Segen für alle: Revolution in der Sexualmoral der katholischen Kirche? „Ändert nicht viel“

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Papst Franziskus macht in der „Fiducia supplicans“ deutlich: Auch gleichgeschlechtliche Paare dürfen gesegnet werden. Manche sehen das als Schritt nach vorne, andere lediglich als Klarstellung. © dpa

Laut einem Schreiben von Papst Franziskus dürfen katholische Pfarrer nun ganz offiziell homosexuelle Paare oder Geschiedene segnen. Viele Pfarrer zeigen sich überrascht und beziehen Stellung:

Bad Tölz-Wolfratshausen – Eine Nachricht aus dem Vatikan lässt aufhorchen: Katholische Priester sollen künftig ganz offiziell homosexuelle Paare segnen dürfen. Das geht aus einem Schreiben von Papst Franziskus hervor. Konkret ist die Rede von der „Möglichkeit der Segnung von Paaren in irregulären Situationen und von gleichgeschlechtlichen Paaren“. Das inkludiert freilich nicht nur homosexuelle Paare, sondern beispielsweise auch bereits Geschiedene, die in einer neuen Partnerschaft leben. Ist die Erklärung „Fiducia supplicans“ eine kleine Revolution in der Sexualmoral der katholischen Kirche?

Lenggrieser Pfarrer: Keine Notwenigkeit homosexuelle Beziehung mit kirchlicher Ehe gleichzusetzen

„Es ist zumindest eine völlig unerwartete Überraschung“, meint der Lenggrieser Pfarrer Josef Rauffer. „Im November war ich erst auf der Konferenz aller Liturgiereferenten, und auch da kam nichts dazu raus.“ Dennoch passe die Schrift in die Linie von Papst Franziskus. „Er hat schon immer gesagt, dass der Mensch wichtiger ist als Gesetze.“ Das Kirchenoberhaupt müsse eine Brücke schlagen. „Der Papst sitzt zwischen den Stühlen, denn es gibt weltweit viele streng konservative Katholiken. Daher ist das für die weltkirchliche Ebene sehr bemerkenswert.“ Dass es zu Protesten kommen könnte, schließt Rauffer nicht aus. „Trotzdem sehe ich die Schrift noch nicht als Revolution.“ Der Vatikan stellt auch klar, dass solche Segnungen nur unter bestimmten Bedingungen gestattet sind. Etwa dürfe die pastorale Geste keine Elemente enthalten, die einem Hochzeitsritus ähneln. „Es geht darum, Menschen in ihrer Verbindung zu sehen und das Gute anzuerkennen, das sie sich gegenseitig geben.“

Rauffer sieht keine Notwendigkeit, eine Ehe zwischen Mann und Frau mit einer homosexuellen Beziehung gleichzusetzen. „Das hat einen anderen Stellenwert. Bei der Ehe geht es darum, dass Mann und Frau an der Schöpfung mitwirken können und auf natürlichem Weg Nachwuchs zeugen.“ Er betont: „Das ist eine biologische und nicht qualitative Wertung.“ Rauffer würde auch kein heterosexuelles Paar trauen, sollten sie ihm sagen, dass sie keine Kinder wollen.

Ich bin sehr froh und dankbar, dass der Papst pastorale Wege öffnet.

Pfarrer Pater Bernhard Stiegler ist für Benediktbeuern, Bichl und Kochel zuständig. Er sagt: „Ich bin sehr froh und dankbar, dass der Papst pastorale Wege öffnet.“ Das Kirchenrecht hinke der pastoralen Arbeit hinterher. „Die leibliche und psychische Zuordnung müssen nicht immer übereinstimmen. Irgendwo muss man all diese wissenschaftlichen Erkenntnisse auch annehmen.“ Er kenne viele, die diese Segnungen bereits im Stillen durchgeführt haben. Stiegler berichtet von einem ihn prägendes Erlebnis: „Eine junge Ministrantin hat mir gesagt, dass sie aufhören wird, sich in der Kirche weiter zu engagieren. Als Grund nannte sie mir, dass sie lesbisch ist und somit hier nicht reinpasse.“ Als Stiegler ihr seine weltoffene Sicht dazu erklärt habe, sei sie überglücklich gewesen. „Ich weiß durchaus um die seelische Not, die viele diesbezüglich haben.“

Pfarrer Beham: „In pastoraler Praxis nichts neues“

Der Königsdorfer Pfarrer Bernhard Häglsperger meint: „Ich finde nicht, dass sich durch diese Erlaubnis nun viel geändert hat.“ So oder so würde er zumindest in seelsorgerlichen Situationen keinem Menschen, der einen Segen möchte, diesen vorenthalten. „Ich stufe das Ganze eher als Klarstellung ein. Viel ändern wird sich dadurch nicht.“ Eine ähnliche Position nimmt der Wolfratshauser Pfarrer und scheidende Dekan Gerhard Beham ein. „In der pastoralen Praxis ist das nichts Neues. Menschen in den verschiedensten Situationen bitten um eine Segnung.“ In Rom habe man mit der Erklärung lediglich Unsicherheiten beseitigt. „Ich habe auch schon am Valentinstag Paarsegnungen angeboten. Da wusste ich ja auch vorher nicht, in welchen Konstellationen die jeweiligen Paare genau waren. Wären dann dort zwei Männer beisammen gesessen, dann hätten auch die einen Segen bekommen.“

Klare Abgrenzung zur kirchlichen Eheschließung

In welcher Form eine solche Segnung ablaufe, sei total individuell. „Da gibt es keine vorgefertigte Form für jede Lebenssituation.“ Beispielsweise habe er, Beham, schon bei einer Taufe einen Segen gegeben, zu der die biologische Mutter des Kindes mit ihrer Lebenspartnerin erschienen ist. Wichtig sei lediglich, keine sakramentale Eheschließung zu simulieren. Auch Häglsperger steht hinter der Theologie. Die besagt, dass hinter einer Ehe im katholischen Sinne der Wert der Familie stehe. „Bei der Ehe geht es darum, dass Leben weitergegeben wird.“

Pater Adrianus Nugroho aus dem Pfarrverband Egling sieht die „Fiducia supplicans“ als positives Zeichen. „Ich habe mich gefreut, dass die Kirche offener wird.“ Zwar habe er in seiner Zeit in Egling noch keine Anfragen von gleichgeschlechtlichen Paaren erhalten, doch bis 2016 war Pater Adrianus in Münster tätig. „In Städten hat das noch mal eine andere Bedeutung. Dort habe ich auch einmal im Monat einen Gottesdienst für queere Menschen gehalten“, berichtet er. „Trotzdem gibt es für mich noch einige Unklarheiten. Die Theorie klingt gut. Nun muss man zusehen, wie sich alles in der Praxis handhaben lässt.“ Dekan Thomas Neuberger wollte sich auf Anfrage unserer Zeitung nicht dazu äußern.

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Das sagt ein alt-katholischer Pfarrer zu dem Schreiben des Vatikan

Peter Priller ist Pfarrer der alt-katholischen Filialgemeinde Bad Tölz. Dazu ist er Vorsitzender des Vereins SchuTz – eine Gruppe von Schwulen und Lesben im Oberland, die sich für die Belange von Homosexuellen auf dem Land einsetzt. Vor knapp 30 Jahren wurde Priller wegen seiner homosexuellen Beziehung von der römisch-katholischen Kirche suspendiert, später exkommuniziert. Priller reagiert überrascht auf das Schreiben: „Aus der Sicht von Papst Franziskus betrachtet, war das sicher ein mutiger Schritt.“ Immerhin seien die stark konservativen Kräfte nicht zu unterschätzen. Noch dazu: „Wenn ich offiziell jahrhundertelang allen erzähle, welche sexuellen Handlungen alles eine Sünde sind, haut es natürlich nicht hin, das gleich alles über den Haufen zu werfen.“ Er betont: „Man darf in der ganzen Debatte nicht vergessen, dass über das, was wir heute unter Homosexualität verstehen, nichts Explizites in den Evangelien steht.“ Dennoch: Die „Fiducia supplicans“ könne, so Priller, „ein erster Schritt hin zu einem längst überfälligen Paradigmenwechsel in der römisch-katholischen Sexualmoral sein.“ Man müsse nun die Entwicklung weiter beobachten: „Gut möglich, dass alles wieder im Sand verläuft. Denn aus meinem Blickwinkel ist das alles sehr halbherzig formuliert.“ feb

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