AfD-Chefin will sie "abreißen" - Weidel ätzt gegen Windräder, doch Experten sehen Deutschland als "Vorbild"
Dass die Alternative für Deutschland (AfD) dem Klimawandel gegenüber skeptische Positionen vertritt, ist mittlerweile hinreichend bekannt. Die Partei macht auch kein Geheimnis daraus und setzt sich unter anderem dafür ein, weiterhin fossile Energien sowie Kernkraftwerke zu benutzen, um eine “Deindustrialisierung Deutschlands” zu verhindern.
Auf dem AfD-Parteitag im sächsischen Riesa am Wochenende verkündete Parteichefin und Kanzlerkandidatin Alice Weidel (45), mit der AfD würde es weiterhin Energie aus Kernkraftwerke geben - und die Windkraft soll keine Rolle mehr spielen.
Weidel und die "Windmühlen der Schande"
Vor fast 600 Delegierten verkündete die Parteichefin, dass die Partei sämtliche Subventionen und Förderprogramme für die Klimaziele streichen und sogar das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) abschaffen wolle.
Anschließend rief sie unter Applaus: „Wenn wir am Ruder sind, reißen wir alle Windkraftwerke nieder. Nieder mit diesen Windmühlen der Schande!“
Später am Abend erschien Weidel, die zusammen mit ihrer Partnerin und Kindern in der Schweiz lebt, in der ZDF-Sendung heute-journal. Mit Moderator Christian Sievert lieferte sich die 45-Jährige eine hitzige Diskussion. Im Interview behauptete die AfD-Kandidatin, im von der CDU regierten Hessen würde der sogenannte Reinhardswald “einfach abgeholzt” werden. Gegenüber Sievers behauptete Weidel zudem, dass Deutschland “Nettoimporteur von französischem Atomstrom” sei und unter Schwankungen in der Leistung von Wind und Solar leide - obwohl Sievert sie darauf hinwies, dass in Deutschland 29 Prozent des Stroms aus Windkraft kommen.
Weidel will für "echten Wettbewerb sorgen" - vergisst wichtiges Detail
Die Parteichefin entgegnete, dass Kernkraftwerke effizienter seien und die Energiekosten für Unternehmen durch die Decke gehen würden - die als Resultat dann das Land verlassen. Auf die Frage, wie denn nun das Abreißen aller Windräder dabei helfen solle, die Kosten für Unternehmen zu senken, kam lediglich die Antwort, man wolle die Subvention aus dem EEG abschaffen und für “echten Wettbewerb” sorgen.
Gegenüber “ntv” gab Weidel wiederum an, ihre Äußerungen zum Abreißen der Windräder seien aus dem Kontext gerissen worden. So werde der als “Märchenwald” bekannte Reinhardswald für Windmühlen in Höhe von 240 Metern abgeholzt - eine Behauptung, die sie auch im Interview mit dem ZDF-Moderator weiter vertrat. Dabei handelt es sich um ein Bauvorhaben über 18 Windräder, das seit Jahren als umstritten gilt. Co-Chef Tino Chrupalla bestätigte die Position seiner Parteikollegin und erklärte, man sei lediglich dafür, diejenigen Windräder zurückzubauen, die die Umwelt verschandelten.
Nutznießer Putin?
Der Bundesverband Windenergie Offshore reagierte mit Kritik auf Weidels Rede. Verbandsgeschäftsführer Stefan Thimm kritisierte, die AfD nehme mit solchen Vorhaben den wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands in Kauf. Die Vorschläge der AfD stärkten die Abhängigkeit von Gas und Öl, Nutznießer wäre der russische Staatschef Wladimir Putin, sagte Thimm.
Dazu passen am Freitag veröffentlichte Zahlen des europäischen Verbandes WindEurope. Demnach sei in nur wenigen europäischen Ländern der Windkraft-Ausbau so zielstrebig vorangegangen wie in Deutschland. “Die Regierungen müssen dem deutschen Beispiel folgen, wenn es ihnen mit der Energiesicherheit und der industriellen Wettbewerbsfähigkeit ernst ist”, hieß es in einer Mitteilung des Verbands.
Experte: "Hätten Strommangel im Winter"
Das deckt sich mit der Ansicht von Expertinnen und Experten. "Ohne die Stromerzeugung aus Wind hätten wir einen Strommangel hauptsächlich im Winter", sagt Bruno Burger, Energieexperte am Fraunhofer Institut für Solare Energien (Fraunhofer ISE), der auch die Datenplattform "Energy Charts" betreibt. Der Grund: Die größte Menge Windstrom wird in den Wintermonaten erzeugt - also genau dann, wenn der Stromverbrauch am höchsten ist.
Weniger Windstrom hieße demnach: Mehr Importe, mehr Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen. "Dadurch würde auch der Börsenstrompreis in Deutschland und durch den europäischen Stromhandel auch in den Nachbarländern ansteigen, was diesen bestimmt nicht gefallen würde", schlussfolgert Burger gegenüber FOCUS online Earth.
Doch das ist nicht der einzige Haken: Weidels Vision sieht vor, auf Kernkraft statt Windstrom zu setzen - auch das ist nicht haltbar, erklärt Burgers Kollege Leonhard Probst. "Würden wir auf einen weiteren Zubau der Windkraft verzichten, müssten jährlich 2,5 Kernkraftwerke zugebaut werden, damit wir die Klimaschutzziele erreichen können", sagt Probst.
Deutschland ist Vorreiter beim Windkraft-Ausbau
Laut WindEurope stammen ein Fünftel des europäischen Stromverbrauchs aus Windkraft, bis 2030 sollen es 42,5 Prozent sein - dieses Ziel ist notwendig, um unsere Klimaziele zu erreichen. In Deutschland haben in Nordrhein-Westfalen 2024 landesweit 154 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 748 Megawatt den Betrieb aufgenommen, damit ist das Bundesland deutscher Spitzenreiter beim Windkraft-Ausbau.
Weidels Vorschlag ist übrigens kein AfD-Original: Bereits Anfang des Jahres hatte die FDP vorgeschlagen, Subventionen für Wind und Solar zu beenden und sie in den “Markt zu überführen”. Mittlerweile gibt es sogar einzelne Projekte, die ganz ohne staatliche Subventionen auskommen - so zum Beispiel ein Offshore-Windpark, den EnBW derzeit in der Nordsee baut. Möglich wird das durch Abkommen mit potenziellen Abnehmern, zu denen unter anderem die Deutsche Bahn zählt.
mit dpa-Material