Wer finanziert die Tierheime und wie? Oberallgäuer Bürgermeister informieren sich und diskutieren
Wer ist die Unterbringung von Fundtieren zuständig? Wie und vor allem von wem sollen Tierheime finanziert werden? Diese Fragen beschäftigten die Oberallgäuer Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bei der Kreisverbandssitzung des Bayerischen Gemeindetages in Kimratshofen.
Kimratshofen – Die Initiative für diesen Tagesordnungspunkt war von Sabine Rödel, Bürgermeisterin von Bad Hindelang ausgegangen, erklärte der Kreisvorsitzende Thomas Eigstler. Als Fachreferent hatte er Wilfried Schober, Referatsleiter in der Geschäftsstelle des Bayerischen Gemeindetags eingeladen.
Tierheime: Wer ist verantwortlich, Gemeinden, Freistaat oder Bund?
„Die Tierheime sind chronisch unterfinanziert und es werden immer mehr Tiere abgegeben“, beschrieb der Experte die aktuelle Lage. Die Trägervereine verlangten von den Gemeinden mehr Geld, um der Situation Herr zu werden. Die Bürgermeister fragen sich dann, warum ihre Gemeinde dafür zahlen solle. „Und der Streit geht los“, beschrieb Schober das typische Szenario.
Für den Tierschutz ist der Staat verantwortlich. Als der Gemeindetag zuletzt 2023 die bayerische Regierung aufforderte, deswegen eine klare Regelung zu erlassen, spielte Innenminister Joachim Herrmann den Ball gleich an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Bundesjustizminister Marco Buschmann weiter. Schober zeigte die entsprechenden Dokumente.
Der Referent sprach insgesamt von einer rechtlichen Grauzone, die dazu führe, dass die Aufgabe an den Gemeinden hängenbleibe. Und solange diese für Lösungen sorgten, würden „sich sowohl der Bund als auch der Freistaat vor ihrer Verantwortung drücken“.
Rechtlich wie ein Gegenstand behandelt
Die Aufgabe lande bei den Gemeinden, weil für die Fundtiere zurzeit an erster Stelle das Fundrecht gelte, der Tierschutz spiele nur eine Nebenrolle. „Verlorene Sachen“ seien laut einer Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuches aus dem Jahre 1899 bei der „zuständigen Behörde“ abzugeben. Näheres regelt in Bayern eine Verordnung aus dem Jahre 1977, die die Entgegennahme eines Fundes den Gemeinden zuordnet.
Diese müssen versuchen, den Besitzer ausfindig zu machen und die Fundsache verwahren. Sie können damit auch Dritte beauftragen. Normalerweise endet die Aufbewahrungspflicht nach sechs Monaten, aber für Haustiere gilt seit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2018 ein Aussetzungsverbot: Das ist der Punkt, bei dem der Tierschutz mitspielt.
Streit zwischen Staat und Kommunen
Über die Neufassung der Verordnung werde seit Jahren verhandelt – ohne Ergebnis, berichtete Schober. Der Gemeinde- und der Städtetag argumentieren, dass die Pflicht der Gemeinden nach sechs Monaten wie bei allen anderen Fundsachen enden sollte. Da die einzige Grundlage für die Verlängerung der Tierschutz sei, müsste ab diesem Zeitpunkt der Staat die Verantwortung übernehmen.
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Für die Neuregelung habe es bereits fünf Entwürfe gegeben, aber man drehe sich im Kreis, weil sich die Gemeinden und der Freistaat über diese Sechs-Monats-Regelung nicht einigen könnten, berichtete der Referent und fügte hinzu: „Solange wir faktisch für die Tiere zahlen, haben weder der Bund noch der Freistaat Eile.“
Ab wann gilt ein Fundtier als Fundtier?
Das alles gilt für die Fundtiere. Aber wie kann man diese definieren? Bei Hunden ist die Rechtslage klar, weil sie grundsätzlich als Haustiere gelten. Bei Katzen, deren Zahl in den Tierheimen „exorbitant hoch“ ist, sehe es anders aus. Da es in Deutschland große wild lebende Katzenpopulationen gibt, entschied sich das Hessische Verwaltungsgericht dafür, dass sie nur dann als Fundtiere gelten, wenn sie einen Chip tragen. Das Bundesverwaltungsgericht stuft sie aber in der Regel als Fundtiere ein. Und was ist mit den Tieren, die aus anderen Gründen herrenlos geworden sind, zum Beispiel weil sie ausgesetzt oder entnommen wurden?
Das bayerische Innenministerium führte dieses Jahr eine landesweite Umfrage durch. Diese ergab, dass 2023 in Bayern bei den Gemeinden 10.677 Fundtiere abgegeben wurden. Das bedeutet im Durchschnitt fünf pro Gemeinde. Die Kosten für die Unterbringung lagen insgesamt bei gut sieben Millionen Euro.
1.726 Gemeinden delegieren die Aufgabe der Unterbringung an ehrenamtlich geführte Tierheime, 137 an private Haushalte und 39 haben dafür eigene Einrichtungen. 1.303 Gemeinden haben mit „ihrem“ Tierheim eine einwohnerbezogene Jahrespauschale vereinbart, die sich im Landesdurchschnitt auf 0,75 Euro beläuft. Eine Grundlage für die Berechnung der Pauschale gebe es nicht, sagte Schober.
Für den Landkreis Oberallgäu sind drei Tierheime, in Kempten, in Immenstadt und in Oberstdorf zuständig. In Sonthofen gibt es einen Verein ohne eigene Einrichtung, der mit privaten Unterbringungsmöglichkeiten arbeitet. Das Landratsamt sammelt von den Gemeinden eine Jahrespauschale von 0,50 Euro ein und leitet das Geld weiter.
Seit 2016 sind die Gemeinden, die mit dem Tierheim Immenstadt zusammenarbeiten, aus dieser Regelung ausgestiegen und suchen eigene Wege. Laut Christof Endres, Bürgermeister aus Blaichach, liege ihr Beitrag bei einem Euro, mit der Vorgabe, dass der Verein daraus auch zukünftige Investitionen bezahlen solle.
So steht es um die Tierheim-Pauschale in der Region
Und genau solche Investitionen stehen aktuell überall an. Thomas Eigstler informierte darüber, dass man sich in Kempten und im Altlandkreis darüber einig sei, die Pauschale nicht zu erhöhen, aber für die bevorstehenden Baumaßnahmen je nach Einwohnerzahl freiwillig einen bestimmten Betrag zu leisten. In Immenstadt plane man einen Neubau, berichteten die Bürgermeister. Die Verhandlungen über die Finanzierung laufen noch.
Fragestellungen in der Diskussionsrunde waren: Sind sechsstellige Summen als Spende für einen Verein in Ordnung oder „völlig überzogen“, und das wegen fünf bis sieben (Bad Hindelang) oder ein bis zwei Tieren (Oberstdorf) im Jahr? Ist das mit der Verpflichtung zur sparsamen, sorgfältigen Haushaltsführung vereinbar? Was passiert, wenn der Verein pleite geht?
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