"Übernimmt rechte Narrative": SPD keilt gegen Union und lässt dabei tief blicken
Eine Koalition ist keine Liebesheirat. Deshalb tun die beteiligten Parteien gut daran, durchaus auf ihr eigenes Profil zu achten. Folglich machen CDU/CSU und SPD jenseits des Koalitionsvertrags klar, was sie tun würden, wenn sie allein regierten. So war und ist das in jeder Koalition.
Doch auch hier gilt: Der Ton macht die Musik. Wenn Koalitionspartner in einer Weise einander kritisieren oder gar übereinander herziehen, als wäre der andere in der Opposition, dann ist das kein gutes Zeichen. Im schwarz-roten Regierungsbündnis knirscht es bisweilen heftig, wird kräftig ausgeteilt. Beim Thema Renteneintrittsalter, Bürgergeld oder Steuern werden die Unterschiede hervorgehoben.
Bei der SPD sitzt vor allem der Ärger über die gescheiterte Wahl der Verfassungsrichter tief. Das kann man sogar verstehen. Schließlich hatten CDU und CSU im Richterwahlausschuss für die beiden Kandidatinnen der SPD gestimmt. Dabei gibt sich die SPD überzeugt, viele Unions-Abgeordnete hätten sich von weit rechts anzusiedelnden Publikationen dazu drängen lassen, ihrem Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn und damit auch Bundeskanzler Friedrich Merz die Gefolgschaft zu verweigern.
SPD Frust wird auf Plattform „X“ laut
Ihren Frust, ja ihrem Zorn machte die SPD vor zwei Tagen in einem Text auf der Plattform „X“ mehr als deutlich Luft: „Rechte Netzwerke wollen die demokratischen Institutionen angreifen – von der Justiz über die Parlamente bis in die Mitte unserer Gesellschaft“, hieß es dort. „Und sie tun das mit System. Mit Desinformation, mit Hass, mit Einschüchterung.“ Im nächsten Satz geht die SPD frontal auf den Koalitionspartner CDU/CSU los: „Oft befeuert von der Union, die rechte Narrative übernimmt, statt sich klar abzugrenzen. Doch wir sagen: Nicht mit uns.“
Die Union in die Nähe von Rechtsradikalen zu schieben, ist ein beliebtes Agitationsmuster von Linken und Grünen. Der „Kampf gegen rechts“ zielt vordergründig auf die rechtsextreme AfD. Aus linksgrüner Sicht ist die Union da stets mitgemeint. Auf „X“ praktiziert jetzt der SPD-Vorstand genau diese Methode. Hier soll mit Worten Politik gemacht werden. Alles, was nicht links ist, wird unter „rechts“ eingeordnet: AfD, CSU, CDU.
Eine „Blutgrätsche“ gegenüber dem Koalitionspartner
Im Fußball würde man sagen: Eine „Blutgrätsche“ gegenüber dem Koalitionspartner, mit dem man doch angeblich „Verantwortung für Deutschland“ übernommen hat. Inzwischen hat die SPD den bösen Satz, wonach die Union die ganz Rechten „befeuere“, still und leise gestrichen. Die Begründung: Der Text sei voreilig ins Netz gestellt worden, ohne Freigabe „von oben“.
Selbst wenn das zutreffen sollte: Die Formulierung zeigt, wie in der SPD-Parteizentrale über die Union gedacht wird. Da fragt man sich, wieso die SPD mit einer mit „rechten Narrativen“ operierenden Union überhaupt regiert? Angesprochen auf diesen Frontalangriff auf die CDU reagierte Parteichef Lars Klingbeil vor der Bundespressekonferenz so: Er kenne diesen Text nicht.
CDU-Influencer spricht von „Klingbeilisierung“
Baha Jamous, ein CDU-Influencer, hatte bereits im Bundestagswahlkampf 2021 den Begriff der „Klingbeilisierung“ in den politischen Sprachgebrauch eingeführt. Gemeint waren damit die rüde Wahlkampfmethoden des damaligen SPD-Generalsekretärs Klingbeil. Als die SPD jetzt ihren Text unter der Überschrift „Es reicht“ veröffentlichte, sah Jamous – im Hauptberuf Kommunikationschef eines Finanzdienstleister – sich bestätigt. „Das ist die offizielle Kommunikation der SPD. Direkt gegen den Koalitionspartner gerichtet. Klingbeilisierung at its best,“ schrieb er auf „X“.
Nun spricht vieles dafür, dass der SPD-Vorsitzende und Bundesfinanzminister derzeit andere Sorgen hat, als sich um „Posts“ auf „X“ zu kümmern. In der CDU sind viele dennoch überzeugt, hier sei die Handschrift Klingbeils zu erkennen. Dass Klingbeils Geist in den Büros des Willy-Brandt-Hauses weht, liegt ja nahe. Schließlich ist er der oberste Boss.