Ein Satz im ARD-Sommerinterview zeigt, dass die Grünen nichts verstanden haben
„Es geht darum, überhaupt wieder einen Fuß in die Tür zu bekommen“, erklärt Co-Parteivorsitzender der Grünen, Felix Banaszak, im ARD-Sommerinterview mit Matthias Deiß. Die Grünen müssten stärker „gesamtdeutsch handeln und gesamtdeutsch denken“.
Bei Landtagswahlen im Osten 20 Prozent zu erreichen, könne eher nicht das Ziel sein. Um im Osten sichtbarer zu werden, war Banaszak, der die Partei mit Franziska Brantner führt, selbst zuletzt im Rahmen einer Sommertour in den neuen Bundesländern unterwegs. Die grünen Bundestagsabgeordneten fordert er nun zu einer sogenannten „Präsenzoffensive im Osten“ auf: „Das bedeutet, alle Bundestagsabgeordneten sind aufgerufen, ihre Wahlkreisarbeit stärker in den Osten zu verlegen.“
Er selbst wolle nach der Sommerpause ein Regionalbüro in Brandenburg an der Havel aufmachen. „Wir geben den Osten nicht auf – und wir kämpfen darum, dass der Osten uns nicht aufgibt“, lautet Banaszaks Parole. Klingt gut, aber die grüne Wahrheit ist anders.
Bedeutungsverlust droht
Gelingt den Grünen in Ostdeutschland nicht schnellstens eine Kehrtwende, droht ihr dort der absolute Bedeutungsverlust. Bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gab es 2024 4,1, 5,1, und 3,2 Prozent. Auch innerparteilich ist der Osten bei den Grünen kaum vorhanden.
Die Partei, die mit Bündnis 90 die Wiedervereinigung im Namen trägt, lässt ostdeutsche Grüne kaum in die Führungszirkel aufsteigen. Im sechsköpfigen Vorstand der Partei ist mit Heiko Knopf aktuell nur ein Ostdeutscher vertreten. Im Bundestag ist die Schieflage noch größer. Im zwölfköpfigen Fraktionsvorstand gibt es nur ein Mitglied aus dem Osten, Claudia Müller.
Die Grünen sind eine westdeutsch geprägte Partei. Ideelle – bisweilen moralische – Wertvorstellungen prägen die Partei. Der West-Ansatz passt nach der Wiedervereinigung aber immer weniger zu einer ostdeutschen Bevölkerung, die Massenarbeitslosigkeit und Existenzangst kennt.
"Das Herz grundsätzlich am rechten Fleck“
Felix Banaszak steht mit schwarzem Jackett, lilafarbenem Shirt und Socken vor ARD-Mann Matthias Deiß und erklärt, man werde „pragmatische Schlüsse“ aus der Lage im Osten ziehen. Da wird sich Banaszak ganz sicher schwer tun.
Der 35-jährige gebürtige Duisburger, der seit November 2024 Bundesvorsitzender der Grünen ist und Deutschland vornehmlich aus der NRW-Landespolitik kennt, ist schlicht von seinem Lebensweg zu weit weg. Da nützt es auch nichts, dass er im Sommerinterview sagt, er sei „ein Kind des Ruhrgebiets und trage das Herz grundsätzlich am rechten Fleck“.
Diese Art der Folklore spielt Banaszak ohnehin zu oft aus. So hatte er schon mal über den legendären Duisburger Tatort-Kommissar Horst Schimanski (Götz George) fabuliert, dass beide „der Gerechtigkeitssinn verbindet, weil Horst Schimanski immer jemand war, der selbst als Polizist auch immer mit den Verbrechern, die eigentlich nicht die großen Fische, sondern die armen Schweine waren, eine Form von Sympathie hatte.“
Angst vor Übergriffen
Das Problem ist, dass die Ostdeutschen weder eine Umverteilungspolitik noch staatliche Regulierungen wollen. Die sich rasant verändernde Welt ist den Bürgern des deutschen Ostens Veränderung und Unsicherheit genug. Egal ob grünes Engagement gegen Grenzkontrollen, für Radwege oder Klimaschutz – im Osten sind grüne Politiker inzwischen regelrechte Feindbilder.
Grüne werden dort mittlerweile nicht nur politisch, sondern auch verbal, per E-Mails oder sogar körperlich angegriffen. Aufgeschlitzte Reifen sind das kleinere Problem. Grüner zu sein, ist zur Mutprobe geworden. Die grüne Partei will Veränderung und Wandel und ist dort insofern eine grundsätzlich Zumutung. Die Grünen kämpfen also nicht nur für mehr Stimmen bei den kommenden Landtagswahlen, sondern müssen auch Parteimitglieder in beängstigenden Zeiten bei der Stange halten.
Entlarvender Satz: „Fürchtet Euch nicht, die Grünen werden wieder grüner"
„Wir sind von einer weit beliebten Partei zum Sündenbock der Nation gemacht worden“, stellt Felix Banaszak nüchtern fest und fügt an, dass die Grünen „eine Partei der radikalen Ehrlichkeit sein müssen“.
Für diese ehrliche Politik habe bis zu seinem Abdanken auch der frühere Grünen-Frontmann Robert Habeck, der jetzt auch anderen Tätigkeiten außerhalb der Politik nachgeht, gestanden. Das Modell Scholz und das Modell Merz aber würden den Deutschen nicht die Wahrheit sagen, wenn es dort heißt: „Die Härten der Welt gehen an Euch vorbei!“ Dann ist das Sommerinterview vorbei und es bleibt wenig Erkenntnis über den künftigen Weg der Grünen.
Unterm Strich bleibt, dass die Grünen im Osten kämpfen wollen, und ein merkwürdiger Satz von Felix Banaszak: „Fürchtet Euch nicht, die Grünen werden wieder grüner.“ So ein Satz ist nicht nur im Osten wohl eher kontraproduktiv.