Analyse zur Windenergie im Landkreis Ebersberg: Angst vor Altötting II
Wie geht es weiter mit den Windenergie-Projekten im Landkreis Ebersberg? Ein Vorschlag des Regionalen Planungsverbandes München (RPV) sorgt für Unsicherheit. Eine Analyse.
Landkreis – Die Unsicherheit der Kommunalpolitiker ist greifbar: Sie fürchten, dass ihnen die Handhabe über den Ebersberger Forst entgleitet. Ein Vorschlag des Regionalen Planungsverbandes München (RPV) sieht vor, den identitätsstiftenden Wald als Windenergie-„Cluster“ auszuweisen. Gestritten wurde darüber in der Kreis-Umweltausschuss-Sitzung.
RPV-Geschäftsführer Marc Wißmann auf Anfrage: „Ziel ist es das Landschaftsbild so weiterzuentwickeln, dass sich Flächen, die von Windenergienutzung geprägt sind, mit solchen abwechseln, die davon unbelastet bleiben.“ Der Forst als „Großstruktur“: Bei dem Wort aus der Entwurfsplanung graut nicht nur Naturschützern.
Droht dem Ebersberger Forst ein zweiter Windpark Altötting?
Nun geht die Angst um, dass dem Ebersberger Forst ein zweiter Windpark Altötting droht, 40 Anlagen oder sogar mehr. Die Angst, dass alles für die Katz gewesen sein könnte. Der Bürgerentscheid. Der Standortversicherungsvertrag mit den Staatsforsten, die Grundeigentümer sind. Letzterer begrenzt die Zahl der Rotoren im Staatswald auf fünf.
Der politische Tenor von Grün bis Schwarz: Der Landkreis Ebersberg will keinen „Cluster“ im Forst, sondern genau das, was der RPV „Zersiedelung“ nennt: kleinere, verteilte Windkraftprojekte. Wer sich durchsetzt, der Landkreis oder der aus den Kommunen der Region gebildete RPV, und ob es ein Gegeneinander bleiben muss, bleibt derzeit, zu Beginn der Planungen, unklar.
„Zustimmung der Landkreis und Gemeinden wurde nicht eingeholt“
Der RPV räumt in Sachen Windkraft-Cluster ein: „Eine Zustimmung von Vertretern der Landkreise oder Gemeinden (...) wurde explizit nicht eingeholt.“ Der Vorschlag sei Grundlage für einen Abwägungsprozess, bei dem Ebersberg angehört wird. Aber: Am Ende entscheidet der RPV-Planungsausschuss.
Der RPV argumentiert: „Beim Ebersberger Forst handelt es sich um eine wichtige und für die Windenergie geeignete Potentialfläche, auf der zudem konkrete Planungen von Windenergieanlagen betrieben werden.“ Das scheint jenen Recht zu geben, die den Bürgerentscheid als Ursünde betrachten. „Stehen erst mal fünf Windräder im Wald, werden Sie die Geister, die Sie gerufen haben, nicht mehr bändigen können“, hielt etwa Carmen Dietl vom Landschaftsschutz Ebersberger Land jüngst im Umweltausschuss den Kreisräten vor.
Eine Privilegierung durch den RPV ist keine Baugenehmigung. Auch privatrechtliche Verträge, wie der Standortsicherungsvertrag mit den Staatsforsten, seien wirksam, betont RPV-Geschäftsführer Wißmann: „Zur Errichtung von Windenergieanlagen ist grundsätzlich beides erforderlich“: eine planungsrechtliche Genehmigung und das Einverständnis des Grundstückseigentümers. Das gelte auch außerhalb des Forstes, wo die Gemeinden weiterhin eigenständig Flächen ausweisen könnten.
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Von außen betrachtet: Landkreis sendet widersprüchliche Signale
Dort, in den Kommunen, stoßen Windenergie-Vorhaben teils auf heftige Widerstände, zuletzt in Glonn, wo mehrere Rotoren an erbittertem Anwohner-Kontra scheiterten. Von außen betrachtet sendet der Landkreis Ebersberg also widersprüchliche Signale, was sein Energiewende-Engagement angeht. Solange diese auf Bundes- und Landesebene gewollt ist, riskiert man so möglicherweise den Hammer von oben. Dann könnte der Forst vielleicht die scheinbar einfachste Lösung bieten, um viele Rotoren auf einem Fleck unterzubringen.
Auch gilt: Man darf Landrat Robert Niedergesäß glauben, dass er sich an den Bürgerentscheid gebunden fühlt. Schon weil sein politisches Überleben damit verknüpft sein dürfte. Doch er wird nicht ewig Landrat bleiben. Und auf politische Weisung von oben könnte auch das Bekenntnis der Staatsforsten zum Fünf-Rotoren-Limit hinfällig werden. Unterm Strich, auch wenn es keiner gerne sagt, ist und bleibt der Ebersberger Forst Spielball der politischen Mehrheiten vor Ort und im Land. Zurzeit schützt ihn vor einem Mega-Windpark ein Vertrag, der von der Treue seiner Unterzeichner abhängt.
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Allerdings darf man eins nicht vergessen: Es haben schon andere die Hände nach dem Forst ausgestreckt – und mit schmerzenden Fingern zurückgezogen. Das haben nicht zuletzt die Proteste in den 1960ern gegen einen geplanten Protonenbeschleuniger gezeigt. Sollte der Bürgerentscheid durch Kündigung des Standortsicherungsvertrags infrage geraten und die Fünf-Anlagen-Beschränkung fallen, passiert was, sagt ein Beteiligter hinter den Kulissen: „Dann erleben wir im Landkreis einen Volksaufstand.“ Der wehrhafteste und auf Dauer wohl einzige Schutz für diesen Wald sind die Menschen drum herum.