„Durch Blut verbunden“: Chinas Staatschef Xi Jinping trifft Taiwans Ex-Präsidenten
Das gab es noch nie: Taiwans Ex-Präsident Ma Ying-jeou ist von Chinas Staatschef Xi Jinping empfangen worden. Mas China-Trip ist in Taiwan hochumstritten.
Erstmals ist ein taiwanischer Ex-Präsident mit einem chinesischen Staatschef zusammengetroffen: In Peking empfing Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Mittwoch Ma Ying-jeou, der von 2008 bis 2016 Taiwans Präsident war. Bei dem Treffen gab sich Xi versöhnlich: Statt mit der gewaltsamen Eroberung Taiwans zu drohen, wie er es bei anderer Gelegenheit getan hat, umschmeichelte er seinen Gast. „Es gibt keinen Knoten, der nicht gelöst werden kann, kein Thema, das nicht diskutiert werden kann“, sagte Xi laut Staatsmedien zu Taiwans Ex-Präsidenten, den er als „Herr Ma“ anredete. „Die Landsleute auf beiden Seiten der Taiwanstraße sind durch ihr Blut verbunden“, erklärte Xi, beide gehörten „einem Land und einer Nation an“.
Die freundlichen Worte sehen in deutlichem Kontrast zu Chinas andauernden Drohgebärden in Richtung Taiwan, das Peking als Teil des eigenen Staatsgebiets betrachtet. Regelmäßig entsendet Peking Kampfjets und Kriegsschiffe in die Nähe der demokratisch regierten Insel und versucht zudem vehement, Taiwan international zu isolieren. Dass das Treffen zwischen Xi und Ma ausgerechnet am 10. April stattfand, dürfte kein Zufall sein: 1979 trat an diesem Datum der „Taiwan Relations Act“ in Kraft, in dem sich die USA verpflichteten, Taiwan mit Verteidigungswaffen zu unterstützen. Zuvor hatte Washington die diplomatischen Beziehungen zur Regierung in Taipeh beendet und Beziehungen zu Peking aufgenommen.
China-Besuch von Taiwans Ex-Präsident Ma: „Streitigkeiten friedlich regeln“
Der in Taiwan seit seiner Präsidentschaft umstrittene Ma war Anfang des Monats in Begleitung mehrerer taiwanischer Studenten in der südchinesischen Tech-Metropole Shenzhen angekommen und am vergangenen Sonntag weiter nach Peking gereist. Dort erklärte der Politiker der traditionell Peking-freundlichen Kuomintang (KMT) nun, ein Krieg zwischen China und Taiwan „wäre für die chinesische Nation unerträglich, und die beiden Seiten der Taiwanstraße haben die Weisheit, ihre Streitigkeiten friedlich zu regeln“.
Mas KMT stellt nach den Wahlen vom vergangenen Januar zwar die Mehrheit im taiwanischen Parlament; zum Präsidenten wurde mit Lai Ching-te aber zum dritten Mal in Folge ein Politiker der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) gewählt, die für mehr Distanz zu Peking eintritt. Mas China-Reise stieß in seiner Heimat auch ein geteiltes Echo. So kritisierte die taiwanische Behörde für Angelegenheiten mit Festlandchina, Ma habe nicht betont, dass die Menschen in Taiwan an ihrer Souveränität und ihren freien Institutionen festhalten wollten.

Zweites Treffen von Ma und Xi
Ma betrachtet die wirtschaftliche und politische Annäherung an die Volksrepublik noch immer als seine wichtigste Mission. Schon im März 2023 war er nach China gereist, als erster taiwanischer Ex-Präsident überhaupt – und auch damals offiziell als Privatmensch. Bereits damals kam er mit Politikern der KP zusammen, allerdings nicht mit Xi. Auf Xi Jinping traf er nun zum zweiten Mal – die beiden waren sich erstmals 2015, als Ma noch Präsident war, in Singapur begegnet. Es war das erste Treffen eines amtierenden taiwanischen Präsidenten mit seinem chinesischen Gegenüber.
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Ma Ying-jeou versuchte bei seiner aktuellen Reise von Beginn an, die kulturelle Verbundenheit der Menschen auf beiden Seiten der Taiwanstraße zu beschwören. Anders als die Anhänger der regierenden DPP und die allermeisten jüngeren Taiwaner hält er wenig von der Idee einer taiwanischen Identität, die von Festlandchina abgekoppelt ist. Er steht damit in der Tradition seiner KMT, deren Mitglieder 1949 nach dem verlorenen Bürgerkrieg gegen die Kommunistische Partei nach Taiwan geflüchtet waren und die noch jahrzehntelang betonte, sie sei die eigentlich rechtmäßige Regierung Chinas. Auch Mas Familie stammt vom Festland.
„Frieden, Kampf, Rettung Chinas“
Auf seiner Reise betonte Ma immer wieder die Zusammengehörigkeit der Menschen in Taiwan und China. So besuchte er die alte Kaiserstadt Xi‘an in der Provinz Shaanxi, Sitz mehrerer chinesischer Dynastien. Gemeinsam mit den jungen Leuten seiner Reisegruppe huldigte er im nahegelegenen Ort Huangling dann dem mythologischen Gelben Kaiser, den viele Chinesen bis heute als 5000 Jahre alten Stammvater verehren. „Wenn wir heute unsere jungen Leute aus Taiwan nach Shaanxi bringen können, um in Huangling zu beten, dann ist das für mich von großer Bedeutung“, zitierte die staatliche Zeitung China Daily Ma. Er habe betont, dass die meisten Taiwaner fest an die chinesische Kultur und die Identität der chinesischen Nation glaubten.
Im südchinesischen Zhongshan besuchte Ma die einstige Residenz von Sun Yat-sen, dem Gründervater der Republik China – und der KMT. Dort sagte Ma laut einer Erklärung seines Büros, er hoffe, dass „beide Seiten der Taiwanstraße zusammenarbeiten, einen Krieg vermeiden ... und gemeinsam Frieden und Wohlstand schaffen können“. Nach einem Bericht der South China Morning Post zitierte er dabei Suns angeblich letzte Worte kurz vor seinem Tod 1925: „Frieden, Kampf, Rettung Chinas“. Die Menschen auf beiden Seiten der Meerenge „gehören zur chinesischen Nation“, betonte Ma – und bekräftigte damit die Sichtweise der Regierung in Peking.