Jetzt ist sogar schon von Enteignung die Rede: Das seltsame Eigenleben am Kranzberg-Gipfelhaus wirft in Mittenwald Fragen auf. Zumal der Eigentümer dieses Traum-Anwesens weiter die Rolle des großen Unbekannten spielt.
Mittenwald – Eisig weht der Frühjahrswind auf rund 1300 Höhenmetern. Eine warme Stube finden Wanderer im Kranzberg-Gipfelhaus nicht – verschlossene Türen, Funkstille. Seit bald acht Jahren bleibt dort schon die Küche kalt. Kein Betrieb, keine Gäste – nur geheimnisvolle und gespenstische Ruhe.
Wann bekommen die Mittenwalder eigentlich wieder ihre liebgewonnene Berggaststätte zurück? Das wollte vor einigen Tagen Alexander Brunner vom Touristikverein beim Kranzberg-Symposium im Hotel Post wissen. Der Textil-Unternehmer bohrte damit in eine offene Wunde. Denn sogleich fühlte sich Kulturkreis-Vorsitzender Wolfgang Schwind zu einem Kommentar veranlasst. „Mir ist das ein Rätsel, dass da oben schwarz gebaut wird ohne Ende“, so die harsche Kritik des hochdekorierten Statikers. Doch damit beließ es Schwind nicht: „Man muss sich Gedanken machen, ob das noch rechtens ist.“ Ja, sogar das hässliche Wort Enteignung machte im Postsaal die Runde.
„Da sind die zuständigen Behörden dran“, verwies Bürgermeister Enrico Corongiu (SPD) in seiner Replik auf das übergeordnete Landratsamt. Genau das richtige Stichwort für den ehemaligen CSU-Gemeinderat Ludwig Knilling. „Die Gemeinde hat da nichts verschlafen“, betonte der „Kuin-Luggi“. „Sie hat da keine Handhabe, das ist privat.“ Dann wird Knilling noch deutlicher: „Das ist die Schlafmützigkeit des Landratsamts! Die dort trauen sich nicht, das ist auf dem Kranzberg das gleiche wie im Karwendel.“ Womit er auf die oft schon kritisierte Vorgehensweise der Kreisbehörde bei diversen Bauten der Karwendelbahn anspielt.
Doch was ist momentan eigentlich Sachstand auf dem Mittenwalder Sonnenberg? Fakt ist: Dem Vernehmen nach ein Unternehmer aus München hat das Ende 2016 geschlossene Gipfelhaus vor einiger Zeit erworben. Die wenigsten in Mittenwald kennen ihn. Der Mann scheut offenbar die Öffentlichkeit. Zum wiederholten Mal hat er nun auf eine Tagblatt-Anfrage nicht reagiert.
Es war ein vernünftiges Gesprächsklima.
Kennt ihn der Bürgermeister? Ja. Doch das vorerst letzte persönliche Zusammentreffen liegt ihm zufolge mindestens zwei Jahre zurück. „Es war ein vernünftiges Gesprächsklima“, erinnert sich Corongiu, der damals schon den Eindruck gehabt haben will, sein Münchner Gegenüber meint es mit dem Projekt Kranzberg ehrlich. Tatsache ist aber auch: Es herrschte dort oben immer wieder rege Bautätigkeit – bis Herbst 2023. Dann verhängte das Landratsamt einen Baustopp.
Und wie lautet der aktuelle Status Quo? „Die Bauarbeiten sind förmlich mit Bescheid eingestellt worden“, lässt Behördensprecher Stephan Scharf wissen. Eine weitere Überprüfung vor Ort soll ihm zufolge zu dem Ergebnis gekommen sein, dass nach Zustellung der Landratsamtsaufforderung dennoch Arbeiten fortgeführt wurden. „Das angedrohte Zwangsgeld wurde deshalb für fällig erklärt und ein weiteres höheres Zwangsgeld angedroht.“ Bei weiteren Ortsterminen sind laut Scharf die Kollegen zu dem Ergebnis gelangt, dass seit diesem Zeitpunkt keine Bauarbeiten mehr vonstatten gingen.
Adressat der Bescheide war im Übrigen der besagte Unternehmer aus München. „Ob die Person noch Eigentümerin ist, können wir nicht definitiv beantworten, da die Daten in unserer Software erst mit einigen Monaten Verspätung aktualisiert werden.“ Bis heute liegt dem Landratsamt vom Bauwerber kein schriftlicher Antrag vor. Immerhin soll es mit ihm zu einem persönlichen Treffen gekommen sein. „Es fand ein Gespräch vor Ort statt“, bestätigt Scharf.
Meine news
Die Öffentlichkeit in Mittenwald aber darf weiter rätseln, wer der große Unbekannte vom Kranzberg-Gipfelhaus ist.