„Das mag paradox klingen“ - Experten: Um die E-Auto-Wende zu schaffen, muss Deutschland Chinas Hilfe annehmen

Mehr China wagen?

„Wer Klimaziele erreichen und den Automobilstandort Deutschland langfristig sichern will, sollte sich für einen schnellen Hochlauf der Elektromobilität unter Einbeziehung chinesischer Unternehmen einsetzen“, sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. „Das mag auf den ersten Blick paradox klingen, aber ein schneller Strukturwandel zu Elektromobilität trägt auch zu mehr Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China bei. Der Aufbau von europäischen Wertschöpfungsketten für Batterien macht unabhängiger von Chinas dominierender Marktstellung. Die rasche Ansiedlung chinesischer Unternehmen in Europa nach gemeinsamen Spielregeln schafft mehr Wertschöpfung als Importe. Gleichzeitig bietet sich so die Gelegenheit, in Technologiebereichen wie der Batterie durch Kooperationen Entwicklungsrückstände aufzuholen.“

Den Berechnungen zufolge werde China in einem Szenario, in der die 15-Prozent-Marke erreicht werden wird, einen Marktanteil von 15 Prozent am Bestand von Elektroautos in Deutschland haben. Das entspreche rund 2,2 Millionen Fahrzeugen. Im ersten Quartal 2024 lag dieser Anteil nach Daten der Beratungsfirma EY bei zehn Prozent. „Gerade im Bereich niedrigpreisiger Kleinfahrzeuge können chinesische Produkte helfen, den Markthochlauf für E-Autos in Europa zu beschleunigen“, sagt Hochfeld. Das müssten Bundesregierung und EU bei den Debatten um Zölle berücksichtigen.

„Wahrscheinlich ist es die letzte Chance“

Allerdings reiche es bei weitem nicht aus, lediglich auf chinesische Hilfe zu setzen, warnen die Autorinnen und Autoren. Die Lücke von sechs Millionen Autos sei nur noch dann zu schließen, „wenn alle politischen und wirtschaftlichen Hebel umgelegt werden“. Die Kfz-Steuer und die Dienstwagenbesteuerung könnten Beispiel so reformiert werden, dass E-Autos günstiger werden und Verbrennerwagen teurer. Der Gesetzgeber könnte außerdem Quoten für Hersteller und gewerbliche Fahrzeugflotten festlegen. Auch ein schnellerer Ausbau von Ladesäulen könnte den Berechnungen zufolge zusätzliche 300.000 E-Autos auf die Straße bringen.

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Um das 15-Millionen-Ziel am Ende zu erreichen, brauche es aber alle Instrumente zusammen, schlussfolgern die Autorinnen und Autoren: Wirtschaftliche Anreize, ordnungsrechtliche Eingriffe - und die Unterstützung Chinas. Das helfe auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland, heißt es in der Studie. Zwar werde die Automobilindustrie bis 2030 den Schätzungen zufolge rund acht Prozent aller Arbeitsplätze verlieren - gleichzeitig entstünden aber neue Jobs in angrenzenden Industrien, etwa bei der Batterieproduktion, im Bereich der Erneuerbaren Energien oder bei der Ladeinfrastruktur.

Und: Ein Festhalten am Status Quo sei für den Wirtschaftsstandort viel schädlicher, warnen die Expertinnen und Experten. Je länger Deutschland am Verbrennungsmotor festhalte und je langsamer der Hochlauf der E-Mobilität verlaufe, desto mehr Arbeitsplätze gingen auch verloren - vor allem ans Ausland. Hochfeld fordert daher auch einen Abschied von den Diskussionen um E-Fuels und Wasserstoff im Pkw-Bereich. Diese seien „keine Alternative“, sagt der Verkehrsexperte. „Längliche öffentliche Debatten darüber halten aber schon heute Kundinnen und Kunden vom Umstieg ab.“ Stattdessen brauche es jetzt einen entschlossenen Wandel zur Elektromobilität, fordert Hochfeld: „So günstig wie heute wird es nie wieder sein – und wahrscheinlich ist es die letzte Chance.“