„Völlig verrückte Selenskyj-Formel“: Lawrow poltert gegen Ukraine-Friedensplan und schürt Angst

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Lehnt den ukrainischen Friedensplan mit deutlichen Worten ab: Laut Russlands Außenminister Sergej Lawrow sollte sich die Welt ein Beispiel an China nehmen. © Screenshot Iswestija

Sergej Lawrow äußert sich in einem Interview zu möglichen Friedensgesprächen im Ukraine-Krieg. Kiews Plan lehnt er rundheraus ab.

Moskau – Nach mehr als zwei Jahren Blutvergießen und Zerstörung stellt sich mehr denn je die Frage, wie der Ukraine-Krieg zu einem Ende kommen kann, mit dem sowohl Kiew als auch Moskau leben können. Damit beschäftigte sich auch Sergej Lawrow in einem mehr als 80-minütigen Interview der regierungsnahen Zeitung Iswestija. Dem Friedensplan der Ukraine erteilt der Außenminister Russlands dabei eine klare Absage.

Lawrow über Friedensgespräche im Ukraine-Krieg: Idee aus Kiew ist „völlig verrückt“

Nachdem es im Gespräch zunächst um den Anschlag in Moskau samt Russlands Jagd auf die Hintermänner sowie die Wiederwahl von Wladimir Putin und die Reaktionen aus dem Westen geht, wird Lawrow schließlich auch zur Initiative Chinas befragt, „die Situation in der Ukraine“ zu lösen. Daraufhin betont Moskaus hoherDiplomat, dieser Zwölf-Punkte-Plan aus dem Februar 2023 aus Peking sei positiv aufgenommen worden, „denn anders als die aus diplomatischer Sicht völlig verrückte ‚Selenskyj-Formel‘ basierte der chinesische Plan auf einer Analyse der Ursachen des Geschehens und berücksichtigte die Notwendigkeit, diese Grundursachen der Krise zu beseitigen“.

Kiew fordert in seinem Friedensplan, dass die russischen Truppen abgezogen werden und der Grenzverlauf nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 wiederhergestellt wird. Außerdem soll Russland für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Das schmeckt Lawrow wie auch Kreml-Chef Wladimir Putin gar nicht. Besser schien Russland eine Initiative für einen Friedensplan aus Afrika zu gefallen.

Video aus dem Ukraine-Krieg: Russland startet „massiven Raketenangriff“

Lawrow poltert gegen Friedensplan der Ukraine: „Russland soll kapitulieren und seine Waffen begrenzen“

Im weiteren Verlauf des Interviews geht es um den eskalierte Nahost-Konflikt, zu dessen Beilegung laut dem 74-Jährigen eine Zusammenarbeit zwischen Russland, den USA, der UN und der EU nötig sei. Wegen der aktuellen Diskrepanz zwischen den verschiedenen Hauptakteuren wird Lawrow noch einmal dazu befragt, inwiefern Friedensgespräche möglich seien, wenn sich beide Seiten nicht trauen würden.

„Wir sind immer noch gesprächsbereit, aber nicht auf der Grundlage dieser ‚Selenskyj-Formeln‘“, betont Lawrow, um nachzuschieben: „Wie kann ein seriöser Politiker in Washington, Brüssel, London, Paris, Berlin erklären, dass die ‚Selenskyj-Formel‘ keine Alternative hat?“

Dann zählt er auf: „Die Essenz dieser Formel: Russland muss kapitulieren, Russland muss die Krim verlassen, den Donbass, Noworossija, Russland muss Entschädigungen zahlen, die russische Führung muss nach Den Haag kommen und sich dem Tribunal ergeben, und Russland muss sich freiwillig bereit erklären, seine Waffen zu begrenzen, zumindest in den an Europa angrenzen Gebieten.“ Erst vor wenigen Tagen hatte der Außenminister die Krim zum integralen Teil Russlands erklärt und sich damit jegliche Diskussionen um eine Rückgabe an die Ukraine verboten.

Lawrow schürt Angst in annektierte Gebieten: Angeblich plant Ukraine Völkermord nach Russlands Abzug

Im Weiteren spricht Lawrow der Ukraine ab, neutral zu sein, in guter Nachbarschaft mit den anderen ehemaligen Sowjetstaaten zu leben und die Menschenrechte sowie die Rechte von nationalen Minderheiten zu respektieren. Außerdem schürt er die Angst, die Ukraine könnte in den aktuell von Russland gehaltenen Gebieten nach einem Abzug von Moskaus Truppen einen Völkermord begehen. Als Beleg zieht er ein angebliches Zitat einer nicht näher benannten ukrainischen Parlamentarierin heran, die eine öffentliche Massen-Hinrichtung auf der Krim gefordert haben soll.

Es ist eine weitere Drohgebärde, um die in den annektierten Gebieten lebenden Menschen und die Staaten, die Russland trotz der Gräueltaten noch nicht völlig entsagt haben, aufzurütteln. Der Kreml inszeniert sich auf diesem Weg als Schutzmacht für die Bevölkerung, die angeblich von Moskau befreit wird.

Wladimir Putin (l.) gibt Sergej Lawrow die Hand
Sind nicht nur beim Ukraine-Krieg Hand in Hand unterwegs: Sergej Lawrow (r.) dient Wladimir Putin seit 2004 als treuer Außenminister. © IMAGO / ITAR-TASS

Lawrow bietet Westen Zusammenarbeit an: „Welt hat sich verändert“

Dem Westen wirft er abermals vor, kein Interesse mehr an einer gleichberechtigten Zusammenarbeit zu haben: „Das Ziel besteht darin, uns zu bestrafen, eine strategische Niederlage herbeizuführen.“ Russland solle in die Isolation getrieben werden.

Obwohl Lawrow, der erst jüngst gegen die Nato schoss, anschließend erläutert, dass Russland sich mehr in Richtung Eurasien und Afrika orientiere, hält er dem Westen die Tür weiter offen: „Wenn dieser zur Besinnung kommt, wenn er erkennt, (…) dass sich die Welt verändert hat und neue Machtzentren entstanden sind, neue Zentren der wirtschaftlichen Entwicklung und der Finanzmacht, und dass es notwendig ist, diese zu respektieren.“

Sollte eine Zusammenarbeit jedoch nicht „auf der Grundlage der Gleichberechtigung, des gegenseitigen Respekts, des gegenseitigen Nutzens und der Suche nach einem Interessenausgleich“ möglich sein, würde sich Moskau innerhalb der UN andere Partner „auf gleicher Augenhöhe“ suchen. Während der Kreml oft die Peitsche in Form von Nukleardrohungen in Richtung Westen knallen lässt, wird in diesem Interview von Lawrow auch etwas Zuckerbrot gereicht. (mg)

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