„Brauchen von der Politik Verlässlichkeit“: Neues Führungsduo der Tölzer Stadtwerke kritisiert Verunsicherung bei Energiewende
Mit dem Ausbau des Nahwärmenetzes haben die Tölzer Stadtwerke 2024 in Bad Tölz im wahrsten Sinne viele Gräben aufgerissen. Heuer geht es laut Wolfgang Stahl und Andrea Abels ähnlich actionreich weiter.
Bad Tölz – Selten standen die Stadtwerke so im Fokus wie im Jahr 2024. Gefühlt war das kommunale Unternehmen an allen Ecken und Enden aktiv – und brachte mit seinen vielen Baustellen und den damit verbundenen Verkehrsbehinderungen in der Stadt auch einiges durcheinander. Für Schlagzeilen sorgten unter anderem eine mehrwöchige Sperrung der Nockhergasse für die Verbindung mehrerer Trafostationen, der erste Spatenstich der Wärme-Energie-Zentrale (WEZ) an der Lenggrieser Straße und die spektakuläre Querung der Isar mit Nahwärmeleitungen. Und mitten in diesem turbulenten Jahr wechselte auch noch die Geschäftsführung. Andrea Abels und Wolfgang Stahl übernahmen zum 1. Juli das Ruder von ihrem Vorgänger Walter Huber. Im Interview mit unserer Zeitung ziehen die beiden neuen Chefs Bilanz.
Sie haben mitten in bewegten Zeiten als Duo den Chefposten der Stadtwerke übernommen. War das ein Sprung ins kalte Wasser?
Andrea Abels: Leicht vorgewärmt war das Wasser schon. Der Vorteil war, dass wir uns nicht erst einarbeiten mussten, sondern inhaltlich dort weitermachen konnten, wo unser Vorgänger angefangen hatte.
Wolfgang Stahl: Wir haben schon gewusst, was uns erwartet. Wir sind jetzt in einer anderen Position, es sind andere Aufgaben, aber ich bin schon ein paar Tage bei den Stadtwerken.
Abels: Deine Dienstjahre kann ich zwar nicht ganz aufholen, aber über zehn Jahre bin ich auch schon dabei.
Ausbau der Nahwärme seit Jahren vorbereitet
Was war in diesem ereignisreichen Jahr der größte Schritt?
Abels: Der Ausbau der Nahwärme. Wir haben das Thema ja schon seit Jahren vorbereitet. Im April war der Spatenstich der Wärme-Energie-Zentrale. Man sieht, die Mauern wachsen aus dem Boden. Und ganz entscheidend war auch die erfolgreiche Verlegung der Nahwärmerohre in der Isar.
Stahl: Ja genau, dieser Zusammenschluss war der letzte große Schritt, um das Gebiet Südwest zu erschließen.

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Wie kommt es eigentlich, dass es für die Stadtwerke so ein volles Jahr war und gefühlt alles auf einmal ansteht?
Stahl: Das kommt alles nicht überraschend. Wir haben die beiden Versorgungsgebiete Südwest und Nordost. Dort müssen wir auf der einen Seite mit den Hausanschlüssen in die Gebäude reinkommen, um Wärme zu verkaufen, und auf der anderen Seite brauchen wir Heizkraftwerke, die diese Wärme erzeugen. Deswegen haben wir dieses Jahr den Ausbau so extrem vorangetrieben. Die Kunden brauchen von uns die Sicherheit, wann sie ihr Haus anschließen können. Sie müssen wissen, wann bei ihnen der Umbau stattfinden soll, wann sie den Installateur oder das Ingenieurbüro beauftragen müssen. Deswegen haben wir in unseren Verträgen Liefertermine eingestellt, und die wollen und werden wir tunlichst einhalten. Mit dem Einlegen des Isardükers ist jetzt die Hauptverbindung Südwest fast geschlossen. 2025 wird im Versorgungsgebiet Nordost die Verbindung aus dem Stadtgebiet in Richtung Heizwerk Lettenholz hergestellt.
Nächstes Jahr könnte es noch etwas ambitionierter werden.
Das heißt, nächste Jahr geht es genauso actionreich weiter?
Abels: Nächstes Jahr könnte es noch etwas ambitionierter werden.
Stahl: Wobei man zur Beruhigung der Tölzer Bürger sagen muss: Wir sind nicht mehr in der Innenstadt, wir bewegen uns Richtung Heizwerk rauf. Aber ja, wir haben schon noch einige neuralgische Punkte wie die Allgaustraße dabei, die noch mal für einen längeren Zeitraum gesperrt werden muss, das ist ein wunder Punkt, das wissen wir. Hier haben wir vom Straßenbauamt Weilheim die Auflage, dass wir mit allen Sparten fertig sein müssen, bevor der Bau der Nordspange beginnt, dann wollen die uns da nicht mehr sehen.
Abels: Was wir aber immer machen, ist, dass wir auch gleich Strom- und Wasserleitungen mit verlegen, wenn es notwendig ist, damit es nicht wieder nach ein paar Jahren geöffnet werden muss.
Gibt es von Kundenseite großes Interesse an einem Anschluss ans Nahwärmenetz?
Stahl: Unser Vertrieb ist ununterbrochen dabei, Angebote auszustellen. Die Leute sind neugierig und wollen wissen, wie das Ganze läuft. Letztlich ist das einzige Problem, die Verunsicherung, die jetzt eingetreten ist. Man weiß nicht genau, wie die nächste Bundesregierung agieren wird.
Wir können faire Preise machen und wir werden faire Preise machen. Wir sind keine anderen Stadtwerke, als wir es die letzten 125 Jahre waren.
Warum soll man sein Haus ans Nahwärmenetz anschließen?
Abels: Da ist unser hoher Anteil an regenerativer Wärmeerzeugung eines der größten Pfunde, die wir haben, denn das dient dem Klimaschutz. Und auch bei den Preisen können wir punkten.
Stahl: Der Anteil der regenerativen Wärmeerzeugung und der Preis hängen eng zusammen. Zum jetzigen Zeitpunkt erzeugen wir die Wärme ausschließlich mit Hackschnitzeln und Gasspitzenlastkesseln. Da schlägt noch die CO2-Strafsteuer für Gas auf den Erzeugerpreis. In der WEZ werden wir dagegen unsere Wärmepumpen mit eigen㈠erzeugtem PV-Strom betreiben. Das senkt die Preise, und das kommt dem Bürger zugute.
Es gibt auch Befürchtungen, als Nahwärmekunde liefere man sich den Stadtwerken als einer Art örtlichem „Monopolist“ aus. Was entgegnen Sie?
Stahl: Ja, wir sind in Bad Tölz der einzige Anbieter von Nahwärme, und das ist schon ein Grund, warum manche zögern. Aber wir können faire Preise machen, und wir werden faire Preise machen. Wir sind keine anderen Stadtwerke, als wir es die letzten 125 Jahre waren. Auch bei Gas, Wasser und Strom sind unsere Kunden preismäßig immer gut gefahren und haben sich sicher nicht über den Tisch gezogen gefühlt, das wird auch bei der Nahwärme so sein.
Abel: Man sollte auch daran denken: Beim Heizöl ist man den Ölkonzernen ausgeliefert
Stahl: Und das sind große Konzerne, die keinerlei Wert auf die Befindlichkeiten der Kunden legen. Wir dagegen sind vor Ort und nicht darauf ausgelegt, Riesengewinne abzuschöpfen. Wir wollen unsere Kunden am liebsten ein Leben lang an uns binden, und das soll auf der Basis gegenseitigen Vertrauens stattfinden.
Unsicherheit, wie es mit der Energiewende weitergeht
Gehen die Stadtwerke mit den hohen Investitionen auch stark ins Risiko?
Abel: Bei Nahwärme ist es so: Wir brauchen auf der einen Seite die Anschlussleistung, damit es sich lohnt zu bauen, auf der anderen Seite müssen wir bauen, damit wir die Kunden bekommen. Das ist ein Henne-Ei-Prinzip. Die Zeiten sind gerade günstig, weil Nachfrage da ist. Wir gehen mit dem notwendigen Respekt an die Sache.
Stahl: Jede Investition ist mit Risiko verbunden. Wir sind natürlich auf Gedeih und Verderb dem Markt ausgeliefert und auch der Bundesregierung. Wir wissen nicht, wie die Energiewende weitergeht.
Was wünschen Sie sich von der nächsten Bundesregierung?
Stahl: Der Wunsch wäre Stabilität in den politischen Zielen. Der Bürger weiß ja von einem Vierteljahr zum nächsten nicht, ob sich Gesetze ändern, ob umgeschwenkt wird und ob Zuschussregelungen sich verändern. Die Energiewende wurde eingeleitet mit sehr ambitionierten Zielen. Die meisten Energieunternehmen investieren hohe Millionenwerte. Dafür brauchen wir Verlässlichkeit.
Abel: Genauso muss der Kunde wissen, welche Kosten auf ihn zukommen und welche Fördermittel er bekommen kann. Da ist das Wichtigste eine gerade Linie.
Selbst passiert es uns übrigens auch manchmal, dass wir als Autofahrer vor der Baustelle stehen und sagen: Mensch, da hab ich jetzt gar nicht dran gedacht!
Was bekommen Sie für Rückmeldungen von den Bürgern. Sagen die: Lasst uns doch endlich in Ruhe mit Euren ständigen Baustellen? Oder wird auch gesehen, was der Sinn und Zweck dahinter ist?
Abels: Beides: Es gibt Leute, die Verständnis haben, die sehr freundlich und kooperativ sind und wissen, worum es geht. Es gibt aber auch die anderen Extreme, die überhaupt kein Verständnis haben und zwar einsehen, dass es notwendig ist, aber nicht vor der eigenen Haustür. Selbst passiert es uns übrigens auch manchmal, dass wir als Autofahrer vor der Baustelle stehen und sagen: Mensch, da hab ich jetzt gar nicht dran gedacht!
Sie selber wissen aber auch, warum Sie‘s tun. Was treibt Sie an, was motiviert Sie?
Stahl: Es motiviert mich, an den Veränderungen in der Stadt mitzuwirken. Über allem steht das große Stichwort CO₂-Einsparung. Heizungen sind ein großer Faktor beim CO₂-Ausstoß. Im Versorgungsgebiet Südwest sind wir schon so weit, dass wir alle dunkelroten Flecken im Energienutzungsplan der Stadt Bad Tölz erreichen – das sind sozusagen die großen CO₂-Verschmutzer, also große Gebäude mit großen Heizungen, die könnten wir bereits alle anschließen.
Abels: Das Thema Klimaschutz ist etwas, das uns alle beschäftigt und bei dem wir als Stadtwerke sehr viel tun können. Dabei können wir sowohl Unternehmen als auch Bürger mitnehmen.
Nahwärme ist bei den Stadtwerken ein dominantes Thema, aber nicht das einzige.
Stahl: Das zweite dominante Thema ist der Stromtrassenausbau. Jede Tankstelle, die heute eine Schnellladesäule installieren lässt, ist mit 500 KW oder teilweise mit 1 MW Leistung dabei. Und wenn man schaut, dass ganz Tölz 14 bis 15 MW Leistung braucht, dann wissen wir auch, wo wir uns die nächsten Jahre hinbewegen. Denn es gibt viele Tankstellen in Tölz und auch viele Tiefgaragen, wo die Leute eventuell Ladestrom benötigen, und jede Wallbox, die installiert wird, braucht eine gewisse Leistung. Das heißt, wir müssen jetzt Gas geben, damit wir in drei, vier, fünf Jahren, wenn das so kommt, bereit sind.
70 Prozent bei Strom und Gas Stadtwerke-Kunden
Wie sind die Stadtwerke insgesamt wirtschaftlich aufgestellt?
Abels: Wir sind wirtschaftlich sehr gut aufgestellt, haben eine gute Eigenkapitalquote und sind gerüstet für die Investitionen, die vor uns stehen. Wir sind bei Strom und Gas Grundversorger in Tölz. Ungefähr 70 Prozent der Verbraucher in Tölz werden von uns beliefert, das freut uns. Das Schöne ist aber auch, dass wir unterschiedliche Geschäftsfelder haben. Strom und Gas, Wasserversorgung, wir bauen jetzt ein großes Standbein, die Nahwärme, auf. Wir betreiben Eisstadion, Hallenbad und Freibad. Unsere Erzeugung im Isar-Kraftwerk und in den PV-Freiflächenanlagen nicht zu vergessen. Ist der Gewinn mal in einem Bereich nicht so hoch, kann sich das in Summe immer wieder ausgleichen. Das ist ein großer Vorteil. Die Mitarbeiterzahl haben wir in den letzten Jahren sukzessive erhöht, aktuell sind es 95.
Was sind noch große Zukunftsprojekte?
Stahl: Sobald wir wieder Kapazitäten haben, werden wir in die Planungsphase für Wärmepumpen in Fließgewässern einsteigen. Wir haben die Isar in Bad Tölz. Warum sollten wir das nicht nutzen? Es wird für uns immer neue, innovative Techniken geben, etwas, das man anpassen und vorantreiben muss, es hört nie auf. Das ist das, was einen so motiviert und das alles so kurzweilig macht.