Als die Amerikaner von Raisting aus spionierten
Lange bevor die Deutsche Bundespost 1964 die topographischen Vorteile der „Raistinger Wanne“ für den Bau der Satelliten-Bodenstation „Radom“ nutzte, waren gegen Ende des Zweiten Weltkriegs die Amerikaner mit einem Agentensender vor Ort. Was es damit auf sich hat, war beim Treffen der Funkamateure in Stillern zu erfahren.
In der Wallfahrtskapelle St. Stephan in Stillern, seit der Gebietsreform von 1972 ein Ortsteil von Raisting, hatten die Amis einen Kurzwellensender installiert, nachdem sie in der Nacht vom 3. auf den 4. April 1945 mit dem Fallschirm abgesprungen waren. Von Stillern aus erfuhr die von Westen vorrückende 7. US-Armee, wie und wo sie in Landsberg den Lech überqueren konnte und mit welcher Gegenwehr sie zu rechnen hatte. Mit Informationen und Unterstützung der Stillener Bauern, die die Aussichtslosigkeit des Krieges längst erkannt hatten.
Antennen direkt neben dem Biergarten
Mit ihrem knapp dreitägigen „Fieldday“ beim Hofbiergarten in Stillern gedachten die Ortsverbände Germering und München-West des „Deutschen Amateur-Radio-Clubs“, kurz DARC genannt, diesem zumindest für die Region vielleicht entscheidenden Zutun der Bürger von Stillern. Für die wiederholte Ortswahl der Amateurfunker mit entscheidend war aber die optimale Wellenausbreitung nur wenige Kilometer von der Erdfunkstelle Raisting entfernt. Direkt neben dem Hofbiergarten hatten die Funker ihre Antennen, den Satellitenspiegel und Zelte mit den rauschenden und piependen Gerätschaften aufgebaut. Ohne Verbindung zu Stromnetz oder Dieselgeneratoren. Die Energie kam von Batterien und Solarpanels.
Mit 7300 Kilometer Entfernung war die im Kurzwellenbetrieb am weitesten erreichte Funkstation auf der Insel St. Helena im Südatlantik, bekannt durch Napoleon Bonaparte, der hier nach seiner Verbannung starb. Laut Funker Nikolaus Welter kam „im 40-Meter-Band plötzlich Gedränge auf“. Russische Funker hatten einen Contest gestartet. Die Unterhaltung mit ihnen beschränkte sich auf die Übermittlung von Zahlenwerten, die für die Signalstärke und Klarheit des Empfangs stehen. Denn laut dem Ehrenkodex der Funker sind Gespräche über Politik, Religion sowie Geschäftliches und Beleidigendes nicht erlaubt. Nikolaus Welter: „Auch eine Reihe von türkischen Kollegen funkte „CQ DX“. Was bedeutet, dass nur Kontakt von einem anderen Kontinent gewünscht wird. Damit konnten wir dienen.“
Ausgefuchster Kollege wusste zu helfen
Im Wesentlichen wurde in Stillern Kurzwellenbetrieb praktiziert. Denn der nahe Horizont begrenzt normalerweise die Reichweite ultrakurzer Wellen, also UKW. Als aber ein Wanderer auf einem Berggipfel über Funk nach dem Weg fragte, kam die übernationale Anruffrequenz im Zwei-Meter-Band ins Spiel, die jeder Funkamateur kennen muss. „Ein in Bergangelenheiten ausgefuchster Kollege war zufällig vor Ort und konnte helfen“, so Nikolaus Welter.
Helfen bei einem wirklichen Katastrophenfall können die 960 Ortsverbände des Deutschen Amateur-Radio-Clubs mit ihren 36 000 Mitliedern. Bei einem totalen Strom-, Internet- und Telefonausfall wären die Funkamateure mit ihren Geräten und Akkumulatoren gefragt, die mehrere Stunden überregionale und internationale Verbindungen aufrechterhalten können. Ein Grund, warum die Funkamateure regelmäßig im Verbund mit Rettungsdiensten unter Kontrolle des Innenministeriums Notfallübungen praktizieren.
Gäste waren willkommen
Bei den „Fielddays“ in Stillern waren Gäste willkommen. Interessant war für die meisten, das der Einstieg in das sinnvolle Hobby schon mit ein paar Hundert Euro möglich ist. Bastler und angehende Techniker können vieles wie die Antenne selbst bauen. Wie Germerings Vize-Vorstand Tilman Wimmer ausführte, seien die meisten Astronauten und Kosmonauten Funkamateure und haben ihre Karriere teilweise damit angefangen. Mit einigen von ihnen habe er schon „am Boden“ Funkgespräche geführt. Kontakt zu örtlichen Funkamateuren und die Möglichkeit von Einstiegskursen bekomme man über „www.darc.de“ im Internet.
Meine news
Ein Highlight bei den Besuchern war die simulierte Bombenentschärfung. Mit einem von der Funkamateurin Theresa Thoma als Masterarbeit entwickelten Handbuch musste eine tickende und blinkende Zeitbombe unschädlich gemacht werden, wobei einiges an Grips verlangt wurde. Die Autorin wurde bekannt, weil sie gleich nach ihrem Studium ein Jahr in der Neumayer-Forschungsstation am Südpol verbracht hat und über den Amateurfunk Kontakt mit der Heimat hielt.