Mutter tot: Rettung für seltene Jungkäuze
Viele Eulen haben heuer volle Nester zu bebrüten. Es gibt reichlich Mäuse, das Nahrungsangebot ist gut – und das schlägt auf die Zahl der Nachkommen durch. Immer wieder stürzen aber kleine Nestlinge ab. In der Greifvogel-Auffangstation Otterfing werden derzeit neun Eulen-Babys betreut – darunter fünf winzige Sperlingskäuze.
Otterfing – Sie sind die Winzlinge unter den Eulen Europas: Sperlingskäuze erreichen nur eine Körpergröße von knapp 20 Zentimetern. „Nicht größer als eine Zigarettenschachtel“, sagt Alfred Aigner, Leiter der Greifvogel-Auffangstation in Otterfing-Bergham. Gleich fünf junge Sperlingskäuze pflegt er derzeit in der Station. Es sind seltene Patienten und sie brachten eine dramatische Geschichte mit – ebenso wie vier kleine Waldohreulen, die fast zeitgleich eingeliefert worden waren.
Wie Aigner berichtet, fanden zwei Eulenforscher Ende Mai im Höhenkirchener Forst ein totes, angefressenes Sperlingskauz-Weibchen unter einer Bruthöhle. „Der Muttervogel fiel wohl einem Marder zum Opfer“, vermutet Aigner. Ein Männchen zeigte sich nicht mehr, die Bettelrufe der jungen Käuze wurden seltener. Ihnen drohte der Hungertod.
Die beiden Hobbyforscher wandten sich an Aigner. Das Problem: Das Einflugloch lag zwar nur zwei Meter hoch, war aber zu klein, um hineingreifen zu können. Aigner gab ihnen seine Akku-Kettensäge mit und riet, die Höhlenöffnung aufzusägen. Die Aktion gelang: Fünf Käuzchen, acht bis vierzehn Tage alt, wurden in die Greifvogel-Station gebracht. „Eulen beginnen gleich mit den ersten Eiern zu brüten, die Jungen schlüpfen zeitversetzt – deswegen der Altersunterschied“, erklärt der Experte.
Es war nicht klar, ob die unterkühlten, ausgehungerten und dehydrierten Baby-Käuze überleben. „Ihr Zustand war kritisch“, sagt Aigner. Er setzte sie unter eine Wärmelampe und flößte ihnen ein Serum auf Blutbasis ein. Und tatsächlich: Mittlerweile sind die Geschwister überm Berg. In ein paar Monaten werden die Fünf in ihrem heimatlichen Wald wieder ausgewildert. Auch wenn Sperlingskäuze kaum größer werden als ein Star, gelten sie als furchtlose Dämmerungsjäger, die Mäuse erlegen oder Kleinvögel – und sogar Drosseln, die größer sind als sie selbst. „Trotzdem war hier wichtig, dass der Mensch eingegriffen hat“, sagt Aigner, der darauf hinweist, dass in Deutschland der Bestand kleiner Kauzarten jedes Jahr um ein Prozent zurückgeht.
Deutlich größer und häufiger anzutreffen in heimischen Wäldern ist die Waldohreule mit ihren markanten Federohren. Vier Jungtiere päppelt Aigner derzeit auf, untergebracht gleich neben den fünf Sperlingskauz-Verwandten. Auch bei den kleinen Waldohreulen handelt es sich um Waisenkinder, die nur dank menschlicher Hilfe überlebten.
Waldohreulen brüten gern am Waldrand in Krähennestern. Immer wieder greifen Rabenvögel die Kinderstuben der Eulen an. „Sie wollen die Eier oder frisch geschlüpfte Küken an ihre eigene Brut verfüttern“, weiß Aigner. Krähen attackieren aber Eulenvögel auch, um sie aus den Revieren zu vertreiben. „Und wenn die schwarzen Hitchcock-Vögel anfliegen, springen viele Eulennestlinge in Todesangst aus dem Nest.“
So geschehen jüngst im Landkreis Rosenheim, wo eine Frau unter einem Horstbaum vier junge Waldohreulen fand. Drei waren tot, nur ein Jungvogel hatte den Sprung in die Tiefe überlebt. Das drei Wochen alte Tier brachte sie sofort in die Auffang- und Pflegestation. Am Abend fand die Vogelschützerin an gleicher Stelle drei ganz kleine Eulen – zwei unverletzt, eine Dritte hatte sich den Flügel gebrochen. Alle Jungeulen werden jetzt in Otterfing artgerecht aufgezogen und im Spätsommer ausgewildert. „Auch diese Rettung war sinnvoll, weil der Bestand der Waldohreulen vielerorts rückläufig ist“, stellt Aigner fest.
Derartig viele Jungvögel in den Eulennestern – das scheint ungewöhnlich, hat aber eine einfache Erklärung. „Es gibt heuer viele Mäuse“, stellt Aigner fest, „da ist es nur folgerichtig, dass auch die Eulen viel Nachwuchs bekommen.“
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