Wie die Hitzewelle Frankreichs Kernkraft lähmt – Deutschland versucht sich zu rüsten
Frankreich muss die Energiegewinnung aus Atomkraft stellenweise herunterfahren. Der Grund ist das Klima. Trifft es auch Deutschland?
Paris – Die Grande Nation baut wie nur wenige andere Länder auf die Kernkraft, um sich mit Strom zu versorgen. Das birgt gewisse Risiken, die ausgerechnet im Sommer umso deutlicher zutage treten. Einen ähnlichen Effekt hatte auch Deutschland vor einigen Jahren erlebt.
Hitzewelle sorgt für Probleme bei Kernkraft – Frankreich muss Atomreaktor herunterfahren
Eine Hitzewelle bringt aktuell (31. Juli) Temperaturen von bis zu 40 Grad nach Frankreich. Das wirkt sich direkt auf die französische Atomstromproduktion aus: Am Montagabend (29. Juli) hatte der zuständige Betreiber den Reaktor 2 des Kraftwerks Golfech vorübergehend heruntergefahren. Laut dem Betreiberkonzern Electricité de France (EdF) sollen die Einschränkungen bis zum Donnerstag, dem 8. August, bestehen bleiben. Wie die F.A.Z. berichtete, soll der Reaktor 1 wegen Netzbeschränkungen in Betrieb bleiben.
Dabei stellt sich die Frage nach dem Warum. Im Detail ist das durch die Sommerhitze erwärmte Wasser des Flusses Garonne der Auslöser – der Betreiber EdF darf, sobald die Flüsse gewisse Temperaturgrenzwerte überschreiten, deren Wasser nicht mehr zur Kühlung der Kernreaktoren verwenden. In solchen Fällen müsse EdF die Produktion des betroffenen Werks drosseln oder ganz herunterfahren. Eine Neuheit ist das für das Kraftwerk nicht: In der Vergangenheit musste der Golfech-Reaktor schon öfters die Leistung reduzieren, weil es zu heiß gewesen war. Ausnahmen sind allerdings immer möglich – vor allem dann, wenn sonst Engpässe im Stromnetz drohen.
Bislang hatte Frankreich noch vergleichsweise Glück: Die Hitzewellen hielten nur selten mehrere Wochen lang an, weswegen die als „umweltbedingt“ deklarierten Verluste lediglich 0,3 Prozent der Jahresproduktion ausgemacht hätten. Mit einem Anteil von 74,0 Prozent ist nukleare Energie die wichtigste Art der heimischen Energieproduktion in Frankreich (International Energy Agency).
Problem um Hitzewelle ist bekannt – Frankreich musste Kernkraftwerke bereits 2022 herunterfahren
Ein ähnliches Problem hatte Frankreich bereits im Jahr 2022 gehabt. Damals befanden sich mehrere Kernkraftwerke in der Reparatur, konnten also nicht in gewohntem Maße zur Energieerzeugung beitragen. Ein Teil der noch laufenden Kraftwerke musste allerdings den Betrieb herunterfahren – wofür auch damals das Wetter verantwortlich war.
Um den fehlenden Strom auszugleichen, hatte Frankreich beträchtliche Mengen an Energie aus den Nachbarländern hinzugekauft. Laut dem Annual Electricity Review 2022 des französischen Netzbetreibers RTE (Réseau de Transport d‘Electricité) stammte die größte Menge an importiertem Strom aus Deutschland und Belgien (29,3 Terawattstunden). Großbritannien (12,6 Terawattstunden) und Spanien (12,9 Terawattstunden) lagen ein Stück weit dahinter zurück.
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Energieengpässe durch Hitzewelle – auch in Deutschland möglich?
Deutschland ist vor demselben Problem grundsätzlich nicht gefeit. Thermische Kraftwerke (also zum Beispiel Kohle- und Dampfkraftwerke) benötigen ebenfalls Kühlwasser für die Stromerzeugung. Etwa 40 Prozent der Energie werden im Brennvorgang in Strom umgewandelt, die restliche Energie verwandelt sich in Wärme, die entweder in die Luft oder ins Wasser abstrahlt. Meistens stammt dieses Kühlwasser aus Fließgewässern, das später – erwärmt – wieder dort endet.
Das Umweltbundesamt warnte bereits davor, dass es bei tiefen Wasserständen und hohen Wassertemperaturen vorkommen kann, dass verschiedene Kraftwerke ihre Stromproduktion drosseln oder zeitweise einstellen müssen. Ein niedriger Wasserstand kann die Verfügbarkeit von Kühlwasser sowohl deutlich einschränken als auch den Wirkungsgrad von Kraftwerken negativ beeinflussen. Auch hier in Deutschland gibt es entsprechende Umweltvorschriften, die für eine Limitierung der Kühlwasser-Entnahme sorgen können.
Zuletzt hatten mehrere Kraftwerke im Jahr 2018 ihre Leistung drosseln müssen. Die gute Nachricht: Eine Gefährdung der deutschen Stromversorgung durch die Drosselung einzelner Kraftwerke sei noch „nicht ersichtlich“, erklärte das Umweltbundesamt.
Anteil von erneuerbaren Energien steigt – Deutschland braucht tendenziell weniger Kühlwasser
Aktuell ist Deutschland dabei, im Zuge der Energiewende mehr erneuerbare Energieträger in den Strom-Mix zu integrieren. Die Erzeugung und Einspeisung von Strom aus Kohlekraftwerken hatte 2023 mit rund minus 30 Prozent einen deutlichen Rückgang zu verzeichnen, gleichzeitig sank der Anteil von Kohlestrom an der Gesamterzeugung auf 26,1 Prozent. Dennoch war Kohle im Jahr 2023 noch der zweitwichtigste Energieträger in Deutschland.
Dafür nahm die Einspeisung aus Erdgas im Jahr 2023 zu (plus 3,9 Prozent). Wegen des Atomausstiegs ging außerdem der Anteil der Stromeinspeisung aus Kernenergie deutlich zurück. Dieser machte 2023 lediglich noch 1,5 Prozent der insgesamt eingespeisten Strommenge aus. Das hatte das Statistische Bundesamt (Destatis) mitgeteilt. Langfristig will Deutschland sich von fossilen Energien lösen – und damit von der Abhängigkeit von Kühlwasser. Andere europäische Länder und die USA haben dagegen eine Renaissance der Kernkraft eingeläutet.