Kein Personal: Buslinien in den Kreisen Ebersberg und Erding Notfahrplan
Indien, Malta, Rumänien: Busunternehmer aus dem Landkreis Ebersberg grasen global die Arbeitsmärkte ab – Doch es reicht nicht, um den Linienbetrieb aufrecht zu erhalten.
Markt Schwaben/Glonn – Vor gut 14 Tagen setzte das Landratsamt Erding über Facebook eine Notiz ab: Wegen Personalmangels beim Markt Schwabener Busunternehmen Larcher gilt demnach ab sofort ein Ersatzfahrplan auf den Linien 505 (Markt Schwaben–Isen), 515 (Erding–Hallbergmoos) und 568 (Markt Schwaben–Erding) mit einem reduzierten Fahrtenangebot, und zwar bis auf weiteres. Mit den Linien 442 (Ebersberg–Grafing–Kirchseeon) und 459 (Hohenlinden–Messestadt Ost) sind auch im Landkreis Ebersberg zwei Linien vorhanden, für die derzeit ein solcher Ersatzfahrplan gilt.
Rentner fahren, weil sich kein Fahrernachwuchs findet
Anlass dafür ist der akute Arbeits- und Fachkräftemangel in der Busbranche, den Larcher-Kollege Josef Ettenhuber aus Glonn beispielsweise als derzeit „dramatisch“ beschreibt. Mit seinen 250 Mitarbeitern braucht Ettenhuber glücklicherweise noch keinen Notfahrplan. Doch brauche er gerade bis zu 60 Leute mehr. „Wir haben sogar noch Rentner, die fahren“, erzählt er.
Wenngleich die Zahlen bei Larcher Touristik nicht ganz so dramatisch klingen wie die seines Kollegen im Landkreissüden, hat das Schwabener Traditionsunternehmen die gleichen Probleme. Würde man, so Mit-Geschäftsführer Thomas Harant (33), alles bedienen wollen, was bedient werden sollte, müsste er auf einen Schlag elf bis zwölf neue Fahrer einstellen. Das gibt der Arbeitsmarkt aber ganz und gar nicht her.
Busunternehmen international auf Personalsuche
Ettenhuber grast mit Headhuntern den Markt in Indien, Kroatien, Serbien, Malta, Rumänien und in afrikanischen Ländern ab, Larcher hat sich auf Rumänien konzentriert. Beide nicht ganz ohne Erfolg, aber es reicht nicht. Laut Ettenhuber stünden gerade Kopfprämien pro Fahrer von 8000 Euro im Raum. Man hält Wohnungen vor und beschäftigt sogar Mitarbeiter, die neu angeworbenen Kräfte bei der Integration sozial und sprachlich unterstützen.
Doch der Weg nach Deutschland ist steinig. Larcher erwähnt komplizierte Visabestimmungen. Fahrer ab einem gewissen Alter müssen mit einem Mindestgehalt entlohnt werden, das man nicht zahlen könne. Dabei liegt Bayern im Ranking der Bezahlung von gewerblichen Busfahrern bundesweit auf den hinteren Plätzen. Noch aus Coronazeiten, so Larcher, stamme eine Tarifvereinbarung, nach der bis September vergangenen Jahres 14,90 Euro Stundenlohn gezahlt worden seien. Zu der Zeit habe man in Baden Württemberg schon 16,50 und im Hessen 17 Euro verdienen können. Das habe viele in andere Bundesländer gezogen. Inzwischen zahlt man im Freistaat laut Larcher 16,50 Euro und ab Mai 2024 auch 17,40 Euro.
Teure Schulbusse sorgen für Misstöne in Gemeinderäten
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Solche Lohnsteigerungen sind nur ein Grund von mehreren, warum die Kosten etwa für Linien- und Schulbusverkehr zuletzt stark gestiegen sind und für Misstöne in Gemeinderäten sorgten. Corona habe den Reisebusverkehr stark schrumpfen lassen, erklärt der 61-jährige Herbert Larcher die Gesamtsituation. Der Sprit ist teurer. Und, nicht unwesentlich: Konnte man früher Reiseverkehr und Schul- sowie Linienverkehr noch durchmischt kalkulieren, sei man inzwischen gezwungen, dass sich die Schülerbeförderung selbst trage.
Mit spürbaren Folgen für die Kommunen: Die Schülerbeförderung an der Grundschule Forstern im Kreis Erding, um ein Beispiel zu nennen, kostet daher statt bislang 220 inzwischen 480 Euro pro Tag. Dazu komme, so die Schwabener Firmenleitung, dass Lohnsteigerungen aufgrund der bestehenden Verträge im MVV nicht unmittelbar umlegbar seien. Herbert Larcher: „Es gibt Betriebe, die bald in Existenznot geraten können.“
Ersatzfahrpläne statt Vertragsstrafen
Ausdrücklich lobt er die im MVV angeschlossenen Landkreise, die sich zuletzt kulant gezeigt hätten, als es etwa darum ging, Vertragsstrafen auszusprechen. Das können 250 Euro pro nicht bedienter Route sein.
Die Ersatzfahrpläne hätten sich als probates Mittel in der Not erwiesen, so Herbert Larcher: „Wenn man reduzierte Fahrten frühzeitig und klar kommuniziert, ist das Verständnis bei den Fahrgästen in der Regel vorhanden,“ sagt Harant. Ärger gebe es aber, wenn der Fahrgast an der Haltestelle auf einen Bus warte, der nicht komme.
Larcher-Geschäftsführer Harant hofft, dass die Problematik endlich ein paar Hebel in Bewegung setzt: Für mehr Beweglichkeit bei der Anerkennung ausländischer Führerscheine, bei der Visums-Thematik, beim Lohnniveau. Bürokratische Stellschrauben nennt er das: Gefragt sei auch die Politik. Er sagt: „Wenn sich um uns herum nichts ändert, sehen wir die Zukunft eher pessimistisch“.
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