Experte widerspricht CIA und Trump zu Zerstörung von Irans Atomanlagen - und warnt vor anderer Gefahr

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Sind die unterirdischen Atomanlagen im Iran zerstört - oder nicht? Und wie könnte es mit dem Atomprogramm in Nahost weitergehen?

Washington D.C./ Teheran - Das Weiße Haus wies am Mittwoch (Ortszeit) Spekulationen zurück, der Iran habe sein hoch angereichertes Uran vor den US-Angriffen verlagert. „Ich kann Ihnen sagen, dass die Vereinigten Staaten keinen Hinweis darauf hatten, dass angereichertes Uran vor den Angriffen verschoben wurde“, sagte Trump-Sprecherin Karoline Leavitt bei Fox News. Entsprechende Berichte seien „falsch“. Das Material sei „unter kilometerlangen Trümmermassen verschüttet, weil diese Angriffe am Samstagabend erfolgreich waren“, fügte sie hinzu. Aber: Haben die Angriffe aus den USA die iranischen Atomanlagen wirklich zerstört?

B-2-Kampfflugzeuge hatten am Wochenende zwei iranische Atomanlagen mit bunkerbrechenden GBU-57-Bomben angegriffen. Ein U-Boot griff eine dritte Anlage mit Tomahawk-Marschflugkörpern an. Trump nannte die Angriffe einen „spektakulären militärischen Erfolg“. US-Medien hatten dem später widersprochen, in Berufung auf einen Geheimdienstbericht. Diesen Bericht wiederum ordnet US-Sicherheitsexperte Jeffrey Lewis im Spiegel als „sehr glaubwürdig“ ein.

US-Experte Jeffrey Lewis über den Nahost-Konflikt: Irans unterirdische Atomanlagen sind nicht zerstört

US-Medien hatten am Dienstag unter Berufung auf einen vorläufigen US-Geheimdienstbericht berichtet, die Angriffe hätten das iranische Atomprogramm nur um einige Monate zurückgeworfen und die iranischen Zentrifugen sowie die Vorräte an angereichertem Uran seien nicht vollständig zerstört. Nur die Zugänge zu einigen Anlagen wurden demnach versperrt, ohne dass unterirdische Gebäude zerstört wurden. Der Bericht hatte den US-Präsidenten wüten lassen.

„Der Bericht erscheint mir sehr glaubwürdig. Zwar wurden die meisten öffentlich bekannten Anlagen – in Natans, Isfahan und Fordo – schwer beschädigt, aber eben nicht alle“, sagt der US-Forscher Jeffrey Lewis dazu. „Es gibt bei Natans und Isfahan mehrere bekannte unterirdische Anlagen, die nicht angegriffen wurden, weil sie wahrscheinlich zu tief liegen, um zerstört zu werden.“

Zur Person:

Jeffrey Lewis ist Professor für »Nonproliferation and Terrorism Studies« am Middlebury Institute of International Studies. Außerdem engagiert er sich als Wissenschaftler am »James Martin Center for Nonproliferation Studies«, einer Nichtregierungsorganisation, die gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen kämpft.

Friedensforscher Ulrich Kühn zu Irans Atomanlagen im Nahost-Krieg: Schaden in 100 Metern Tiefe unklar

„Wir haben vor dem Angriff sowohl in Isfahan als auch in Fordo auf Satellitenbildern Lastwagen gesehen. Viele dieser Transporter waren daran beteiligt, die Eingänge zuzuschütten, um sie zu schützen“, sagte Lewis. „Das zeigt, dass die Iraner Zeit hatten, sich vorzubereiten und auch um das Material wegzubringen, wenn sie das denn wollten.“

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt der Leiter des Forschungsbereichs Rüstungskontrolle und neue Technologien am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), Ulrich Kühn. Die Anlage in Isfahan sei schon durch israelische Angriffe von Außen zerstört worden, meint Kühn im Interview mit BR24.. Inwiefern das für die darunterliegenden Anlagen gelte, wisse man nicht. Und bei Fordo, der wichtigsten Anlage, wisse man noch weniger. „Wir sehen da einige Stellen, wo scheinbar in die Ventilationsschächte die entsprechenden Bomben der Amerikaner abgeworfen worden sind.“ Den Schaden in 100 Metern Tiefe könne man nicht abschätzen.

US-Sicherheitsexperte warnt: technische Frage sei für Irans Atomprogramm im Nahost-Konflikt „irrelevant“

Auch Lewis geht davon aus, dass der Iran rein technisch gesehen weiterhin nur wenige Monate vom Bau einer Atombombe entfernt sei. Das sei allerdings auch in den vergangenen 20 Jahren so gewesen. „Damit meine ich, dass die Hürde für den Aufbau eines nuklearen Arsenals nie technischer, sondern immer politischer Natur war. Unabhängig davon, wie lange Iran für den Durchbruch gebraucht hätte, war Tatsache, dass der Oberste Führer Ali Khamenei das Atomwaffenprogramm ausgesetzt hatte. Ich halte die technische Frage daher für irrelevant, da der politische Wille einfach nicht vorhanden war.“

Trumps Iran-Politik sollte laut seiner Sicht mit dem Angriff auf die Atomanlagen erfolgreich sein. Doch Experten zweifeln an seinen Aussagen. © Imago 2x / Collage Merkur.de

Das unter der Obama-Regierung ausgehandelte (und von Trump später aufgekündigte) Atomabkommen JCPOA habe den Bau einer Atombombe weitaus länger hinausgezögert als die Bombardements, meint Lewis. „Niemand glaubt, dass die Bombardierung über zwei bis drei Jahre hinaus Auswirkungen haben wird, und das sind noch die optimistischsten Schätzungen der Israelis. Bestenfalls folgt jetzt nach dem Waffengang ein neues Abkommen wie das JCPOA.“

Nahost-Krieg vorbei? US-Atomexperte Jeffrey Lewis warnt vor neuer Strategie Irans zu Atomprogramm

Lewis zieht einen Vergleich mit Nordkorea und warnt vor einer möglichen neuen Strategie Irans: „Als unter der Bush-Regierung das Atomabkommen mit Nordkorea scheiterte, testete Nordkorea drei Jahre später eine Atomwaffe. Trump hat sich 2018 aus dem Atomabkommen mit Iran zurückgezogen, und jetzt, sieben Jahre später, hat sich Iran immer noch nicht für den Bau einer Atomwaffe entschieden.“ Er könne sich vorstellen, dass die Bombenkampagne die Haltung innerhalb der iranischen Regierung in Richtung Atomwaffenbau verschieben werde. „Wenn Iran sein Atomwaffenprogramm wieder aufnimmt, wird Heimlichkeit wichtiger sein als Geschwindigkeit.“ Dies würde wohl die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde unmöglich machen.

Trump und die Sprecher des Weißen Hauses sprechen weiter von vollständiger Zerstörung der Anlagen - und bekommen darin jetzt Unterstützung durch die CIA. CIA-Chef John Ratcliffe behauptet, der Wiederaufbau der iranischen Atomanlagen würde Jahre dauern. Ratcliffe steht Trump politisch nahe und wurde vom US-Präsidenten im Januar 2025 als CIA-Chef vereidigt. Woher die neuen Erkenntnisse der CIA kommen, wurde nicht offengelegt. (AFP/kat)

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