Grafing brütet über Nahwärme-Plan: Heizungsbesitzer sollen auf Zeit spielen

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Bauarbeiten ein einem Nahwärmenetz in Bad Tölz. (Symbolbild) © Karl Bock

Grafing muss bis 2028 seine kommunale Wärmeplanung vorlegen. Doch die Entscheidung für eine Heizungsart ist komplex und mit Unsicherheiten behaftet. Ein Ratschlag lautet: Alte Heizungen so lange wie möglich laufen lassen.

Grafing – So will es das Heizungsgesetz: Bis zum Sommer 2028 muss Grafing spätestens die Karten auf den Tisch legen – die Karten, auf denen die kommunale Wärmeplanung eingezeichnet ist. Dieses Schicksal teilt die Stadt mit allen anderen 20 Kommunen im Landkreis Ebersberg. Welche Schwierigkeiten, Investitionsprobleme, Quotenhürden und rechtliche Unsicherheiten sich dabei auftun, konnten sich fast 200 Besucher einer Informationsveranstaltung in der Grafinger Stadthalle ansehen. Den Abend moderierte die Grafinger Klimamanagerin Christina Spiegel. Hauptakteure waren aber Simon Rothmoser, Geschäftsführer des örtlichen Energieversorgers, Hans Gröbmayr, Klimamanager des Landkreises im Ruhestand, und Stephanie Zöllner von der Energieagentur Ebersberg.

Unsicherheit für Heizungsbesitzer: Im Plangebiet besser reparieren als austauschen

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Wenn es eine sichere Aussage und ein Fazit dieses Informationsabends gibt, dann wohl, dass es zu früh ist für sichere Aussagen – und damit auch für eine persönliche Entscheidung, was die künftige Heizungsart betrifft. Eine wichtige Erkenntnis nahmen aber alle mit, und die formulierte Zöllner so: „Heizungen so lange laufen lassen, bis sie kaputt sind.“ Neue Anlagen zu produzieren, verbrauche schließlich auch viel Energie. Am Ende der Veranstaltung werden viele Besucher dem Vernehmen nach jedoch noch einen Schritt weiter gehen, und alte Heizungen nach Möglichkeit und soweit gesetzlich erlaubt auch reparieren und damit Zeit gewinnen. Denn die Energiewende in den Kommunen braucht einen langen Vorlauf, wie Rothmoser in einem Vortrag deutlich machte: Wer zu früh investiert, könnte bei einem baldigen Nahwärmeanschluss praktisch doppelt verlieren. 

Das Vorgehen des Energieversorgers erinnert dabei an in Grafing eben erst Erlebtes: Ähnlich wie aktuell beim Glasfasernetz wird durch den örtlichen Energieversorger beim Nahwärmenetz ein Quorum der Anschlusswilligen pro Quartier ermittelt. Kommen genügend Verträge zustande, werden die Quartiere priorisiert. Und dann kann es auch schon losgehen, mit dem Verlegen von Hausanschlüssen. Klingt einfach, ist im Detail aber ein Jahrzehnteprojekt.

Bürgerbeteiligung, Preisentwicklung, Regierungspläne: Viele Fragezeichen

Dass Grafing einen örtlichen Energieversorger hat, nannte Gröbmayr einen „Glücksfall“. Rothmoser rechnete überschlagsmäßig vor, welche Investitionssummen mit einem großen Nahwärmenetz und der Erweiterung des bereits bestehenden verbunden wären. Woher das Geld kommen soll, ist noch unklar. Es gibt verschiedene Modelle, von der investiven Bürgerbeteiligung bis hin zur reinen Finanzierung über die Verbrauchsgebühren. Ob da der Konsument mitmachen wird, da ist sich Rothmoser offensichtlich selbst nicht ganz sicher. Öl- und Gaspreise könnten sinken, die CO2-Bepreisung wird steigen, mutmaßte er. Das Hü und Hott der Regierungsampel kritisierte er als Unsicherheitsfaktor: „Es ist verrückt, was in einem halben Jahr alles für Änderungen kommen.“

Aber woher soll die Energie für ein Nahwärmenetz überhaupt kommen? Dazu setzt Rothmoser auf einen Mix. Eine Option ist, die Biogasanlage am Schönblick zu erweitern.

Großes Interesse zeigten die Grafinger bei der Infoveranstaltung zur Fernwärme in der Stadthalle.
Großes Interesse zeigten die Grafinger bei der Infoveranstaltung zur Fernwärme in der Stadthalle. © Artist S.ROSSMANN

Wie holprig der Weg zu einem Nahwärmenetz manchmal ist, zeichnete Gröbmayr am Beispiel der Gemeinde Glonn nach, wo die Widerständler zum Instrument eines Bürgerentscheides gegriffen hatten. Das ist längst Geschichte, die Glonner seien inzwischen sehr zufrieden, weshalb Gröbmayr den Grafingern einen Rat gab: „Ich baue keine Wärmepumpe ein, wenn ich an die Nahwärme anschließen kann.“ Zusätzlicher Vorteil: „Die Wertschöpfung soll am Ort bleiben“, statt in Hände von Leuten zu gelangen, „mit denen ich privat nie im Leben etwas zu tun haben will“. Gemeint waren damit wohl vor allem Ölmultis und Gas-Oligarchen.

Auch Firmen mit hohem Wärmeumsatz könnten mitmachen

Rothmoser appellierte auch an die Betriebe in Grafing, die bei ihren Herstellungsprozessen selbst erhebliche Wärmemengen produzieren. „Wir freuen uns über jeden, der Abwärme hat“, zeigte er eine Verwertungsmöglichkeit auf.

In etwa drei Monaten werde die Gebietsclusterberechnung fertig sein, kündigte Rothmoser an. Gemeint sind damit Siedlungsabschnitte, die zu einem Wärmemengenliefergebiet zusammengefasst werden können. Dann komme es darauf an, „ob die Quote erfüllt wird“, angepeilt sind die Hälfte bis zwei Drittel der Haushalte. Klappt das nicht, rutscht das Stadtquartier im Ausbauplan nach hinten oder fällt ganz heraus. Einige Gebiete kommen aus wirtschaftlichen Gründen bislang überhaupt nicht in Betracht.

Gröbmayr machte klar, dass das Gelingen der Energiewende weniger vom alternativ produzierten Strom abhänge, als von der Hausheizung, die drei Viertel des Gesamtenergieverbrauchs ausmache. Die Grafinger Bürger verhalten sich, was ihren Energieverbrauch betrifft, bereits überdurchschnittlich verantwortungsbewusst, informierte er anhand von Durchschnittsverbräuchen. Abgehoben wurde dabei auf den Konsum von Primärenergie. Der Verbrauch ist unter anderem auch deswegen unterdurchschnittlich, weil Grafing über zwei Bahnhöfe verfügt, die es Pendlern einfach macht, bei der Fahrt zur Arbeit auf das Auto zu verzichten.      

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