Neue Rüstungsdaten: „China baut sein Atomwaffenarsenal schneller aus als jedes andere Land“

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China besitzt zwar bislang vergleichsweise wenige Atomwaffen. Doch Peking drückt beim Aufbau einer nuklearen Abschreckung aufs Tempo.

China drängt zwar Russland dazu, im Ukraine-Krieg keine Atomwaffen zu verwenden. Präsident Xi Jinping äußerte sich mehrfach öffentlich gegen den Einsatz von Atomwaffen, unter anderem bei einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Doch das hält Peking nicht davon ab, selbst nuklear aufzurüsten. Auch in Peking setzt man auf die atomare Abschreckung, und zwar zunehmend. „China baut sein Atomwaffenarsenal schneller aus als jedes andere Land“, sagte Hans Kristensen, Associate Senior Fellow des Programms für Massenvernichtungswaffen am Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri.

In seinem am Montag herausgegebenen Jahrbuch schätzt das Sipri die Zahl der chinesischen Atomsprengköpfe auf rund 500, mit Stand Januar 2024. Ein Jahr zuvor waren es 410 gewesen – das entspricht einem ziemlich gewaltigen Zuwachs von knapp 20 Prozent binnen eines Jahres.

China schließt zum Club mit „einsatzfähig“ gehaltenen Atomsprengköpfen auf

Zum ersten Mal habe China nun auch eine kleine Anzahl Raketen mit Atomsprengköpfen bestückt, vermutet das Sipri auf Basis seiner Recherchen. Diese gelten dann als „stationiert“ oder „einsatzfähig“. Zuvor hatten nur die traditionellen Atommächte USA, Russland, Großbritannien und Frankreich ihre Atomwaffen auf „einsatzfähig“ gestellt. China liegt mit potenziell zwei Dutzend stationierten Sprengköpfen weit hinter den anderen – doch es wäre ein symbolisch bedeutsamer Schritt.

Generell zeigt der Sipri-Bericht einen Anstieg einsatzbereiter Sprengköpfe, auch etwa in Russland. Dieser Trend werde sich „wahrscheinlich beschleunigen und ist äußerst besorgniserregend“, sagte Sipri-Direktor Dan Smith.

Einsatzfähige Atomwaffen nach Ländern:

Land Zahl der einsatzfähigen Atomwaffen
USA 1770
Russland 1710
Frankreich 280
Großbritannien 120
China 24

Quelle: Sipri Yearbook 2024

Atomsprengköpfe in Alarmbereitschaft

Die Sipri-Forscher zudem an, dass China unter diesen einsatzfähig gehaltenen Atomwaffen erstmals zudem einige Sprengköpfe in höchster Alarmbereitschaft gesetzt hat. Weltweit werden etwa 2100 der stationierten Sprengköpfe auf ballistischen Raketen in hoher Alarmbereitschaft gehalten, praktisch alle davon durch die USA und Russland.

„Je nachdem, wie es seine Streitkräfte strukturiert, könnte China bis zum Ende des Jahrzehnts über mindestens so viele ballistische Interkontinentalraketen (ICBMs) verfügen wie Russland oder die USA“, schreibt Sipri. Und das, obwohl sein Bestand an nuklearen Sprengköpfen immer noch viel kleiner sein dürfte als der dieser beiden Länder. China hatte nach Angaben des Strategischen Kommandos der US-Streitkräfte schon 2023 mehr landbasierte Träger für Interkontinentalraketen als die USA. Washington verfüge allerdings über größere Bestände an Raketen und Sprengköpfen als China. 

Peking führt bei einer Militärparade im Jahr 2019 seine Interkontinental-Rakten vor.
Peking führt bei einer Militärparade im Jahr 2019 seine Interkontinental-Raketen vor. Deren Zahl wächst schnell, ebenso wie die der Atomsprengköpfe. © AFP

USA, Russland und China: Keine Transparenz zum Atomarsenal

Der größte Teil dieser weltweiten Atomsprengköpfe wird gelagert, gesondert oder schlicht als Teil militärischer Bestände. Insgesamt gehen die Forschenden davon aus, dass es derzeit gut 12.000 solcher Sprengköpfe auf der Welt gibt. Hinzu kommen in den USA und Russland 1.200 ältere Modelle, die schrittweise ausgemustert und entsorgt werden.

Doch das ist beileibe keine Abrüstung, im Gegenteil. „In fast allen Atomwaffenstaaten gibt es entweder Pläne oder einen erheblichen Druck, die Nuklearstreitkräfte aufzustocken“, sagt Kristensen. In Zeiten geopolitischer Spannungen und Kriegen in der Ukraine und im Gazastreifen hat die Abrüstung kaum eine Chance. Die USA und Russland reden nicht mehr miteinander über den Abbau ihrer nuklearen Arsenale, frühere Abrüstungsverträge sind ausgelaufen. Zudem hat laut Sipri in beiden Staaten die ohnehin meist geringe Transparenz in Bezug auf die Atomstreitkräfte seit Beginn des Ukraine-Kriegs weiter abgenommen.

China: Korruption bei Raketenstreitkräften?

In China stehen die elitären chinesischen Raketenstreitkräfte – Hüter des Atomarsenals der Volksrepublik – zudem unter Korruptionsverdacht. Im Sommer 2023 verschwanden zwei Spitzen-Kommandeure der Raketentruppe von der Bildfläche, gegen weitere Führungskräfte laufen Ermittlungen. Der US-Geheimdienst beobachtete damals laut Bloomberg, dass die Tanks vieler Raketen mit Wasser statt mit Treibstoff befüllt gewesen seien. Riesige Felder von Raketensilos in Westchina seien mit Deckeln versehen, die nicht ordnungsgemäß öffnen – sodass die darin stehenden Raketen bei Bedarf nicht effektiv starten könnten. Das so eingesparte Geld dürfte in die Taschen gieriger Militärs geflossen sein.

Das Fazit der Sipri-Forscher lautet jedenfalls: Die Welt wird immer gefährlicher. Da ist es gut, dass auf der Ukraine-Friedenskonferenz zumindest gut 80 Staaten die Abschlusserklärung unterschrieben, die Russland noch einmal gezielt auffordert, mit Atomwaffen weder zu drohen, noch diese einzusetzen.

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