Eine Gewitterzelle hat sich am Freitagabend über dem Norden des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen entladen. Rund 240 Feuerwehrkräfte waren im Einsatz, der Keller der Ickinger Grundschule wurde überflutet.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Erneut ist eine Gewitterzelle mit Hagel, Sturm und Starkregen über den Norden des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen gefegt. Der heftige Spuk am Freitagabend währte nicht lange, doch die Folgen waren schwerwiegend. Besonders betroffen waren Icking, Dorfen, Münsing, Wolfratshausen und Deining sowie die A95. Allein in Icking und Dorfen kam es am Freitagabend zu rund 60 Einsätzen zahlreicher Feuerwehren, bilanziert Stefan Kießkalt, Pressesprecher der Kreisbrandinspektion Bad Tölz-Wolfratshausen. Die Integrierte Leitstelle Oberland koordinierte nach eigenen Angaben rund 120 Einsätze.
Bundesstraße muss im Bereich Dorfen komplett gesperrt werden
In der Isartalgemeinde und dem Ortsteil Dorfen liefen nach dem extremen Regenfall, der gegen 20.30 Uhr niederging, Keller voll. Straßen wurden überschwemmt, Starkböen rissen Bäume um. „Die B11 wurde im Bereich des Dorfener Bergs überflutet und musste kurzzeitig komplett gesperrt werden“, berichtet Kießkalt. Auf einem Teilabschnitt der A95 wurden zwei Fahrspuren durch die Wassermassen überflutet. An vielen Orten knickten Bäume um, Wasser drang in Gebäude ein. Im Eglinger Ortsteil Deining kam es im Bereich der Baustelle zu Überschwemmungen. Kießkalt: „Zur Koordinierung der Einsätze wurde im Feuerwehrhaus Lenggries eine Abschnittführungsstelle eingerichtet.“
Summa summarum waren rund 240 Kräfte der Freiwilligen Feuerwehren aus Icking, Dorfen, Münsing, Wolfratshausen, Weidach, Ergertshausen, Holzhausen, Ammerland, Endlhausen und Deining im Einsatz, fasst der Sprecher der Kreisbrandinspektion zusammen.
Rathauschefin Reithmann spricht von einer „Sturzflut“
Mit voller Wucht traf es Icking, rund eine Dreiviertelstunde lang entlud sich die Gewitterzelle über der Gemeinde. „Das Wichtigste – es gab keine Personenschäden“, so Bürgermeisterin Verena Reithmann gegenüber unserer Zeitung. In Dorfen habe es sturmbedingt einige Einsätze wegen Windbruchs gegeben. Sowohl im Bereich des Kindergartens als auch im Bereich der Attenhauser Straße verfingen sich Äste in Freileitungen. Die Wassermassen rissen ein Stück Hang oberhalb der Mauer an der B11 mit. „In dieser Intensität führte es zum ersten Mal dazu, dass ich persönlich das Wort Sturzflut verwende“, sagt die Rathauschefin. Während in Dorfen die Einsätze relativ schnell abgearbeitet werden konnten, gingen aus Icking innerhalb kürzester Zeit etwa 40 Notrufe bei der Integrierten Leitstelle ein.
Im Feuerwehrhaus wurde eine Einsatzzentrale eingerichtet, in der Kreisbrandrat Erich Zengerle gemeinsam mit dem Ickinger Kommandanten Johannes Hirt und dem langjährigen Wehr-Mitglied Christoph Kraul die zahlreichen Rettungskräfte koordinierte. Die Feuerwehr Dorfen und die Feuerwehr Wolfratshausen unterstützen ihre Kameraden. Insgesamt waren laut Reithmann mehr als 20 Feuerwehrmänner und -frauen gut 15 Stunden ununterbrochen auf den Beinen. Hirt zeigte sich trotz Doppelbelastung (Unwetter und Aufbau für das Fest „Musikanten im Dorf“ am Sonntag) äußerst zufrieden: „Es haben viele, viele Leute zusammengeholfen, da hat einfach alles gepasst.“
Meine news
Grundschule: Wasser steht 1,80 Meter hoch in den Kellerräumen
Unser Wolfratshausen-Geretsried-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus Ihrer Region. Melden Sie sich hier an.
Die Kombination aus Hagel und Wasser barg ein extremes Gefahrenpotential. Reithmann: „Erkennbar durch die schlagartige Überschwemmung eines Bereichs der B11, so dass hier Fahrzeuge steckenblieben.“ Die Bürgermeisterin ist überzeugt: „Vorgenommene aufwändige Umbaumaßnahmen am Feuerwehrhaus haben insofern den Härtetest bestanden, dass das Untergeschoss nicht überschwemmt wurde.“ Betroffen war jedoch die Fahrzeughalle. Zum Leidwesen einiger nachalarmierter Einsatzkräfte, die ihre Sicherheitsstiefel im knöcheltiefen Wasser vorfanden.
Schweren Schaden nahm die Ickinger Grundschule. Hier waren Schulleitung und einige Gäste des Sommerfests am Abend noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt, als Regen und Hagelkörner niederprasselten. Das Glasdach der Schule hielt den Eiskügelchen zwar Stand, doch im Untergeschoss wurde ein Fenster eingedrückt und das Wasser-/Hagelgemisch schoss in den Vereinsraum der Blaskapelle Irschenhausen und des Trachtenvereins. Rund 1,80 Meter hoch stand das Wasser in den Kellerräumen. Möbel wurden aus den Verschraubungen gerissen, Klavier, Schlagzeug und vieles andere trieb durch die Schlammbrühe. Auch das Untergeschoss des Nebengebäudes, in dem die Offene Ganztagsschule (ehemals Haus der Kinder) untergebracht ist, lief komplett voll. Vize-Bürgermeisterin Claudia Roederstein stellt fest: „So schlimm war es noch nie!“ Roederstein half an der Seite von Feuerwehr und vielen Freiwilligen – darunter drei Flüchtlingsfamilien – bis spät in die Nacht und den ganzen Samstag, um das Chaos zu beseitigen. Ihr Fazit: „Es haben wirklich viele Leute bei den Aufräumarbeiten tatkräftig mit angepackt.“ Der Schulbetrieb an diesem Montag könne stattfinden.
Die Überflutung der B11 im Ickinger Zentrum drohte am späten Freitagabend für das Landhotel Klostermaier zu einer Katastrophe zu werden. Geschäftsführerin Katharina Vogl ist froh, dass ihr Betrieb mit einem blauen Auge davon kam, obwohl „das wahnsinnig hochstehende Wasser“ immer wieder ins Gebäude an der Mittenwalder Straße schwappte. Zum Glück floss das Wasser nicht in den Pellets-Bunker. „Mit Hilfe unserer Nachbarn, Familie Högl, konnten wir den Bunker mit Sandsäcken schützen“, erläutert Vogl. Die Restaurant- und Hotelgäste hätten ruhig auf das Unwetter und einen dadurch ausgelösten Stromausfall reagiert: „Sie ließen sich das Essen bei Kerzenschein schmecken.“ Vogls Dank gilt den ehrenamtlichen Einsatzkräften, „die sofort zur Stelle waren und das Schlimmste verhindert haben“.
Starkregen und Hagel führten auf der A95 zu Unfällen: Kurz vor der Rastanlage Höhenrain im Gemeindebereich Berg in Fahrtrichtung Süden schleuderte eine 88-jährige Frau aus München am Freitag gegen 21 Uhr mit ihrem Pkw aufgrund Aquaplanings von der A95. Nach Angaben der Verkehrspolizeiinspektion (VPI) Weilheim kam die Seniorin mit dem Schrecken davon. Die Reparatur ihres Autos wird rund 2000 Euro kosten. Gegen 22 Uhr waren zwei Pkw-Fahrer auf der A95 in Richtung Wolfratshausen unterwegs. Im Gemeindebereich Icking, kurz vor dem Anstieg zur Rastanlage Höhenrain, hatte sich in der dortigen Senke aufgrund des starken Regens reichlich Wasser gesammelt und die Fahrbahn überflutet. Ein 22-jähriger Wolfratshauser bremste seinen Wagen aus diesem Grund auf dem linken Fahrstreifen ab – das erkannte ein hinter ihm fahrender Geretsrieder (20) zu spät . Er krachte mit seinem Pkw ins Heck des Autos des Wolfratshausers. Beide Unfallbeteiligte blieben laut VPI unverletzt, der Gesamtsachschaden beträgt etwa 25 000 Euro.
Kein Zugverkehr auf S7-Strecke zwischen Icking und Wolfratshausen
Auswirkungen haben die Wetterkapriolen auch auf den S-Bahn-Verkehr. Die Züge auf der Linie S7 rollen nur bis Icking, „der Streckenabschnitt zwischen Icking und Wolfratshausen bleibt weiterhin gesperrt“, so die Bahn. Der Grund „sind witterungsbedingte Beeinträchtigungen“. Zwischen Icking und Wolfratshausen ist ein Schienenersatzverkehr mit Großraumtaxis eingerichtet. Die Bahn geht davon aus, dass der Streckenabschnitt voraussichtlich ab diesem Montag gegen 13 Uhr wieder befahrbar ist.
Kurz nach Mitternacht mussten am Freitag rund 80 S7-Passagiere evakuiert werden. Laut Bundespolizei war im Bereich des S-Bahnhaltepunktes Kreuzstraße ein Baum auf die S-Bahn gestürzt und hatte den Zug und die Oberleitung beschädigt. „Keiner der Reisenden wurde verletzt“, stellt die Bundespolizei fest. (cce/ina)