Die EU hat bereits 19 Sanktionspakete gegen Russland verhängt, auch die USA und Großbritannien haben immer wieder die Daumenschrauben angezogen. Russlands Wirtschaft leidet zwar darunter, doch die Sanktionen konnten sie bislang nicht so sehr in die Knie zwingen, dass es sich auf den Krieg gegen die Ukraine auswirkt.
Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation "Dekleptocracy" hat nun analysiert, welche Sanktionen Russland und Präsident Wladimir Putins Kriegswirtschaft wirklich treffen würden. Wie der "Guardian" berichtet, bräuchte es dazu nicht viel – lediglich kleine, aber zielgerichtete Strafen.
"Unscheinbare" Chemikalien-Sanktionen würden Russland treffen
"Dekleptocracy" hat nämlich eine Schwachstelle ausgemacht: bei Chemikalien, die zur Herstellung von mechanischen Schmiermitteln und Reifen in Militärqualität verwendet werden. Sanktionen in diesem Bereich seien zwar "unscheinbar" im Vergleich zu den bislang verhängten gegen Ölfirmen, Banken und Energieunternehmen, aber schwer zu umgehen, so Kristofer Harrison, Vorsitzender der NGO.
"Ein Mangel an Schmierstoffen würde die russische Kriegsmaschinerie ernsthaft beschädigen", zitiert der "Guardian" aus dem Bericht. Der Grund ist, dass es weltweit nur eine Handvoll Unternehmen gibt, die diese chemischen Zusätze für Schmiermittel herstellen. Fast alle von ihnen haben den Verkauf nach Russland eingestellt – bis auf ein chinesisches, wie "Dekleptocracy" herausgefunden hat.
Russland ist seine Schwachstelle in der Wirtschaft bewusst
Xinxiang Richful deckt laut Bericht den Großteil des russischen Bedarfs an den speziellen Chemikalien. Die USA könnten das unterbinden, indem sie zum Beispiel ein kürzlich in Virginia eröffnetes Büro des Unternehmens sowie Zulieferer sanktionieren würden.
"Dekleptocracy" weist darauf hin, dass Russland die Schwachstelle durchaus bewusst ist. Die Regierung habe deshalb Anfang des Jahres eine Initiative gestartet, um Hunderte von Chemikalien im eigenen Land produzieren zu lassen. Bis das ausreicht, um mögliche Sanktionen verkraften zu können, würde aber wahrscheinlich noch viel Zeit vergehen.
Kreml gibt sich bei Sanktionen demonstrativ gelassen
Mit ihrer Analyse könnte die NGO der US-Regierung neue Möglichkeiten eröffnen. Außenminister Marco Rubio hatte in der vergangenen Woche gesagt, die meisten wichtigen Sanktionsmöglichkeiten seien bereits umgesetzt worden. Mit den US-Strafen gegen Ölfirmen habe man umgesetzt, "was alle gefordert haben".
Angesichts der "unscheinbaren", aber zielgerichteten Sanktionen könnte die Nervosität in Russland steigen. Bislang hat sich der Kreml demonstrativ gelassen gegeben. Sprecher Dmitri Peskow erklärte im Juli: "Wir haben bereits eine gewisse Immunität gegenüber Sanktionen entwickelt, uns an das Leben unter den Bedingungen der Sanktionen angepasst." Putin selbst hatte 2021 behauptet, die russische Wirtschaft habe sich dem Sanktionsdruck nicht nur angepasst, sondern profitiere mitunter sogar davon.
Wirksamkeit von Sanktionen gegen Russland ist umstritten
Die Wirksamkeit der bisherigen Sanktionen ist umstritten. Vasily Astrov, Russland-Experte des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche, sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass die Zahl der Firmen, die Russland wegen des Kriegs und der Sanktionen verlassen hätten, meist überschätzt werde.
Nur zwölf Prozent der vor dem Ukraine-Krieg in Russland tätigen ausländischen Firmen hätten das Land komplett verlassen. Das gelte vor allem für manche große Konzerne. "Die mittelständischen Unternehmen sind eher geblieben, machen davon aber wenig Aufheben", so Astrov.