Bauern sind empört: Bund und Bevölkerung sei Bedeutung der Landwirtschaft nicht bewusst
Ein Diskussionsabend in Grafing soll der Bevölkerung die prekäre Lage der Landwirte verdeutlichen. Doch die Bauern bleiben unter sich - und machen ihrem Ärger Luft.
Grafing – Knapp 40 Besucher, in erster Linie Männer, sitzen an diesem Abend im Saal der Grafinger Gaststätte. Sie sind der Einladung der Bayernpartei zum „Dialog mit unseren Bauern“ gefolgt. Ein Informationsabend für die Bevölkerung ist angekündigt. Vieles von dem, was den Bauern gegenwärtig aufstößt und sie zu Protesten bewegt, kommt zur Sprache.
Tropfen auf heißem Stein: einst geplante Einführung von Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Maschinen
Doch der Dialog mit der Bevölkerung, den Verbrauchern, bleibt aus, denn im Auditorium sitzen in erster Linie Landwirte. Ausnahmen sind neben Walter Schmidtke (Bayernpartei), der die Veranstaltung moderiert, und die beiden Stadträte Christian Einhellig und Josef Klinger (beide Freie Wähler).
Als Gäste sind Georg Weigl vom Bayerischen Bauernverband und Franz-Xaver Hundseder von „Land schafft Verbindung“ geladen. Eines wird deutlich: Die von der Bundesregierung einst geplante Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel und die Einführung einer Kfz-Steuer für land- und forstwirtschaftliche Maschinen waren nur der Tropfen auf den heißen Stein.

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Bauern sind sauer: Investitionskosten steigen – Milchpreis bleibt gleich
Den Bauern stinkt schon lange so einiges: Gesetze, Verordnungen, die in den vergangenen Jahrzehnten geschaffen wurden und ihnen die Arbeit schwer machen. Der Milchpreis etwa habe sich nicht adäquat mit den gestiegenen Investitionskosten entwickelt. „Anfang der 1990er Jahr musste ich 4000 Euro für Melktechnik pro Kuh ausgeben, heute sind es 25 000 Euro“, empört sich ein Bauer. Überhaupt, die Landwirtschaft sei komplex, doch ein „jeder weiß, was der Bauer zu tun hat, nur der Bauer selbst weiß es nicht.“
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Die Städter würden die Landwirtschaft ohnehin nicht verstehen. „Für den urbanen Menschen, wie er auch im Landkreis immer öfter anzutreffen ist, bewegt sich die Landwirtschaft bestenfalls am Rande der Wahrnehmung“, sagt Bayernpartei-Sprecher Günter Baumgartner. Vom „dienenden Land und der herrschenden Stadt“ ist die Rede. Einig sind sich offenbar alle: Die Entwicklungen könnten so nicht weitergehen.
947 landwirtschaftliche Betriebe im Landkreis
Im Landkreis, das weiß der Vertreter des Bauernverbandes, gibt es derzeit 947 landwirtschaftliche Betriebe mit einer durchschnittlichen Flächenbewirtschaftung von 29 Hektar. Man regt sich auf über Gesetze zur Flächenstilllegung, zur Anbindehaltung und viele andere. „Nicht nur die Bauern, die Allgemeinheit muss auf die Straße“, fordert einer und erhält prompt kopfnickende Zustimmung.
Ein anderer vermisst Härte beim Bauernverband. Der nämlich müsse aus seiner Sicht auch hinter unangemeldeten Demonstrationen stehen. Ein dritter Landwirt legt seinen Kollegen ans Herz, in die Politik zu gehen. „Unser Problem ist, dass hier jeder sagt, dass er in keiner Partei ist. Wir müssen mitmachen, uns einbringen, ganz gleich in welcher Partei.“ Der Bauer, so entgegnet ein anderer, habe dafür gar keine Zeit, denn Freizeit existiere für ihn nicht. Kritisiert werden auch die Medien, die viel zu oft nicht das schreiben würden, was man sich erhoffe. Viele Belange werden angesprochen und diskutiert.
Empörung ist groß: Bauern wollen mehr Planungssicherheit und Druck auf Regierung ausüben
Die Empörung der anwesenden Bauern und vereinzelten Bäuerinnen ist nicht zu übersehen. Der Druck müsse – auch wenn jetzt die Feldarbeit beginne – aufrecht erhalten bleiben und ausgeweitet werden. Wie sagt Weigl vom Bauernverband: „Ein Land lebt von den Frühaufstehern.“ Auch Unverständnis über manches wird offenbar: etwa über „Subventionen, die indische Bauern von uns bekommen.“
Dass man aufgrund ständig neuer Verordnungen keine Planungssicherheit habe, man die Investitionen über 20 Jahre abbezahle, in diesem Zeitraum aber wieder und wieder neue Gesetze kämen, die mitunter eben Errichtetes kurzerhand zunichte oder zumindest ergänzungsbedürftig machte, ist ebenso allgemeiner Tenor. Insgesamt sieht man großen Aufklärungsbedarf, der zumindest an diesem Abend die gewünschten Adressaten nicht wirklich erreicht. Denn der Dialog findet eben nicht mit, sondern lediglich unter den Bauern statt.
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