Fjordwärts ins Elektrozeitalter - Ab 2025 verbietet Norwegen neue Verbrenner - was Deutschland davon lernen kann

Die Norweger lieben ihre Teslas - so sehr, dass Elon Musk persönlich ins Land der Fjorde reiste, um sich zu bedanken. Doch die Begeisterung für Elektroautos kommt nicht von ungefähr. Nicht nur das hohe Pro-Kopf-Einkommen lässt die Verkaufszahlen in Norwegen boomen, sondern auch die Regierung selbst. Seit Jahrzehnten fährt Norwegen mit Vollgas in Richtung Verkehrswende.

Jetzt wagt Norwegen den nächsten Schritt - einen Schritt, vor dem in Deutschland bitter gewarnt wird: Ab 2025 sollen in Norwegen keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden. 

Bald macht Norwegen das, wovor in Deutschland bitterlich gewarnt wird

Was nach einem knallharten Verbot klingt, ist Lenkungspolitik. Anders als die EU, die ab 2035 ein Gesetz gegen neue Verbrenner plant, setzt Norwegen auf die Kraft der Steuerpolitik. Schon ab April 2025 sollen Plug-in-Hybride satte 3850 Euro mehr kosten, reine Verbrenner 1240 Euro. Und das ist nur ein Teil des Plans: Hohe Mautgebühren und Steuern sollen fossile Antriebe aus dem Verkehr drängen. Ein indirektes Verbot über den Geldbeutel - das wirkt.

Doch ironischerweise ist all das kaum noch nötig. Warum? Weil die Verkehrswende in Norwegen längst Realität ist. 

  • 95 Prozent aller Neuwagen in Norwegen sind Elektroautos. (Zum Vergleich: Deutschland schafft gerade einmal 14 Prozent Elektroauto-Anteil bei den Neuzulassungen.)
  • Jedes vierte Auto auf Norwegens Straßen fährt mit Strom.
  • In Oslo gleiten bereits 40 Prozent der Fahrzeuge fast geräuschlos durch die Straßen.

E-Autos sind im ganzen Land mittlerweile Normalität geworden – und das trotz der langen Strecken, dünnen Besiedlung, bergigen Landschaft und dem harten Winter. „Wenn Norwegen das schafft, sollte es für Deutschland doch wirklich ein Kinderspiel sein“, bemerkt die E-Lobbyistin Christina Bu mit einem Seitenhieb gegenüber dem Spiegel

Die Akzeptanzprobleme, die Deutschland heute hat, plagten Norwegen damals auch. Rekkeviddeangst, norwegisch für Reichweitenangst. Vor zehn Jahren gab es ähnlich niedrige Verkaufszahlen wie in Deutschland, die gleichen Anlaufschwierigkeiten. Davon ist heute auf Norwegens Straßen nichts mehr zu spüren. Selbst am Polarkreis rollt die Elektroflotte durch die eisige Landschaft.

Fjordwärts ins Elektrozeitalter

Norwegens Erfolgsformel basiert auf einer steuerlichen Anreizpolitik und einem langen Atem. Seit den 1990er Jahren setzt das Land auf Elektromobilität und hat den Wandel mit gezielten Maßnahmen beschleunigt: 

Die finanziellen Anreize: 20 Jahre lang waren E-Autos von der Zulassungssteuer und der Mehrwertsteuer (25 Prozent!) befreit. Heute gilt das nur noch für Fahrzeuge unter 43.000 Euro.

Die Privilegien: Keine Mautgebühren, freie Fahrt auf Busspuren und kostenlose Parkplätze machten den Kauf von E-Autos schmackhafter.

Die Flottenumstellung: Taxis in Oslo müssen seit einem Jahr ohne Verbrennungsmotor fahren. Unternehmen setzen auf Elektro-Kleinbusse und nur in landwirtschaftlichen Betrieben brummen noch Dieselmotoren.

Warum Norwegen die Elektro-Wende leichter fällt

Für Michael Kern, Geschäftsführer der Deutsch-Norwegischen Handelskammer (AHK), ist es keine Überraschung, dass Norwegen bei der Verkehrswende weit vorne liegt. Über alle Parteigrenzen hinweg sei Norwegen seit Jahrzehnten auf diesem Weg, sagte er FOCUS online Earth bei einem Besuch in Oslo.

Und mehr noch: Das skandinavische Land hat die einfachen Probleme zuerst gelöst. „Die Ladeinfrastruktur und die PKW-Flotte haben sich schneller regeln lassen“, so Kern im Frühjahr. „Norwegen ist jetzt einfach schon bei dem nächsten Level.“ Während in Deutschland der Absatz von Elektroautos stagniert, sucht Norwegen bereits nach Lösungen für die kniffligeren Fälle: Wie bringt man Lkw klimaneutral über Hunderte von Kilometern? Wie dekarbonisiert man Frachtschiffe oder gar Flugzeuge?

Zwar kann Deutschland hier sicher noch einiges lernen, doch es gibt auch Faktoren, die Norwegen in die Karten spielen:

1. Es fehlt eine eigene Autoindustrie. Während in Deutschland die Interessen der mächtigen Autokonzerne eine große Rolle spielen, kann Norwegen unabhängig planen. Es gibt keine einheimischen (Noch)-Verbrenner-Marken, die geschützt werden müssen.

2. Außerdem kostet die Kilowattstunde Strom für die E-Autos in Norwegen nur halb so viel wie in Deutschland. Dank der sprudelnden Wasserkraft im Land ist der Strom nicht nur billiger, sondern auch fast komplett klimaneutral. Anders als in Deutschland, obwohl auch hier der Anteil erneuerbarer Energien auf stolze 60 Prozent gestiegen ist.

3. Außerdem nehmen die Norweger für sehr weite Strecken, etwa von der Polarregion bis in den Süden nach Oslo, einfach das Flugzeug, statt zum Autoschlüssel zu greifen.

Außerhalb der Grenzen setzt Norwegen auf das fossile Geschäft

Ermöglicht wurde der norwegischen E-Auto-Boom durch den staatlichen Verzicht auf all die Auto-Steuern. Norwegen kann sich das leisten. Denn Norwegen finanziert den Wohlstand seiner 5,5 Millionen Einwohner fossil. Das Land hat einen Staatsfonds, der sich aus allen Öl- und Gasgewinnen speist, die das Land im Ausland macht. Mit den fossilen Einnahmen im Ausland lassen sich die klimafreundlichen Rechnungen für Ladeinfrastruktur, E-Auto-Förderung und Stromnetz natürlich leichter bezahlen.