrock stellt in seiner Zeichnung die Verbindung her. © Fischer

Bauernkrieg-Ausstellung „Zeitenwende“ in Kempten: Glücksfall Mayrock

In seiner Ansprache schilderte der Kurator die Schwierigkeiten, die Lebenswelt der Landbevölkerung im 16. Jahrhundert bildlich darzustellen: „Bauern ließen die Gesichter ihrer Angehörigen nicht im Porträt festhalten, schrieben keine Tagebücher und sammelten keine Erinnerungsstücke. Ihre Arbeitsgeräte, ihre Kleidungsstücke und das geringe Mobiliar ihrer Wohnstätten wurden restlos vernutzt.“

Das Kulturamt Kempten hat für solche Fälle der Quellenarmut unter seinen Mitarbeitern den Zeichner Roger Mayrock. Sein Talent hat er bereits vielfach bewiesen: im letzten Jahr in der Eiszeit-Ausstellung im Marstall, in der Sonderausstellung „Handgezeichnet“ im Kempten-Museum, aber auch in der großen Ulrich-Sonderausstellung im Diözesanmuseum St. Afra in Augsburg.

Aufwändiges Quellenstudium

Mayrock nahm die Aufgabe an und zeichnete Szenen aus dem Leben der Bauern, die Plünderung des Klosters und die Unterzeichnung des „Großen Kaufs“, der vermutlich im Rathaus passierte. „Die Bilder zu zeichnen, geht schnell“, erzählt er dem Kreisboten. „90 Prozent der Arbeit machten die Recherchen aus.“ Er studierte die Quellen und zog Darstellungen heran, die beispielsweise in einem anderen Kontext Plünderungszenen wiedergaben.

Die entstandenen Bilder mit echten menschlichen Charakteren verleihen der Kemptener Ausstellung eine besondere Note. Wenn man genau hinschaut, entdeckt man in manchen Details auch den Künstler selbst und seine augenzwinkernde Sicht auf die Dinge. Auf Mayrocks Bildern fehlen auch die Frauen nicht, die man bei der Darstellung des Bauernkriegs sonst oft außer Acht lässt.

Zu den Rekonstruktionen gehört auch die Darstellung eines Bauernhauses von Stölzlings, das aus dem späten 15. Jahrhundert stammt, dessen Bauteile im Bauernhofmuseum in Illerbeuren eingelagert sind und dort hoffentlich bald wieder zusammengefügt werden. Mayrock gewährt auch einen Blick in das Alltagsleben der Bewohner.

Vier Menschen vor Informationstafeln
Die Ausstellungsmacher: (von links) Dr. Wolfgang Petz, Birgit Kata, Michael Grünwald und Roger Mayrock. © Fischer

Medien und Gewalt

„Um 1525 war das Massenkommunikationsmittel Flugschrift etwa ein halbes Jahrhundert alt, also so alt wie das Internet heute“, sagte Petz in seinem Vortrag und stellte fest: „Neue Medien verkünden nicht nur neue Fakten, sie sind maßgeblich daran beteiligt, diese Fakten auch zu schaffen.“ Wie Flugschriften für eine rasche Verbreitung sorgen konnten, lässt sich am besten am Beispiel der in Memmingen verfassten „Zwölf Artikel“ aufzeigen, die in einer Medienstation vorgestellt werden.

Neben den „modernen“ Medien gab es aber auch altbewährte, deren Einfluss man nicht unterschätzen darf. Dazu gehörten Lieder, die über die Taten der Kämpfer berichteten und oft auf bekannte Melodien zurückgriffen. In einige Strophen eines zweiten vom Duo Schönmetzer-Schlachter vorgetragenen Werkes über den in Martinszell geborenen Prediger Matthias Waibel können die Ausstellungsbesucher bei einer Hörstation eintauchen. Der protestantische Märtyrer Waibel wurde vom Schwäbischen Bund aus der Stadt Kempten gelockt und bei Leutkirch erhängt.

Anschau- und anhörliches Material in der Ausstellung

Oberbürgermeister Thomas Kiechle wies in seinem Grußwort darauf hin, dass man beim Anhören der Lieder merke, was für eine „ungeheuerliche Gewalt“ die Menschen damals erlebt hätten. „Tausende wurden niedergemetzelt.“ Schonungslos stellt die ausgestellte Federzeichnung von Urs Graf ein Schlachtfeld dar. Wenn man dieses Bild sieht und das Lied hört, braucht man nicht mehr viel Vorstellungskraft, auch den Geruch des Krieges in der Nase zu spüren.

„Was bedeutet der Bauernkrieg uns heute?“, fragte Petz zum Schluss und antwortete: „Die Auseinandersetzung mit der Geschichte liefert selten eindeutig verwertbare Antworten auf die Fragen der Gegenwart. Eher fungiert sie als eine Art Reibfläche, an der sich mit etwas Glück und Hartnäckigkeit ein Ideenfunke entzünden lässt – einer, der die Dunkelheit von unser aller Situation zumindest ein wenig beleuchten hilft.“

Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.

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