„Auf Reha kann man nicht bis Mitternacht Party machen“: Übergewichtige Kinder scheuen vor Behandlung zurück
Die hochkarätige Fachtagung „Gaißacher Tage“ beschäftigt sich mit chronischen Krankheiten bei Kindern. Zur Vorbeugung setzt der Chef der Gaißacher Fachklinik, Prof. Josef Rosenecker, auch auf Impfungen.
Gaißach – Es ist eine traditionsreiche und renommierte Veranstaltung, die von diesem Freitag bis Sonntag, 25. Februar, in der Fachklinik Gaißach stattfindet: die 33. „Gaißacher Tage“. Thematisch im Mittelpunkt der Fachtagung der Kinderheilkunde steht heuer die Betreuung des chronisch kranken Kindes. Die wissenschaftliche Leitung haben der ehemalige Klinikchef Prof. Carl Peter Bauer sowie – heuer erstmals – Prof. Josef Rosenecker, der im Januar die Stelle des Medizinischen Direktors übernahm. Im Interview gibt Rosenecker einen Ausblick auf seine Premiere bei den „Gaißacher Tagen“.
Herr Prof. Rosenecker, wie blicken Sie den ersten „Gaißacher Tagen“ unter Ihrer Leitung entgegen?
Glücklicherweise kann ich darauf zurückgreifen, dass es sich um eine bereits etablierte Fachtagung handelt. Es wird hochkarätig besetzte Vorträge geben, auf die ich mich freue. Wir haben zum Beispiel Prof. Julia Hauer zu Gast, die Chefärztin der Kinderklinik der TU München in Schwabing, den ehemaligen Chefarzt der Kinderklinik, Prof. Stefan Burdach, und den Direktor des Haunerschen Kinderspitals der LMU, Prof. Christoph Klein. Die Tagung wird sehr gut besucht sein, wir haben rund 300 Anmeldungen von Ärzten und Medizinischen Fachangestellten sowie Vertretern von 25 Unternehmen.
Fachtagung der Kindeheilkunde in Gaißach
Warum liegt der Themenschwerpunkt heuer auf chronischen Erkrankungen bei Kindern?
Dieses Thema liegt nahe, da wir als Fachklinik auf Rehabilitationsbehandlungen im Kindesalter spezialisiert sind und es hier mit vielen chronischen Erkrankungen zu tun haben. Dazu gehören zum Beispiel Diabetes, Asthma bronchiale, aber auch angeborene Stoffwechselerkrankungen.

Nehmen aus Ihrer Sicht chronische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zu?
Bei Adipositas im Kindesalter kann man das klar so sagen, das Phänomen ist im Alltag sichtbar. Das krankhafte Übergewicht führt dann auch zu weiteren chronischen Erkrankungen. Bei anderen Erkrankungen wäre ich vorsichtig mit einer Aussage. Es wird diskutiert, ob Allergien bei Kindern zunehmen. Aber es stellt sich die Frage, ob früher auch viele darunter gelitten haben, aber nicht damit zum Arzt gegangen sind und ob Asthma zu einer Art Modediagnose geworden ist. Zudem ist es in jüngerer Zeit auch gelungen, neue Krankheiten zu diagnostizieren, etwa bei unspezifischen Kreuz- und Leistenschmerzen und Gelenkbeschwerden bei Kindern, die man früher nicht recht fassen konnte.
Meine news
Prävention gegen chronische Krankheiten bei Kindern
Wie lässt sich chronischen Erkrankungen gegensteuern?
Wir legen großen Wert auf Prävention. Wir wollen verhindern, dass sich chronische Krankheiten bei Kindern erhöhen. Auch dazu wird es bei den „Gaißacher Tagen“ sehr interessante Vorträge geben. Es wird zum Beispiel um Impfungen gegen RSV (ein Erreger von Atemwegserkrankungen, Anm. d. Red.) oder Influenza gehen, aber es ist auch eine Prävention von kindlichen Krebserkrankungen möglich, nämlich durch die HPV-Impfung. Im Bereich der Allergien ist die Hyposensibilisierung ein Weg, um den sogenannten Etagenwechsel zu vermeiden, also die Entwicklung von Asthma. Und bei Diabetes ist die Versorgung der Betroffenen viel besser geworden, etwa durch die Entwicklung neuartiger Insulinpumpen.
Nach Ihren ersten Erfahrungen an der Gaißacher Fachklinik: Wie stark ist der Bedarf an Rehaaufenthalten für Kinder?
Im Vergleich zur Reha bei Erwachsenen ist die Reha bei Kindern ein kleiner Bereich. In Deutschland gibt es 50.000 Rehaleistungen bei Kindern pro Jahr. Im Vergleich zu den bestehenden chronischen Erkrankungen bei Kindern ist das eine geringe Zahl, da gäbe es noch viel Bedarf.
(Unser Bad-Tölz-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus Ihrer Region. Melden Sie sich hier an.)
Dann müsste die Fachklinik Gaißach sehr nachgefragt sein.
In einigen Bereich haben wir lange Wartezeiten. Besonders bei Sprachentwicklungsstörungen gibt es bundesweit großen Bedarf. Auf einen Platz müssen die Betroffenen zum Teil ein Jahr warten. Im Bereich Adipositas dagegen ist zu beobachten, dass bei vielen Kindern und Jugendlichen die Akzeptanz geringer wird, sich für vier Wochen in eine Klinik zu begeben.
Auf Reha kann man nicht bis Mitternacht Party machen
Warum?
Viele scheuen einen strukturierten Ablauf und die Einschränkungen. Während einer Reha kann man nicht bis Mitternacht Party feiern, Videospiele spielen oder etwas auf Instagram posten, da muss man Rücksicht nehmen. Und auch auf Seiten der Eltern sinkt die Bereitschaft, zum Beispiel einen Zwölfjährigen unbegleitet auf Reha zu schicken. Dabei ist so etwas ein wichtiger Schritt, um selbstständig zu werden. Auch das sehen wir als unseren Auftrag.
Mehr News finden Sie in unserer brandneuen Merkur.de-App, jetzt im verbesserten Design mit mehr Personalisierungs-Funktionen. Direkt zum Download, mehr Informationen gibt es hier. Sie nutzen begeistert WhatsApp? Auch dort hält Sie Merkur.de ab sofort über einen neuen Whatsapp-Kanal auf dem Laufenden. Hier geht‘s direkt zum Kanal.