"Russland ist Tankstelle, die Panzer produziert" – Ökonomin über Putins Wirtschaft

Die EU arbeitet an einem Sanktionspaket gegen Russland – wieder einmal. Sollte es im September verabschiedet werden, wäre es das 19. seit Beginn des Ukraine-Kriegs. Trotz zahlreicher finanzieller Sanktionen, Exportkontrollen, Importverboten und Transportbeschränkungen führt Russland seine Angriffe fort – ohne dass das Land wirtschaftlich zusammengebrochen wäre.

Woran das liegt, erklärt Elina Ribakova in einem Podcast der "Financial Times". Die Wirtschaftswissenschaftlerin ist Vizepräsidentin für Außenpolitik der Kyiv School of Economics und arbeitet zudem für renommierte Thinktanks. Sie weist auf einen einfachen Grundsatz hin: "Wenn wir Sanktionen verhängen wollen, versuchen wir solche zu finden, die für unsere Wirtschaft nicht zu kostspielig sind, aber für die andere Seite unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen."

Russland profitiert vom Energiemarkt und investiert in Kriegswirtschaft

Besonders hart würden Russland Sanktionen gegen die Öl- und Gasindustrie treffen. Doch das Land dominiert laut Ribakova den internationalen Energiemarkt. Für viele Länder bestand vor allem zu Beginn des Krieges 2022 eine hohe Abhängigkeit. Der Westen sei daher "bei der Verhängung der Sanktionen etwas zu zaghaft vorgegangen".

"Das führte dazu, dass Russland unverhältnismäßig stark von den hohen Rohstoffpreisen profitierte und weiterhin viel Geld mit dem Export von Öl und Gas verdiente", erklärt Ribakova in dem "Financial Times"-Podcast. "Dieses Geld wurde dann in die heimische Wirtschaft investiert, insbesondere in die Kriegswirtschaft". Die Expertin bringt die Veränderung auf eine einfache Formel: "Russland ist jetzt eine Tankstelle, die Panzer produziert."

Ribakova rechnet in dem Podcast vor, dass Russland alleine 2022 eine positive Handelsbilanz von mehr als 230 Milliarden Dollar hatte – was die Verluste durch Vermögenswerte, die durch Sanktionen eingefroren wurden, ausgeglichen hat.

Verschärfung der EU- und US-Sanktionen wäre möglich

Damit Russland noch stärker getroffen wird, diskutieren Experten eine Reihe von Optionen: Zunächst wäre es hilfreich, wenn die Energieimporte aus Russland in die EU völlig gestoppt würden. Zum Beispiel plant Österreich ein Ende erst 2027. Dann wäre ein Druckmittel gegen Russland, wenn die russischen Vermögen in Europa nicht nur eingefroren bleiben, sondern beschlagnahmt und an die Ukraine ausgezahlt würden.

Schließlich würden sogenannte Sekundärsanktionen das Land von Präsident Wladimir Putin besonders hart treffen. Dann würde nämlich nicht nur Russland sanktioniert werden, sondern auch die Staaten, die mit Russland Öl und Gas handeln – wie zum Beispiel China. US-Präsident Donald Trump hat das zeitweise erwogen, den Sekundärsanktionen nach dem Alaska-Gipfel am vergangenen Freitag aber eine Absage erteilt.

Widerstandsfähigkeit der russischen Wirtschaft lässt nach

Besonders zum jetzigen Zeitpunkt wären diese Maßnahmen für Russland schmerzhaft. Ribakova weist im Podcast der "Financial Times" darauf hin, dass die Widerstandsfähigkeit der russischen Wirtschaft nachlasse. Zahlreiche wichtige Wirtschaftskennzahlen deuten derzeit in eine negative Richtung.

Zum Risiko einer längerfristigen Rezession sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin: "Das Problem Russlands ist, dass die Wirtschaft mit angebotsseitigen Beschränkungen zu kämpfen hat. Man kann nur eine bestimmte Anzahl von Panzern produzieren. Aber irgendwann ist die Produktionskapazität erschöpft, es gibt nicht genug Arbeitskräfte, nicht genug Investitionen oder Kapital." Die Tankstelle kann also nicht endlos ihr Geschäft fortsetzen.

Genau das sei seit dem vergangenen Jahr zu beobachten. Das äußere sich unter anderem in einem starken Anstieg der Inflation. Ribakova warnt davor, vermeintliche Erfolgsmeldungen überzubewerten. Zum Beispiel sei die Arbeitslosigkeit nach offiziellen Angaben auf zwei Prozent gesunken. "Für ein Schwellenland von der Größe Russlands mit strukturellen Problemen ist das einfach eine völlig unrealistische Zahl."