„Es wird immer noch zu viel gepflastert“ - Gartenbau-Beraterin geht in Rente und zieht Bilanz
Heike Grosser, Kreisfachberaterin für Gartenkultur und Landespflege, ist in den Ruhestand gegangen. Sie blickt auf fast drei Jahrzehnte Arbeit und Veränderungen im Gartenbau zurück.
Weilheim-Schongau - Fast 28 Jahre war Heike Grosser (62) am Landratsamt in Weilheim als Kreisfachberaterin für Gartenkultur und Landespflege tätig. Zum 1. September geht die gebürtige Gelsenkirchenerin, die schon als Kind Gärtnerin werden wollte und in Weilheim lebt, in die passive Phase der Altersteilzeit. Im Interview blickt Grosser, gelernte Gärtnerin und Diplom-Agrar-Ingenieurin für Gartenbau, zurück auf ihre Arbeit in der Behörde und darauf, was sich in den vergangenen Jahrzehnten in den Gärten, bei Bauvorhaben und bei den Gartenbauvereinen im Landkreis verändert hat.
Was haben Sie gemacht, bevor Sie ans Landratsamt gewechselt sind?
Nach dem Studium in Weihenstephan habe ich zweieinhalb Jahre die Staudengärtnerei bei „Demmel“ in Seeshaupt geleitet, war im Erziehungsurlaub, habe mich dann als Gartenberaterin selbständig gemacht und samstags bei Demmel gearbeitet, ehe ich 1996 am Landratsamt angefangen habe.
Was macht eine Kreisfachberaterin eigentlich genau?
Es geht um die Förderung der Gartenkultur allgemein. Ich berate Multiplikatoren von Vereinen oder Gemeinden, aber auch einzelne Bürger, biete Seminare und Kurse an, zum Beispiel zur „Weiterentwicklung von Friedhöfen“. Auf der anderen Seite verfasse ich im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren Stellungnahmen zu Grünordnungsplänen und Freiflächengestaltung. Ich schaue also drauf, ob die Vorgaben der Gemeinden von Bauherrn auch tatsächlich umgesetzt werden. Ich versuche natürlich auch, die Menschen zu sensibilisieren in Sachen „Naturschutz“.
Sie sind in Ihrer Funktion als Kreisfachberaterin ja auch Geschäftsführerin des Kreisverbandes für Gartenkultur und Landespflege. Wie klappte die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen?
Das hat wunderbar geklappt, das ist nicht überall so. Ohne die Arbeit der Ehrenamtlichen wäre vieles gar nicht möglich, zum Beispiel die Weiterentwicklung des Netzwerkes „Gartenwinkel-Pfaffenwinkel“, da haben wir 10 000 Samentüten gefüllt. Oder bei Messen wie der Orla stehen die Ehrenamtlich am Stand und beraten.

Haben sich die Gärten im Landkreis in den vergangenen drei Jahrzehnten verändert?
Jedes Jahrzehnt hat seinen Trend. In den 90er Jahren etwa waren es die Teiche im Garten. Vieles hat sich verändert, allein im Landkreis haben wir jetzt 100 zertifizierte Naturgärten. Nahezu ungebrochen ist andererseits der Trend zum sauberen Garten, in dem die Natur unter Kontrolle ist. Es wird noch immer viele zu viel versiegelt und gepflastert. Die Hubschrauberlandeplätze an den Zufahrten zu den Garagen sind mir ein Gräuel. Da gibt es noch viel zu tun.
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Was war Ihnen persönlich wichtig bei Ihrer Arbeit und wobei waren Sie erfolgreich und wobei nicht?
Mir war wichtig, die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen, also sie nach ihrem Wissensstand zu beraten. Manchmal muss man auch akzeptieren, dass ein Baum gefällt werden darf, auch wenn das einem persönlich nicht passt. Der Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ war sicherlich ein großer Erfolg, sehr viele Gemeinden im Landkreis haben dabei sehr erfolgreich abgeschnitten. Ich habe da sehr viel unterstützt und beraten. Ein Erfolg war sicherlich auch, dass Grünordnungspläne eine viel größere Bedeutung bekommen haben. Heute wird zumindest in der Planung sensibler mit dem Ortsbild umgegangen. Ich habe mich bei Genehmigungsverfahren auch immer für Fahrradstellplätze eingesetzt. Das war eine zähe Geschichte, aber ich bin drangeblieben. Zu meiner Anfangszeit war zum Beispiel Dachbegrünung verboten, mittlerweile ist es längst erlaubt, ja sogar erwünscht.
Braucht es für Ihren Job ein gewisses grünes, politisches Gewissen?
Im Sinne von Parteipolitik sicher nicht, ich war ja auch nie politisch aktiv. Man muss aber sicherlich ein Herz für den Naturschutz und grüne Themen haben und authentisch sein. Ich verstehe uns Menschen als Baustein der Natur. Anders wäre es schwierig, diesen Job zu machen. Ich bin ja auch vielfach ehrenamtlich engagiert, unter anderem als Vorsitzende des Verbandes der Kreisfachberatung für Gartenkultur und Landschaftspflege in Bayern.
Bei den 40 Gartenbauvereinen mit 7700 Mitgliedern im Landkreis sind doppelt so viele Frauen in der Vorstandschaft wie Männer, 1999 waren die Männer eindeutig in der Überzahl. Haben Sie eine Erklärung?
Sicherlich habe ich Frauen motiviert, Positionen in den Vereinen zu übernehmen. Aber in erster Linie haben sich die Zeiten geändert. Wichtig ist die richtige Mischung zwischen Jung und Alt und zwischen den Kulturkreisen. Um Frauen auch im praktischen Bereich zu fördern, habe ich zum Beispiel Schnittkurse unter der Woche am Nachmittag angeboten. Da kamen dann fast nur Frauen. Früher waren die Kurse meist am Samstag und da kamen fast nur Männer.
Sie lebten mit dem 2008 tödlich verunglückten Grünen-Kreisrat Josef Albrecht in einer Partnerschaft. Der hat häufig öffentlich Landrat und Landratsamtsmitarbeiter kritisiert. Wie haben das der jeweilige Landrat und Ihre Kollegen aufgenommen?
Direkt in meinem Arbeitsumfeld war das wirklich nie ein Thema. Ich bin immer als einzelne Person, als Heike Grosser, wahrgenommen worden, nicht als Partnerin von Josef Albrecht. Was manche gedacht haben, weiß ich nicht.
Sie sind ja auch privat leidenschaftliche Gärtnerin und Obstbäuerin: Werden Sie Ihre Leidenschaft auch im Ruhestand weiter pflegen oder sogar intensivieren?
Ja, natürlich. Jetzt habe ich mehr Muse und Zeit, um mich meinem Garten und meiner Obstplantage zu widmen, die immerhin 8,5 Hektar groß ist. Da ernte ich zwischen 25 und 30 Tonnen, das meiste davon sind Streuobst-Äpfel.