Auf Einladung von Zukunft Gauting: Intensive Debatte Pro und Contra Windkraft
Im Bosco haben Windkraftbefürworter, Windkraftgegner und Landrat Stefan Frey miteinander diskutiert. Es war turbulent, blieb aber sachlich.
Gauting – Volles Haus im Bosco: 300 Zuhörer aus Gauting und Umgebung kamen am Dienstagabend zur Infoveranstaltung der Bürgeroffensive Zukunft Gauting. Das Thema: Pro und Contra Windkraft, spätestens seit dem Bürgerbegehren das umstrittenste in der Gemeinde. Zukunft Gauting hatte Landrat Stefan Frey eingeladen, um den Stand der Energiewende im Landkreis und das Genehmigungsverfahren zu erläutern, darüber hinaus als Windkraftbefürworter Thomas Tronsberg und Kristina Willkomm („Bürgerwind Gauting“) sowie als Windkraftgegner Anette Bäuerle und Dr. Hieronymus Fischer von der Bürgerinitiative Umwelt-Energie-Gauting (UEG). Die Moderation übernahm Tammo Körner, drei Stunden dauerte die Veranstaltung. Dr. Andreas Albath als Gastgeber machte eingangs deutlich, worüber nicht geredet werden sollte, nämlich das vor wenigen Tagen vom Gemeinderat abgelehnte Bürgerbegehren („Das ist selbst unter Juristen umstritten“) und über die Energiepolitik im allgemeinen („Co-Referate aus dem Publikum sind nicht erwünscht“). An die erste Regel hielt sich die Mehrzahl der Zuhörer, an die zweite weniger. Es kam immer wieder zu längeren Vorträgen. Die Stimmung war vor allem anfangs angespannt. Es wurde applaudiert, gejohlt, gelacht.
Landrat Stefan Frey führte zunächst aus, dass Starnberg bei der Energiewende – der Landkreis strebt bis 2035 die Unabhängigkeit von Gas und Öl an – hinterherhinkt. Lediglich 21,8 Prozent des Stroms, den vor allem die Unternehmen benötigen, stamme aus erneuerbaren Energien, 5,8 Prozent aus der Windkraft. „Wenn man weiß, dass wir nur die vier Berger Windräder haben, sieht man, wie wichtig dieser Baustein ist“, sagte er. Was die Flächen für Windkraftanlagen angeht, verwies er auf zwei Verfahren. Das eine – die Ausweisung von Konzentrationsflächen, in denen allein Windkraftanlagen erlaubt sind – sei bereits 2012 abgeschlossen und im Nachgang von den Gerichten bestätigt worden. Das andere, nämlich das des Planungsverbands München, laufe noch. Darin würden verschiedenste Belange gegeneinander abgewogen, wobei ein hundertprozentiger Interessensausgleich wohl kaum möglich sei. „Das ist die Realität, der müssen wir uns stellen.“ Beide Verfahren kollidieren nicht. „Die Konzentrationsflächen bleiben weiter bestehen“, sagte er. Die Genehmigung einer Windkraftanlage obliege dem Landratsamt als staatlicher Behörde. Dabei habe das Landratsamt zu berücksichtigen, dass es einen „Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung“ gibt. Das sei vom Gesetzgeber so gewollt. Die Produktion erneuerbarer Energie habe „klaren Vorrang“ vor allen anderen Belangen wie Artenschutz und Ähnlichem.
Nach kurzen Einführungsstatements beider Parteien sprach Moderator Tammo Körner mehrere Themenblöcke an, zu denen sich die Befürworter und Gegner positionieren sollten, bevor die Zuhörer ihre Fragen stellen konnten. Der erste: Ist Windkraft in sogenannten Schwachwindgebieten sinnvoll? Willkomm erläuterte, dass es eine Definition von Schwachwindgebieten in dieser Form gar nicht gibt. Es sei zwar unbestritten, dass im Norden der Wind stärker wehe und der Ertrag größer sei. Doch auch im Landkreis Starnberg sei es möglich, diese Energie zu nutzen, dank moderner Anlagen mehr denn je. Das bewiesen die Anlagen in Berg, wo die ursprüngliche erwartete Rendite bei weitem übertroffen wird. Sie zeigte sich überzeugt vom Modell der finanziellen Bürgerbeteiligung, wie sie in Berg vorbildhaft praktiziert werde. „Die Menschen, die die Windkraftanlagen vor ihrer Haustür haben, sollen auch von ihnen profitieren.“
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Dr. Hieronymus Fischer gab der Windenergie im Landkreis die Note 4. „Damit ist man ein schwacher Schüler, und das ist nicht mein Anspruch“, sagte er. Landrat Dr. Stefan Frey machte deutlich, dass es in Starnberg, anders als im Norden der Republik, immer auf einen Mix der Energieformen ankommen werde. Eine allein, wie etwa die von Fischer favorisierte Fotovoltaik, werde nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Frey wies auf die Arbeit des Planungsverbandes hin, dem die Landeshauptstadt und die acht umliegenden Landkreise angehören und der ein umfangreiches Verfahren angestoßen hat. „Der Planungsverband nimmt Ihnen vielen Fragen ab“, sagte er. Besucher Hans Herde kritisierte, dass die Windkraftgegner nach dem „St. Florians-Prinzip“ verfahren, wonach andere die Lasten die tragen sollen – in diesem Fall die Bürger im Norden.
Ein weiterer Themenblock widmete sich der vollständigen CO2-Bilanz von Windkraftanlagen. Immer wieder heißt es, dass die Anlagen mehr Kohlenstoffdioxid produzieren als einsparen. Das verwies Willkomm, Prokuristin im Ingenieurbüro Sing, ins Reich der Fabeln. Es sei klar erwiesen, dass Windkraftanlagen 9 Gramm pro Kilowattstunde produzieren (den Fertigungsprozess aller Anlagenteile mit eingerechnet), Braunkohle hingegen über 1000. „Windenergie bedeutet klimaschonenende Energieerzeugung, und da wollen wir doch hin in Deutschland“, sagte sie. Fischer hingegen erklärte die Zahl für „völlig aus der Luft gegriffen“. Deutschland sei mit seiner Energiewende in der ganzen Welt isoliert. Der Landrat machte deutlich, dass es an Alternativen mangelt, die Zeit der Kernkraft sei vorbei, die Uhr werde niemand zurückdrehen. Herbert Stepp vom Grünzug-Netzwerk Würmtal in Planegg fragte den Landrat sarkastisch, ob er denn für den Fall, dass die Windkraft scheitert, schon einen Plan habe, wo die Atomkraftwerke hinkommen? Freys – freilich nicht ernst gemeinte – Antwort: „Die stellen wir alle nach Planegg.“
Ein weiteres Thema: Der Artenschutz. Willkomm versicherte: „Windräder schreddern keine Vögel.“ In Fuchstal bei Landsberg sei inzwischen Technik verbaut, die es ermöglicht, die Rotoren abzuschalten, wenn sich Vögel nähern. Der Artenschutz sei ein Hauptargument, warum Windkraftanlagen vorzugsweise im Wald platziert werden. „Wälder werden von Vögeln häufig in großer Höhe überflogen.“ Gefährlich könne es für die Tiere eher auf Lichtungen werden, wenn sie auf der Suche nach Beute den Kopf senken und die Rotoren übersehen. Anette Bäuerle verwies darauf, dass in Buchendorf angeblich vor wenigen Tagen ein Seeadler gesichtet worden sei. „Ich hoffe, dass wir damit die Anlagen verhindern können.“ Der Landrat beschwichtigte: Bei den 1,1 Prozent der Fläche, die der Landkreis in den nächsten Jahren für Windenergie vorzuhalten habe, „steht ein großes Artensterben nicht zu befürchten“.

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Blieb die Frage nach den unmittelbaren Auswirkungen, die die geplanten zehn Windräder in Buchendorf und Königswiesen mit einer Höhe von über 250 Metern für die dortigen Bewohner haben. Die Bürgerwind-Repräsentantin wies darauf hin, dass der Abstand zur Wohnbebauung über 1000 Meter betrage, als deutlich mehr, als vom Gesetz gefordert. Daher sei es nicht schwer, die gesetzlichen Vorgaben bei Schatten und Schall einzuhalten. Der von Windkraftgegner häufig ins Feld geführte Infraschall – also nicht hörbare Frequenzen – diene lediglich dazu, „diffuse Ängste zu schüren“. Das Landesamt für Umwelt habe nachgewiesen, dass die Wellen in einer Entfernung von 200 Metern von Windkraftanlagen nicht mehr messbar seien. Dem widersprach Fischer: „Man sollte zur Kenntnis nehmen, dass nicht alle Menschen gleich empfindlich sind.“
Das war ein Argument, das der Landrat nur teilweise nachvollziehen konnte. „Das Handy, das Auto, das scheint alles kein Problem zu sein. Aber bei genau bei diesem Punkt ist es dann ganz besonders gefährlich.“ Klar ist für ihn: „Von diesen Anlagen gehen keine gesundheitlichen Gefährdungen aus.“ Nicht in Abrede stellte er die Veränderung der Landschaft. „Das wird einigen gleichgültig sein und andere massiv stören.“ Auch wenn der Planungsverband sich große Mühe gebe, das Szenario von Umzingelungen zu vermeiden, werde es dennoch mancher so empfinden. Er gab den Windkraftanlagen, bei denen die Bürger mitverdienen können, den klaren Vorzug vor Anlagen, die Unternehmen wie Vattenfall oder Eon in die Landschaft stellen werden.
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