Livestream der Stadtratssitzungen in Wolfratshausen: Teurer und schwieriger als geplant
Der Wolfratshauser Stadtrat will Liveübertragung von Stadtratssitzungen ermöglichen. Doch die Suche nach einem Dienstleister gestaltet sich schwierig.
Vor knapp einem Jahr fiel mit 11:8 Stimmen der Beschluss: Sitzungen des Stadtrats werden künftig live im Internet übertragen. Schon ab Herbst, das war der Plan, sollten Wolfratshauser die Kommunalpolitik auf PC, Tablet oder dem Smartphone in der heimischen Wohnstube genießen können. Zunächst als „Experiment“ (Grünen-Stadträtin Assunta Tammelleo) sechs Mal. Doch bis dato lässt der Livestream aus dem Sitzungssaal im Rathaus auf sich warten.
Die Datenschützer haben solchen Ansinnen hohe Hürden in den Weg gestellt: Liegt keine ausdrückliche Zustimmung eines Sitzungsteilnehmers – Bürgermeister, Räte, Verwaltungsmitarbeiter und externe Referenten – vor, gibt’s keine Bild- und Tonaufnahmen von ihm. Ergreift diese Person das Wort, wird das Mikrofon ausgeschaltet und es muss ein Pausenbild oder ähnliches eingeblendet werden. Dies habe eine „zerklüftete Diskussion“ für den Zuschauer zur Folge, gab Sepp Schwarzenbach (CSU) vor der Beschlussfassung im Juli 2023 zu bedenken.
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Auch der Fraktionschef der Bürgervereinigung, Josef Praller, meldete Zweifel an. Ein Diskurs, bei dem Rede oder Gegenrede nicht zu hören sei, führe mutmaßlich „zu Situationskomik“. Zu diesem Zeitpunkt war den Mandatsträgern bereits bekannt, dass rund zehn von ihnen nicht mit Bild- und Tonaufnahmen einverstanden sind. Zudem, das hatte Kirsten Vogler, Geschäftsleiterin im Rathaus, recherchiert, seien die Mitarbeiter der Stadtverwaltung „fast ausschließlich“ dagegen. Mittlerweile hat Vogler herausgefunden: Es sei auch eine Option, dass der Redner nicht gefilmt – aber sein Wortbeitrag in Echtzeit zu hören sei.
Datenschützer haben hohe Hürden aufgebaut
In den vergangenen Monaten sei es darum gegangen, einen Anbieter für die Erstellung eines Livestreams zu finden. Das berichtet Dr. Patrick Lechner (FDP), Referent für Digitalisierung und Informationsfreiheit des Stadtrats, auf Anfrage unserer Zeitung. Lechner hatte das Projekt angestoßen. Er argumentierte für den Livestream, weil nicht jeder Bürger die Sitzungen im Rathaus besuchen könne. So könne der Souverän „nicht sehen, wie wir zu Entscheidungen kommen“.
Nach Lechners Wissen fand sich ein Dienstleister, der allerdings habe den Auftrag aufgrund von „Ressourcenengpässen“ nicht annehmen können. Das bestätigt Vogler gegenüber unserer Zeitung. Doch sie habe weiter recherchiert und zu diesem Zweck Kommunen kontaktiert, die bereits eine Liveübertragung ins weltweite Netz anbieten. Zeitnah soll ein neues Angebot im Rathaus eintreffen, „wahrscheinlich“, so Vogler, würden sich sogar zwei Dienstleister melden. Sie weiß, dass das Projekt sehr komplex ist. Unter anderem müssen im Sitzungsaal Kameras installiert und das Wlan optimiert werden. Denn die ursprüngliche Idee, für die Liveübertragung 24 Laptops zu nutzen – jeder Stadtrat sollte ein Leihgerät erhalten –, lasse sich mutmaßlich nicht in die Tat umsetzen.
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Zu den Kosten kann die Rathaus-Geschäftsleiterin noch nichts sagen. Im Sommer 2023 ging sie davon aus, dass die günstigste Variante mit 1200 Euro, eine professionelle Übertragung mit 4700 Euro pro Sitzung zu Buche schlagen wird. Knapp zwölf Monate später sagt sie: „Für 1200 Euro gibt‘s mit Sicherheit keinen Livestream.“ Unter anderem lehnten die Fraktionschefin der CSU, Claudia Drexl-Weile, und Gerlinde Berchtold (SPD) das Vorhaben aus Kostengründen ab. Berchtold pochte darauf, vor dem Startschuss zu erfahren: „Wie viel Geld nehmen wir in die Hand?“
„Alle Entscheidungen trifft der Stadtrat“, stellt Vogler pragmatisch fest. Sie geht jedoch nicht davon aus, dass das Thema zeitnah auf der Agenda der Bürgervertreter steht.