Wegen fehlender Wildfütterung: Tierschützerin vom Tegernsee richtet Hilferuf an Aiwanger
Das Wild liegt Tierschützerin Johanna Ecker-Schotte am Herzen. Mit einem „Hilferuf“ hat sich die Rottacherin daher an Jagdminister Hubert Aiwanger gewandt: In ihrem Brief beklagt sie mangelnde Fütterungen in Jagdrevieren am Tegernsee.
Rottach-Egern/Kreuth - „Mein Schreiben heute ist unaufschiebbar. Es ist ein Appell, dass Recht nicht zu Unrecht werden darf“, erklärt Johanna Ecker-Schotte, Vorsitzende des Tierschutzvereins Tegernseer Tal, in ihrem Brief an Staatsminister Aiwanger. Darin erhebt sie schwere Vorwürfe gegen die jeweils Verantwortlichen in den Gemeinschaftsjagdrevieren Kreuth-West und Rottach-Egern: Diese, so Ecker-Schotte, würden dem Rotwild quasi ein Überleben verweigern, indem Winterfütterungen nicht aktiviert oder ausreichend bedient würden. „Das Rotwild ist im absoluten Stress und orientierungslos“, schreibt die Rottacherin. Sicherheit und Ruhezonen würden ihm genommen.
Vergeblicher Kampf um neue Wildfütterung in Kreuth-West
Längst bekannt ist die Situation in Kreuth-West. Seit Jahren kämpft Ecker-Schotte hier um die Einrichtung einer Rotwildfütterung – bisher erfolglos. Gespräche mit den Verantwortlichen haben bisher zu keinem Ergebnis geführt. Auch in der Jagdgenossenschaft Rottach-Egern sei eine Fütterung komplett eingestellt worden, an den zwei verbliebenen werde lediglich Heu ausgelegt, und das auch nur dann, wenn eine „Notzeit“ gegeben sei. „Da fehlen mir die Worte“, zürnt die Tierschützerin. Verbiss-Schäden im Bergwald, in den sich das hungrige Wild zurückziehe, würden somit „vorsätzlich und billigend“ in Kauf genommen.
Jagdberater Kuhn will Wild mit Wald in Einklang bringen
Wolfgang Kuhn, seit 2020 Jagdberater im Landkreis Miesbach, kennt die Problematik und bedauert es, dass bislang keine Einigkeit mit den Verantwortlichen der beiden Jagdreviere erzielt werden konnte. Er macht deutlich, welche Fütterungspraxis er für die richtige hält: Das Rotwild, das sich im Winter aufgrund der wachsenden Infrastruktur längst nicht mehr ins Flachland zurückziehen könne, müsse auf engem Raum an Fütterungen konzentriert werden. Hier müsse sich das Wild sicher fühlen und dürfe keinem Jagddruck ausgesetzt sein. „Je besser das einer macht, desto geringer sind die Schäden am Wald“, zeigt sich Kuhn überzeugt. Das Wild mit dem Wald in Einklang zu bringen, sei das grundlegende Ziel.
Verantwortliche arbeiten an einem Fütterungskonzept für den Landkreis
Um eine einheitliche Linie in den Revieren des Landkreises zu schaffen, arbeiten die Verantwortlichen seit Jahren an einem Fütterungskonzept für die ganze Hegegemeinschaft. Das Konzept soll auch die Art und Weise aufzeigen, wie das Wild im Winter zu füttern ist: anfangs, um die Tiere anzulocken, mit hochwertigem Futtermaterial, im Hochwinter, wenn die Tiere sozusagen in den Energiesparmodus schalten, mit weniger Reichhaltigem wie Heu, im Frühjahr dann wieder mit üppigerem Futter, um sie an den Futterstellen zu halten. Auch der Beginn der Winterfütterung soll in dem Konzept festgehalten sein. Die Reviere in Rottach-Egern und Kreuth-West scheren bislang allerdings aus.
Hegeringsleiter Greinsberger mit Situation nicht zufrieden
Auch für Hegeringsleiter Bernhard Greinsberger ist die Situation unbefriedigend. „Wir wollen das Wild im Winter lenken“, sagt er. Zum einen aus Gründen des Tierschutzes, zum anderen, um Verbiss-Schäden im Bergwald zu vermeiden. Insgesamt gebe es 27 Fütterungen in der Hegegemeinschaft, nahezu alle Betreiber würden beim angestrebten Fütterungskonzept mitziehen, berichtet Greinsberger. Nur mit Rottach-Egern habe man „leider eine Baustelle“. Greinsberger spricht zwar von einer „gewissen Verbindlichkeit“, die für die Mitglieder der Hegegemeinschaft bestehe, eine rechtliche Handhabe, um die Fütterung der Wildtiere durchzusetzen, gebe es aber nicht.
Rottacher Jagdvorsteher wehren sich gegen Vorwürfe
Der Rottacher Jagdvorsteher Quirin Berghammer und sein Vertreter Lenz Kandlinger wollen die Kritik so nicht stehen lassen. Berghammer betont gegenüber unserer Zeitung: „Wir wollen lediglich zu einer gesetzeskonformen Wildfütterung zurückkehren, die in den vergangenen Jahren aus dem Ruder gelaufen ist.“ Die Gründe liegen für die Jagdvorsteher, welche die Grundbesitzer und Waldbauern vertreten, auf der Hand. Sowohl der Verbiss als auch die Wildbestände seien im Hegering, also auch in der Jagdgenossenschaft Rottach-Egern, unbestritten zu hoch.
Wegen hoher Wildbestände: „Wollen Jagd weiter ermöglichen“
Die beiden verfolgen daher einen völlig anderen Ansatz bei der Fütterung. „Wir wollen nicht, dass das Wild wie von einem Magneten angezogen wird, sondern sich auch verstreut und andere Wege sucht“, erläutert Kandlinger. Eine frühe Fütterung schon Ende Oktober oder Anfang November – wenn noch überhaupt keine Notzeit bestehe – sei für sie daher nicht zielführend, betonen die Verantwortlichen. Zumal in einem 200-Meter-Radius um Winterfütterungen die Tiere nicht geschossen werden dürfen. „Wir wollen die Jagd aber weiter ermöglichen, um die hohen Bestände zu reduzieren“, macht Kandlinger deutlich. Auch die bisher praktizierte Fütterung überwiegend mit Saftfuttermittel und Spezialfutter halten die Jagdvorsteher für „absolut deplatziert“.
Zweiter Jagdvorsteher betont: „Sind keine Wildhasser“
Kandlinger betont ausdrücklich: „Bei uns verhungert kein Wildtier.“ An den Futterstellen sei bereits ausreichend Heu gelagert – sobald Notzeit herrsche und das Rotwild keine natürliche Nahrung mehr finde, werde man auch in Rottach-Egern mit der Fütterung beginnen. „Wir sind keine Wildhasser“, sagt Kandlinger mit Nachdruck. Im Gegenteil: Den Grundsatz Wald vor Wild halte er für verkehrt. „Es muss heißen: Wald mit Wild.“
gab