Virus verursacht Ablagerungen im Gehirn: Neue Studie zeigt Risikofaktoren für Demenz

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Noch sind die Gründe für Alzheimer nicht vollends erforscht. Nun zeigt eine Erhebung: Erschütterungen des Kopfes können bestimmte Viren reaktivieren und so die Krankheit begünstigen.

Frankfurt am Main – Als neurodegenerative Erkrankung erzeugt eine Demenz oft viel Leid für Betroffene und Angehörige. Während anfangs Kurzzeitgedächtnis und Merkfähigkeit gestört sind, schreitet eine Demenz häufig so voran, dass sie Betroffenen auch im Langzeitgedächtnis eingeprägte Inhalte nimmt. Im Krankheitsverlauf büßen Betroffene so immer mehr Erlerntes ein, bis es im Zuge eines schweren Demenz-Verlaufs gar zu einem vollständigen Verlust des Wahrnehmungsvermögens kommen kann. Häufig geht das mit einem erhöhten Pflegegrad und Pflegebedürfnis von Erkrankten einher.

Als Oberbegriff fasst die Demenz rund 50 Krankheitsbilder unter sich zusammen, die mit einer Verminderung des Gedächtnisses und der geistigen Leistungsfähigkeit in Zusammenhang stehen. Ihre häufigste Form ist die Alzheimer-Erkrankung (Morbus Alzheimer), die insgesamt rund zwei Drittel aller Demenz-Fälle ausmacht. Zwar können Bewegung, ausgewogene Ernährung und geistiges Training ihr vorbeugen, doch existieren auch eine Reihe von Risikofaktoren, die Alzheimer begünstigen können. Und für diese legt eine jüngst veröffentlichte britische Studie nun einen überraschenden Zusammenhang nahe.

Studie zeigt Zusammenhang von Herpes-Viren und Kopfverletzungen als Risikofaktoren für Alzheimer-Demenz

Die Entstehung der Alzheimer-Demenz ist in der Forschung eine wichtige Frage und als solche Gegenstand zahlreicher Studien der Demenz-Forschung, aber dennoch sind ihre Ursachen noch nicht vollständig geklärt. Klar ist: Bei Betroffenen kommt es zu einem Abbau von Nervenzellen im Gehirn, die ihre geistige Leistungsfähigkeit und ihr Wahrnehmungsvermögen im Krankheitsverlauf immer weiter beeinträchtigen. 

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Ein Gehirnscan: Alzheimer ist eine neurodegenerative Erkrankung. Betroffene leiden zunehmend an Demenz (Symbolbild). © IMAGO / Westend61/ Andrew Brookes

Gegenwärtig geht die Alzheimer-Forschung davon aus, dass Ablagerungen zweier giftiger Proteine maßgeblich für den Abbau von Nervenzellen bei Betroffenen verantwortlich sind: und zwar Verklumpungen von Amyloid-beta und Tau-Fibrillen. Doch offenbar weisen auch Herpes-Viren und Kopfverletzungen wie insbesondere Gehirnerschütterungen ein Risiko auf, die Entstehung einer Alzheimer-Demenz unter bestimmten Umständen zu begünstigen.

Kopfverletzungen „wecken“ Herpes-Viren – und setzen Proteine frei, die Alzheimer begünstigen

Dies zumindest ging nun als zentrales Ergebnis einer britischen Studie hervor, die Forscherinnen und Forscher des Instituts für Bevölkerungsalterung der Universität Oxford gemeinsam mit Angehörigen der Universitäten Manchester und Tufts erarbeiteten. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift Science Signaling. Wie die Forschenden herausfanden, können Herpes-Viren ein gesamtes Leben lang im menschlichen Körper überdauern und zu den gefürchteten Ablagerungen (englisch: „Plaques“) im Gehirn führen, wenn sie auf bestimmte Weise „geweckt“, also reaktiviert werden.

„Geweckt“ werden könnten langfristig im Körper schlummernde Herpes-Viren etwa durch Erschütterungen und Verletzungen des Kopfes, wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler es als nächstes bedeutendes Ergebnis ihrer Studie in Science Signaling herausstellten. Zu ihm gelangten sie, indem sie ein biotechnologisch erzeugtes Modell menschlichen Gehirngewebes einer Reihe leichter Stöße aussetzten. 

Sie beobachteten, wie leichte Stöße die ruhenden Herpes-Viren aktivierten. „Diese Reaktivierung löste Entzündungen, die Bildung von Beta-Amyloid-Plaques und die Bildung schädlicher Tau-Proteine ​​aus“, resümierte Leslie K. Ferrarelli, die als Forscherin an der Studie beteiligt war. Und weil jene Proteine dafür bekannt sind, neurodegenerative Prozesse im Gehirn und darunter auch eine Alzheimer-Demenz in Gang zu bringen, fügt Ferarelli an: „Die Ergebnisse stellen eine direkte Verbindung zwischen zwei Risikofaktoren in einem Mechanismus her, der zur Demenz-Erkrankung beitragen kann.“

Kopfverletzungen sind der Wissenschaft als Risikofaktor für Demenz schon lange bekannt

Während den Forschenden mit dem Zusammenhang von Kopfverletzungen und einer Reaktivierung von Herpes-Viren als Grund einer Alzheimer-Demenz nun eine neue wichtige Erkenntnis gelang, stehen Einwirkungen auf den Schädel schon lange als Risikofaktor für Demenz-Erkrankungen fest. Mit der chronisch-traumatischen Enzephalopathie (CTE) existiert sogar ein Krankheitsbild, das eine seltene Form der Demenz klassifiziert: Kognitive und motorische Störungen sowie Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen, die infolge regelmäßiger Kopfverletzungen entstehen. 

Erstmals beschrieben worden war es von US-Forschenden in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts als „Punch-Drunk-Syndrom“. Anlass für die damalige Untersuchung hatte eine mitunter auffällige Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit von Profiboxern gegeben, die im Training oder bei Wettkämpfen bekanntlich einer hohen Zahl von Schlägen auf den Kopf ausgesetzt sind. 

Weil besonders Kontaktsportarten, und damit neben solchen aus dem Kampfsport auch zahlreiche Mannschaftssportarten wie Fußball oder Basketball ein erhöhtes Potenzial für Kopfverletzungen bieten, mahnt etwa der Verein Alzheimer Forschung Initiative e.V. auf seiner Website davor, den Kopf beim Sport zu schützen und unnötige Erschütterungen zu vermeiden – selbst leichte. Und das nicht nur, weil es für CTE-Betroffene noch keine Therapie gibt, sondern weil Kopfverletzungen eben auch eine Alzheimer-Demenz begünstigen können. Älteren Menschen wird aus diesem Grund auch empfohlen, noch einmal verstärkte Vorsicht vor Stürzen walten zu lassen. (fh)

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