Die USA wollen ein abgeschaltetes Kernkraftwerk reaktivieren. Unter anderem soll das für eine massive Einsparung von CO₂ sorgen. Kann das auch in Deutschland klappen?
Michigan – Während Ex-Präsident Obama schon vor Jahren den Grundstein für mehr Förderung von Atomkraft legte, verabschiedet sich Deutschland von seinen Kernkraftwerken. Andere europäische Länder feiern eine nukleare Renaissance. Was bedeutet das für die Bundesrepublik?
USA baut auf Atomkraft – und reaktiviert ein stillgelegtes Kraftwerk
Die USA holen in einem Pionierverfahren ein AKW zurück ans Netz, das vorher stillgelegt war. Konkret handelt es sich um das Kraftwerk „Palisades“ im US-Bundesstaat Michigan, gelegen am Lake Michigan. Wie die Welt berichtete, hatte das Department of Energy (DOE) dem Energiekonzern Holtec für die Reaktivierung ein Darlehen über 1,52 Milliarden US-Dollar gewährt, um „Palisades“, so der Name des zu reaktivierenden Kraftwerks.
Zusätzlich zu den 1,5 Milliarden Dollar vom DOE gibt der Bundesstaat Michigan weiter einen Zuschuss über 150 Millionen Dollar aus. Davon hat Michigan gleich mehrere Vorteile. Erstens soll „Palisades“ Steuern in Millionenhöhe zahlen; während seines Betriebs waren es angeblich zehn Millionen US-Dollar, die das Kraftwerk jährlich an Grundsteuern zahlte. Zweitens gilt Kernkraft in den Vereinigten Staaten als eine der klimafreundlichsten Energiearten.
Atomkraft als nachhaltige Energieform
Und zwar schon seit Jahren. 2015 hatte der damalige US-Präsident Barack Obama in einem Klimaaktionsplan festgelegt, alle geeigneten Instrumente zur Bekämpfung des Klimawandels einzusetzen. Atomkraft, die noch 2014 rund 60 Prozent des CO₂-freien Stroms in den USA erzeugt hatte, spielte dabei eine wichtige Rolle. „Da Amerika den weltweiten Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft anführt, ist die kontinuierliche Entwicklung neuer und fortschrittlicher Nukleartechnologien zusammen mit der Unterstützung derzeit in Betrieb befindlicher Kernkraftwerke ein wichtiger Bestandteil unserer Strategie für saubere Energie“, teilte das Weiße Haus damals mit.
Mit Investitionen in die sichere Entwicklung der Kernenergie, so war damals der Plan, wollte Obama andere „wichtige politische Ziele“ im nationalen Interesse vorantreiben. Er wollte Arbeitsplätze schaffen, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sichern und die nukleare Sicherheit verbessern. Für das Geschäftsjahr 2016 sah das Weiße Haus mehr als 900 Millionen US-Dollar vor, die an das DOE fließen sollten, um den zivilen Kernenergiesektor zu unterstützen.
Vom Weiterbetrieb des „Palisades“-Kraftwerks soll das Stromnetz stabiler werden. Der Konzern wirbt außerdem damit, dass die Umrüstung des Kraftwerks die CO₂-freie Energieerzeugung und die Netzzuverlässigkeit der Region „erheblich verbessern“ soll. Insgesamt soll das Projekt 4,47 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen pro Jahr vermeiden.
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Atomenergie in Deutschland
Andere Industriestaaten suchen ihr Heil ebenfalls in der Kernenergie. Zum Beispiel hatte Japan erst vor einigen Tagen angekündigt, ebenfalls ein bereits abgeschaltetes Atomkraftwerk wieder hochfahren zu wollen. Dabei handelt es sich um Kashiwazaki-Kariwa, das größte Atomkraftwerk des Landes. Frankreich und andere europäische Staaten haben ebenfalls entsprechende Schritte ergriffen. Auf einem Atomgipfel legten diese Nationen fest, dass Atomenergie langfristig ein „fester Bestandteil“ des europäischen Strommixes bleiben solle.
In Deutschland dagegen ist der Atomausstieg von langer Hand geplant gewesen. Eine Reaktivierung ist nur schwer möglich – einige Kraftwerke sind bereits durch eine Säurewäsche arbeitsuntauglich, vom Kostenpunkt einmal abgesehen. Zuletzt kamen heftige Diskussionen auf, weil Ministeriumsmitarbeiter von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angeblich wichtige Informationen zum Atomausstieg zurückgehalten hätten. Ein Bericht des Cicero-Magazins hatte eine wahre Welle an Reaktionen ausgelöst.
Können die Reaktivierung von „Palisades“ und Kashiwazaki-Kariwa der deutschen Debatte über einen Wiedereinstieg in die Kernkraft neues Feuer geben? Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist die Atomenergie „ein totes Pferd“.