Afghanen in Kirchenasyl sorgen für Zoff: Nun greift Berlin gegen einen durch

Einer von drei afghanischen Flüchtlingen, die sich zunächst illegal in Hamburg aufhielten und dann Schutz in einer Kirche in Berlin fanden, ist am Donnerstag nach Schweden überstellt worden. Der 26-Jährige wurde bereits am Montag außerhalb des Kirchengeländes von der Berliner Polizei festgenommen, wie ein Sprecher der Hamburger Innenbehörde am Freitag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) bestätigte.

Jahrelang haben die Afghanen in Schweden gelebt und gearbeitet. Aus Angst vor einer Abschiebung waren sie nach Deutschland geflohen. Zunächst nach Hamburg, dann nach Berlin. 

Doch nun streiten sich die Stadtstaaten um die Zukunft der Afghanen. Denn die Männer sollen dorthin zurück, wo sie ihren ersten Asylantrag gestellt hatten: Schweden.

In Berlin gilt das Kirchenasyl, in Hamburg nicht

Derzeit haben die Afghanen, die Christen sind, in der Dreieinigkeits-Kirche in Berlin-Stegliz Zuflucht gesucht. Denn auch wenn die Türen der Kirche offenstehen, wie der Spiegel berichtet, treten keine Polizeibeamte über ihre Schwelle, um die Männer abzuführen. Denn im Gegensatz zu der Stadt Hamburg wird in Berlin das Kirchenasyl geachtet

Die Stadt Berlin weigert sich, die Männer aus der Kirche zu holen, um sie nach Rostock zu einer Fähre zu begleiten, die sie zurück nach Schweden bringen soll. Und dies, obgleich die Hamburger Behörden sie dazu aufgefordert haben. Was wiederum einen Streit zwischen Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Kai Wegner (CDU) in Berlin entfacht hat.

Zwar soll das Hamburger Amt für Migration im Besitz eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Tiergarten verfügen und einen Einsatz in der Berliner Freikirche schon geplant haben. Am Ende verzichtete das Hamburger Innenressorts doch darauf. Das bestätigte Wegner und Innensenatorin Iris Spranger (SPD). 

Tschentscher spricht von Missbrauch des Kirchenasyls in Berlin

Tschentscher erhebt schwere Vorwürfe gegen das Berliner Vorgehen und spricht von einem systematischen Missbrauch des Kirchenasyls, berichtet die „Welt“. In seinem Schreiben, dass der "Berliner Zeitung" vorliegt, heißt es: Es sei nicht hinnehmbar, dass „die Überstellung nach der Dublin-III-Verordnung von einer Berliner Kirchengemeinde vereitelt“ werde. 

Pastor Gottfried Martens nahm die vier Afghanen in seiner Evangelisch-Lutherischen Dreieinigkeitsgemeinde auf. Er sei sich sicher, dass Schweden ein sicheres Land gewesen wäre, sagt er gegenüber der „taz". Würden sie jedoch nach Afghanistan abgeschoben, wäre das für sie lebensgefährlich. 

„Die Afghanen sind konvertierte Christen, unter den Taliban sind sie wegen ihres Glaubens an Leib und Leben bedroht“, sagt Martens der „taz". Er sei von seinem Handeln überzeugt und erklärte gegenüber „Welt TV“: „Letztlich will also Herr Tschentscher, dass Christen in Afghanistan ermordet werden“. 

„Wo sollte ich sicherer sein als im Hause des Herren?“

Angst davor, in der Berliner Kirche festgenommen zu werden, würden die Afghanen aus Schweden nicht haben. Einer der Geflüchteten, Amir S., antwortet auf die Frage des Spiegel-Reporters mit einer Gegenfrage: „Wo sollte ich sicherer sein als im Hause des Herren?“ 

Pastor Martens soll am vergangenen Sonntag in der Kirche gepredigt haben: „Ihr seid wertvoll. Eure Würde kann euch auch kein Hamburger Bürgermeister nehmen.“ Seit 2013 würde er ehemalige Muslime aus Afghanistan und dem Iran missionieren. Von 1.700 Mitgliedern seiner Gemeinde seien 1.000 Iraner und 400 Afghanen.  

CDU-Mann zu Kirchenasyl: Gotteshäuser sollen sich selbst um Flüchtlinge kümmern

Im Jahr 2024 suchten nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge 2.386 Betroffene Kirchenasyl. Ein Jahr zuvor waren es lediglich 2.065 Fälle. Einen Hinweis, warum die Zahlen gestiegen sein könnten, lieferte Pfarrerin Josephine Furian in einem Gespräch mit dpa. Furian sagte, dass „etliche Flüchtlinge aus dem 'Dublin-Zentrum' in Eisenhüttenstadt aus Angst vor Abschiebung mittlerweile im Kirchenasyl“ sind. 

Inzwischen hätten mehrere Geflüchtete einen offenen Brief geschrieben, in dem sie die Zustände des „Dublin-Zentrums“ kritisieren. Dort werden Asylsuchende für die Zeit der Klärung untergebracht, ob möglicherweise ein anderer EU-Staat für ihr Asylbegehren zuständig ist. Nach den "Dublin-Regeln" ist dies der Staat in der EU, den die Asylsuchenden zuerst betreten haben. Ein weiteres „Dublin-Zentrum“ wurde auch in Hamburg aufgebaut. „Viele suchen Kirchenasyl, weil das im Moment der sicherste Ort ist“, zitiert die evangelische Seelsorgerin Furian eine Asylsuchende aus Eisenhüttenstadt.

Der Unionsfraktions-Vize Günter Krings fordert nun von den Kirchen, die Kirchenasyl gewähren, sich selbst um die Hilfe der Flüchtlinge zu kümmern. „Wenn Kirchen in Dublin-Fällen Asyl gewähren, wäre dies glaubhafter, wenn sie auch insgesamt Verantwortung für die Schutzsuchenden übernehmen. Wenn durch das Kirchenasyl eine Rückführung nicht mehr erfolgen kann, sollte sie konsequenterweise auch dauerhaft die Betroffenen beherbergen und betreuen“, so Krings gegenüber der "Welt". 

mit Agenturmaterial