Tierschützer laufen weiter Sturm gegen die Entscheidung Rottacher und Kreuther Jagdgenossen, die gewohnte Wildfütterung zu beenden und auf absolute Notzeiten zu beschränken. Jetzt bewegt der Tod eines Hirschs, der zu einem Bauernhof gelaufen war. Die Stimmung ist aufgeheizt.
Rottach-Egern – Das Foto eines mageren Hirschs mit mächtigem Geweih macht via Facebook, Instagram und WhatsApp die Runde. Das Tier, offenkundig in elendem Zustand, kauert vor einem Bauernhof auf Heu. Ins Netz gestellt hat es das Tierheim Rottach-Egern. Verbunden mit der Botschaft, dass es trotz aller Bemühungen von Bauernfamilien aus Elmau/Rottach-Egern nicht gelungen sei, den Hirsch am Leben zu halten. „Sein Zustand hatte sich leider so weit verschlechtert, dass er nur erlöst werden konnte“, schreibt Johanna Ecker-Schotte, Vorsitzende des Tierschutzvereins Tegernseer Tal.
Tod des Hirschs löst Welle der Empörung aus
Der Bericht vom Leid des Hirschs, der tagelang beim Hof herumlief, wird auf den sozialen Medien hundertfach geteilt und kommentiert. Es wird gemutmaßt, dass das Tier verhungert ist. Das passt zu dem Hilferuf, mit dem Tierschützerin Ecker-Schotte vor Kurzem an die Öffentlichkeit gegangen ist. Er richtet sich gegen die Entscheidung der Rottacher und Kreuther Jagdgenossen, die gewohnte Wildfütterung einzustellen. Laut Beschluss soll künftig nur in Notzeiten gefüttert werden, wie es das Gesetz vorschreibe. Von einer Notzeit sei man aktuell weit entfernt, findet Lorenz Kandlinger, Vize-Vorsitzender der Rottacher Jagdgenossenschaft.
An den gewohnten Futterstellen – drei in Rottach-Egern, eine in Kreuth-West – findet das Rotwild heuer also keine Nahrung mehr vor. Ecker-Schotte sieht darin durchaus eine Notsituation und hat sich unter anderem an Jagdminister Hubert Aiwanger gewandt. Dass ihr Bericht über den toten Hirsch so weite Kreise zieht und so große Emotionen auslöst, bereitet ihr allerdings Unbehagen. „Ich habe Angst, dass das aus dem Ruder läuft“, meint Ecker-Schotte. Sie wolle in aller Sachlichkeit für die Wildfütterung eintreten.
Petition zur Fortssetzung der Wildfütterung
Online wurde auf www. change.org eine Petition zur Fortsetzung der Wildfütterung in Rottach-Egern gestartet, angestoßen von Ekaterina Nova aus München. „Ich war überrascht“, sagt Ecker-Schotte. Sie kenne die Petentin nicht, der Tierschutzverein sei nicht involviert. Bis gestern Nachmittag kamen rund 1400 Unterschriften zusammen.
Der von einem Jäger erlöste Hirsch wurde in die Pathologie gebracht. Möglicherweise sei er krank gewesen, meint Ecker-Schotte. Den Vorwurf, das Tier sei verhungert, erhebe sich nicht. Doch es sei zu beobachten, dass das Wild in Rottach-Egern in der Hoffnung, anderswo Nahrung zu finden, zu den Bauernhöfen ziehe. Sie wolle aber niemanden dazu aufrufen, das Wild selbst zu füttern. Das sei nicht erlaubt und auch nicht richtig: „Es muss schon artgerecht sein.“
„Wir werden Verbrecher genannt“
Unterdessen erlebt Jagdgenosse Kandlinger, was ein „Shitstorm“ ist, auch wenn er mit Facebook nichts am Hut hat und nur aus zweiter Hand davon erfährt. „Wir werden Verbrecher genannt“, sagt er fassungslos. Dabei habe der Hirsch stark gehustet und obendrein falsches Futter bekommen. Draußen in der Natur zeigten die Wildkameras gesunde Tiere.
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„Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Hirsch verhungert ist“, erklärt Lasse Weicht, Leiter des Forstbetriebs Schliersee. Fakt sei, dass das Wild derzeit noch Futter finde. Aber: „Wir stehen zur Rotwildfütterung.“ Dies deshalb, weil sich der Mensch am Rotwild versündigt habe, indem er ihm den Weg versperre. „Die würden bis zu den Isarauen ziehen, aber das können sie nicht.“ Darum unterhalte der Forstbetrieb insgesamt zehn Futterstellen.
Forstbetrieb Schliersee plädiert für Rotwildfütterung
Gefüttert werde ab dem ersten nennenswerten Schneefall, berichtet Weicht. Im Frühwinter werde das Rotwild mit besonders schmackhaftem Futter angelockt, um es an die Stelle zu binden. Es sei zu spät, erst dann zu füttern, wenn plötzlich Schneemassen fallen, in denen die Tiere kaum vorankommen, erklärt der Forstmann. Gämsen und Rehwild werden vom Forstbetrieb nicht mit Nahrung versorgt: „Die kommen auch so zurecht.“
Quirin Berghammer, Vorsitzender der Rottacher Jagdgenossenschaft, ist wie sein Stellvertreter Kandlinger davon überzeugt, dass im Revier noch keine Notzeit angebrochen ist, die eine Fütterung gebietet. Rechtlich, meint Weicht, könnte man wohl in beide Richtungen sauber argumentieren. Das Wild finde zwar noch Futter in der Natur. Aber es sei an die Fütterungen gewohnt und stelle sich an den bekannten Orten ein. „Aus dem Verhalten könnte man schließen, dass es Not leidet.“
Untere Jagdbehörde prüft rechtliche Möglichkeiten
Die Entscheidung über die Fütterung liegt ganz in der Hand der Jagdgenossenschaft. Mit einer Ausnahme: Wenn die Untere Jagdbehörde am Landratsamt eine Notzeit ausruft, übernimmt sie die Entscheidungshoheit. Dies, so teilt das Landratsamt mit, sei zum Beispiel bei der Schneekatastrophe 2019 der Fall gewesen. Mit den Jagdgenossen in Rottach-Egern und Kreuth stehe die Jagdbehörde bereits seit Herbst 2024 wegen der Fütterung im Austausch. Mit der jetzigen Lage ist die Jagdbehörde nicht zufrieden: „Wir sehen die Entwicklung sehr kritisch und prüfen rechtliche Möglichkeiten.“