„Donald Trump wird für Autokraten mehr Spielräume schaffen“

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In wenigen Wochen kehrt Donald Trump zurück ins Weiße Haus. Was bedeutet das für die Nato, die Ukraine – und Diktatoren wie Kim Jong-un und Xi Jinping?

Nach seinem Wiedereinzug ins Weiße Haus wolle er Diktator sein, hat Donald Trump gesagt – wenn auch „nur am ersten Tag“. Wie hält es der ehemalige und künftige US-Präsident mit den Autokraten dieser Welt? Expertin May-Britt U. Stumbaum erklärt im Interview, warum für Trump Herrscher wie Chinas Xi Jinping oder Nordkoreas Kim Jong-un heute gefährlicher sind als noch vor ein paar Jahren.

Frau Stumbaum, ist der Sieg von Donald Trump bei der US-Wahl für Autokraten und Diktatoren weltweit ein Grund zum Jubeln?

Donald Trump wird für Autokraten mehr Spielräume schaffen. Denn er dürfte die Allianzen, die die USA in den vergangenen Jahren mit ihren Verbündeten aufgebaut haben, schwächen. Außerdem wissen Herrscher wie Wladimir Putin, Xi Jinping oder Kim Jong-un, worauf sie sich vorbereiten müssen. Sie alle haben ja schon ihre Erfahrungen mit Trump gemacht. Was mir Sorgen bereitet: Während Trumps erster Amtszeit hatten es die USA noch mit vereinzelten Autokraten zu tun. Heute hingegen mit dem, was die Iraner die „Axis of Upheaval“ nennen.

Also eine „Achse des Aufruhrs“, die das Ziel hat, die westliche Vormachtstellung zu brechen.

Genau. Wir sehen eine verstärkte Zusammenarbeit von China, Russland, Nordkorea, Iran und Belarus. Wir haben es also mit einer besser organisierten Gegenmacht zum Westen zu tun als noch vor ein paar Jahren.

Was bedeutet das?

Diese autoritären Mächte haben einerseits natürlich ihre Einzelinteressen. Was sie aber eint, ist: Sie profitieren von Chaos, sie wollen die internationale Ordnung umstürzen oder nach ihren Interessen umformen.

Zur Person

Dr. Habil. May-Britt U. Stumbaum ist Director des SPEAR Institutes und Associate Fellow CISS, Universität der Bundeswehr München. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Sicherheitslage in Asien und dem Aufstieg Chinas.

May-Britt U. Stumbaum
May-Britt U. Stumbaum © privat

Für Trump hat die Ukraine keine große Bedeutung“

Nach den Trump-Jahren hatte Joe Biden die Allianz mit den Europäern auf eine neue Ebene gestellt, und er hat ganz neue Bündnisse in Asien geschmiedet. Ist das jetzt in Gefahr?

In Asien ist Biden strategisch klug vorgegangen: Er hat viele Allianzen geschmiedet, die neben den USA nicht nur einen, sondern zwei oder drei weitere Partner umfassen. Zum Beispiel mit Australien, Japan und den Philippinen. Selbst wenn sich Trump also ein Stück weit aus Asien zurückziehen würde: Die Zusammenarbeit der anderen Partner würde bestehen bleiben und würde – wenn auch wesentlich schwächer - weiterhin ein Gegengewicht zu China bilden.

Trump hat auch damit gedroht, die Nato zu verlassen.

Ich glaube nicht, dass es so weit kommt. Aber er wird von den europäischen Nato-Staaten einen größeren finanziellen Beitrag zum Bündnis fordern, damit die USA ihre Lasten reduzieren können. Wir sprechen dann aber von enormen Belastungen, die auf Deutschland und andere Nato-Länder zukommen würden. Die Frage ist, ob wir dazu bereit sind.

Wichtig ist das vor allem mit Blick auf die Ukraine. Trump behauptet, er könne den russischen Angriffskrieg binnen 24 Stunden beenden.

Trump könnte den Ukraine-Krieg über Nacht nur dann beenden, wenn er Kiyv dazu bringt, den russischen Forderungen nachzugeben. Und das wird nicht geschehen. Für Trump hat die Ukraine keine große Bedeutung, er fokussiert sich mehr auf Asien und auf die Auseinandersetzung mit China. Dass beide Schauplätze – also Asien und Europa – zusammenhängen, sieht Trump nicht so. In der Ukraine geht es ihm vor allem darum, am Ende als Gewinner dazustehen. Ich glaube deshalb nicht, dass sich die USA genauso überstürzt von der Ukraine abwenden werden, wie sie vor drei Jahren aus Afghanistan abgezogen sind. Das wäre ein absolutes PR-Desaster für Trump, das hat er in seiner ersten Präsidentschaft vermieden – als es bereits um den Abzug aus Afghanistan ging – und das will er auch in der Ukraine unbedingt vermeiden.

„China hat sich auf Trump vorbereitet“

Verliert Europa generell an Bedeutung für die USA?

Ja, und das hat zu einem Teil auch mit der Bevölkerungsentwicklung in den USA zu tun. Die USA sind ein Einwanderungsland, und immer mehr Immigranten kommen aus asiatischen oder lateinamerikanischen Ländern. Fürsprecher einer engen Zusammenarbeit mit Europa waren bislang vor allem die Nachfahren der Flüchtlinge aus Europa nach 1945, und die werden im Verhältnis in den USA immer weniger.

Kim Jong-un und Donald Trump 2018 in Singapur.
Historisches erstes Treffen: Kim Jong-un und Donald Trump 2018 in Singapur. © Saul Loeb/AFP

Konsens in den USA ist hingegen, dass China eine Bedrohung sei.

Trumps erste Amtszeit war in Bezug auf China noch ein großes Ausprobieren. Er war von seinem Wahlsieg selbst überrascht, hatte nicht genügend Leute für die entscheidenden Positionen, alles war ziemlich unkoordiniert. Die Wirtschafts- und die Sicherheitsentscheider haben unterschiedliche Ziele verfolgt. Mal ist er auf Konfrontationskurs zu China gegangen, mal hat er Xi Jinping die Hand ausgestreckt. Das dürfte diesmal anders werden, Trump und seine Mitstreiter haben sich systematisch auf diese neue Amtszeit vorbereitet. Gleichzeitig hat sich auch China vorbereitet.

Wie sieht das aus?

Dort hatten offenbar alle international ausgerichteten Thinktanks den Auftrag, Szenarien für eine mögliche Trump-Rückkehr zu entwickeln und mögliche Antworten vorzuschlagen. Erste Reaktionen sehen wir schon jetzt. So hat China am Freitag ein neues Stimulus-Paket verabschiedet und – so wird angenommen – Gelder trotzdem zurückgehalten, um sich für den drohenden neuen Handelskonflikt mit den USA zu rüsten. Wenn Trump Ernst macht mit seiner Drohung, hohe Zölle auf Importe aus China zu erheben, ist Peking darauf vorbereitet.

„Kim Jong-un glaubt nicht mehr daran, dass Trump ihm etwas bieten kann“

Joe Biden hat mehrfach gesagt, die USA würden Taiwan militärisch zur Seite stehen, sollte China angreifen. Bei Donald Trump ist das weniger eindeutig.

Im Wahlkampf hat sich Trump mehrfach zu Taiwan geäußert. Er hat behauptet, die Taiwaner hätten den USA ihre Chip-Industrie gestohlen, was natürlich nicht stimmt. Und er hat gesagt, dass er Taiwan nur beschützen würde, wenn die Regierung in Taipeh dafür zahlt. Dabei kauft Taiwan schon jetzt für viele Milliarden Dollar Waffen auf den USA. Ich glaube aber nicht, dass ein Angriff unmittelbar bevorsteht.

Wieso?

In den chinesischen Raketenstreitkräften, die für eine Invasion entscheidend wären, gab es im letzten Jahr massive Korruptionsfälle. Damit ist Xi Jinping noch eine Weile beschäftigt. China wird aber die hybriden Angriffe auf Taiwan weiter verstärken, zum Beispiel Cyberattacken. Zudem wird Peking weiterhin mit Fake-News-Kampagnen Taiwan unterwandern. Sie versuchen zum Beispiel über soziale Medien wie TikTok, die taiwanische Demokratie von innen auszuhöhlen. Gleichzeitig wächst der militärische Druck, China hat in den letzten Monaten immer wieder Militärmanöver in der Region durchgeführt.

Ein weiterer Krisenherd in Asien ist Nordkorea. In seiner ersten Amtszeit hat sich Trump mehrfach mit Diktator Kim Jong-un getroffen, allerdings ohne Ergebnis.

Für Kim Jong-un war das zweite Treffen mit Trump, im Februar 2019 in Hanoi, eine totale Blamage. Kim musste mit leeren Händen zurück nach Pjöngjang fahren, nachdem Trump den Gipfel abgebrochen hatte. Daraufhin hat Kim seine Politik komplett geändert und einer friedlichen Wiedervereinigung mit dem Süden eine Absage erteilt. Kim glaubt nicht mehr daran, dass Trump ihm etwas bieten kann. Das braucht er aber auch nicht, weil er mit Wladimir Putin jetzt einen neuen, starken Partner an seiner Seite hat.

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