Ratten fallen über Schützengräben im Ukraine-Krieg her – Erinnerungen an Ersten Weltkrieg werden wach
Mäuse und Ratten werden zunehmend zum Problem an der Front im Ukraine-Krieg. Besonders „Mäusefieber“ kann zur großen Gefahr für die Soldaten werden.
Charkiw – Das Szenario an der Front im Ukraine-Krieg erinnert an den Ersten Weltkrieg: Ratten und Mäuse befallen die Schutzbunker, beschädigen wichtige militärische und elektrische Geräte und verbreiten Krankheiten. Besonders gefährlich für die Soldaten und Soldatinnen ist das sogenannte Hantavirus, auch bekannt als „Mäusefieber“. Eine Notlage, die auch durch die mangelnde medizinische Versorgung im Kriegsgebiet verstärkt wird.
„Stellen Sie sich vor, Sie gehen zu Bett und die Nacht beginnt damit, dass eine Maus in Ihre Hose oder Ihren Pullover kriecht, Ihre Fingerspitzen kaut oder in Ihre Hand beißt“, berichtet eine ukrainische Soldatin, die das Rufzeichen „Kira“ trägt, gegenüber dem US-amerikanischen Fernsehsender CNN. Sie hauste mit drei weiteren Soldaten in einem Bunker, mit ihnen schätzungsweise knapp 1000 Mäuse: „Es waren nicht die Mäuse, die uns besuchten; wir waren ihre Gäste.“ Eine Situation, die an der Front auf russischer und ukrainischer Seite keine Seltenheit ist.
Rattenausbruch im Ukraine-Krieg: Jahreszeit und Paarungszyklus der Tiere ausschlaggebend
An der etwa 1000 Kilometer langen Front suchen die Nagetiere im strengen Winter nach Nahrung und Wärme. Dabei können sie zur Gefahr für die Soldaten und Soldatinnen werden. Kira berichtet davon, dass sie nahezu alles versucht haben, ihre Bunker frei von Mäusen und Ratten zu bekommen. Nichts habe geholfen, kein Gift, kein Ammoniak und sogar eine Katze konnte auf Dauer nichts ausrichten. „Wir hatten eine Katze namens Busia, die zunächst auch mithalf und Mäuse fraß. Doch später waren es so viele, dass sie sich weigerte. Eine Katze kann ein oder zwei Mäuse fangen, aber wenn es 70 sind, ist das unrealistisch.“
Die Tiere huschen unter Betten, in Rucksäcken, Manteltaschen und Kissenbezügen herum. Das zeigen Videos in den sozialen Netzwerken, die von russischen und ukrainischen Einsatzkräften geteilt werden und macht das Ausmaß des Befalls an der Front nochmals deutlich.
Fieber, Hautausschlag und Erbrechen: „Mäusefieber“ macht Soldaten im Ukraine-Krieges zu schaffen
Bereits im Dezember meldete der ukrainische Geheimdienst einen Ausbruch des „Mäusefiebers“ in einigen russischen Einheiten rund um Kupjansk in der Region Charkiw. Die Krankheit wird beispielsweise durch Aerosole übertragen. In dem Bericht des Geheimdienstes heißt es laut CNN, dass das Hantavirus „durch das Einatmen von Mäusekotstaub oder durch die Aufnahme von Mäusekot in der Nahrung“ auf den Menschen übertragen werden kann.
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Fieber, Hautausschläge, Erbrechen, niedriger Blutdruck, Rückenschmerzen, Probleme beim Wasserlassen und Blutungen in den Augen – das alles sind Symptome des „Mäusefiebers“. Soldaten können durch diesen Grippe-ähnlichen Infekt außer Gefecht gesetzt werden. Auch die winterlichen Temperaturen spielen da mit ein. Der Verteidigungsgeheimdienst der Ukraine geht davon aus, dass sich die Kampffähigkeit der Russen durch die Ausbreitung der Krankheit „verringert“ hat. Ob ukrainische Truppen in ähnlicher Weise betroffen sind, ist bislang nicht bekannt.
Parallelen zum Ersten Weltkrieg – auch schon damals gab es eine Rattenplage
Im Ersten Weltkrieg verursachten faulige Ansammlungen von Abfällen und Leichen für eine rasante Vermehrung der Nagetiere. In seinen Memoiren schreibt Robert Graves, ein englischer Dichter, der in Schützengraben kämpfte, von der Rattenplage. Er berichtete davon, wie die Tiere „aus dem Kanal heraufkamen, sich von den zahlreichen Leichen ernährten und sich außerordentlich vermehrten.“
Nicht nur der kalte Winter kann für den Rattenzuwachs im Ukraine-Krieg verantwortlich sein, auch die Stagnation des Konflikts kann Auswirkungen haben. So war es jedenfalls im Ersten Weltkrieg, denn die Plage der Nagetiere wuchs, als die Auseinandersetzung zu einem Stillstand kam. Walerij Saluschnyj, Chef der ukrainischen Streitkräfte, sagte Ende vergangenen Jahres: „Genau wie im Ersten Weltkrieg haben wir den Stand erreicht, der uns in eine Pattsituation bringt.“
Nagetiere knabbern an Drähten und Kabel: Kommunikationsprobleme im Ukraine-Krieg
Doch die Tiere verbreiten nicht nur Krankheiten, sondern beschädigen auch Geräte. Kira erzählte CNN, dass es den Mäusen „gelang, in Metallkästen zu klettern und Drähte durchzunagen.“ Ein großes Problem, denn kaputte Kabel und Drähte können die Kommunikation stören. „Die Mäuse haben alles gekaut: Radios, Repeater, Kabel. Sie stiegen in Autos und kauten an den elektrischen Leitungen“, sagte Kira.
Die tiefen Temperaturen im Winter an der Front werden weiter zunehmen, damit wird sich das Problem der Ratten und Mäuse wahrscheinlich verschlimmern, da die Tiere immer weiter in die Schützengräben vordringen werden, um Wärme und Nahrung zu suchen. „Der Kampf gegen sie sollte organisiert werden und nicht auf Soldaten und Freiwillige angewiesen sein. Schließlich geht es hier um die Kampffähigkeit der Armee. Wir müssen uns um unsere Soldaten kümmern“, sagte Ihor Zahorodniuk, ein Forscher am Nationalmuseum für Nationalgeschichte der Ukraine. (Denise Dörries)