Was ich über Arme und Reiche im Schwimmbad lerne, entsetzt mich
Wenn ein Badetag mit einer Rechnung beginnt: Ich steh nicht immer am Beckenrand. Oft auch vorne – am Eingang.
Dann seh ich, wie Kinder zuerst zu ihren Eltern schauen. Manchmal fragt eins:
„Zehnerkarte oder heute normal zahlen?“
Und du merkst sofort: Für manche Familien ist schon der Eintritt ein Thema.
Einmal fragt ein Junge:
„Wenn wir nur zwei Stunden bleiben, ist’s dann billiger?“
Ich hätt ihm gern gesagt: „Bleib einfach. Mach dir keinen Kopf.“
Aber ich durfte nicht. Tarif ist Tarif. Und der ist meist für den ganzen Tag.
- - Im Video - Bademeister: Manche Familien kommen nicht, weil sie wollen - sie müssen
Kleine Taschen – große Unterschiede
Zwei Gruppen kommen kurz nacheinander.
Die einen mit Kühltasche, Picknickdecke, Liegestühlen, bunten Schwimmringen.
Die anderen mit Rucksack. Keine Decke. Kein Sonnenschirm. Nur das, was sie tragen können.
Ein Kind verliert auf dem Weg zur Wiese eine Schwimmbrille. Sucht sofort wie verrückt.
Ein anderes ruft:
„Papa, ich will auch so eine!“
Der Vater antwortet leise:
„Wir haben doch deine alte.“
Und wieder merkst du: Die Unterschiede sieht man nicht nur – man spürt sie.
Was der Kiosk über Kindheit verrät
Am Kiosk stehen sie alle. Aber nicht alle kaufen.
Die einen bestellen Pommes, Slush-Eis, Wassermelone.
Die anderen zählen Centstücke und fragen, was ein Eis kostet.
Ein Mädchen dreht sich um, steckt das Geld zurück ein.
Sagt: „Ist nicht schlimm.“
Aber in ihren Augen steht was anderes. So ein Freibadtag zeigt Kindern: Wer hat – und wer nicht.
Wenn Armut sichtbar wird, obwohl niemand was sagt
Ein Junge steht vorm Automaten. Die Cola kostet 2,50 Euro.
Er zögert. Drückt dann doch den Knopf.
Der Becher kippt. Die Hälfte läuft daneben.
Er schaut nur.
Und sagt: „Macht nix.“
Aber es macht was.
Weil für ihn jeder Euro zählt.
Wie Kinder miteinander umgehen
Kinder sind ehrlich. Brutal ehrlich.
Ein Junge sagt zu einem anderen:
„Du kriegst nie was!“
Der lacht erst. Dann zieht er sich zurück. Und du siehst: Das trifft. Nicht das Eis fehlt. Sondern das Gefühl, dazuzugehören.
Einmal fragt ein Kind ein anderes:
„Darf ich mal bei dir mitspielen?“
Die Antwort:
„Nur wenn du auch so’n Ring hast.“
Und wieder spürst du, wie viel Wert an so einem Tag an Dingen hängt.
Ralf Großmann wuchs im Schwimmbad auf und lebt Bäderbetrieb seit Kindheitstagen. Auf H2ohero.de teilt er seine Erfahrung aus deutschen Bädern – authentisch, alltagsnah und mit Herz für Sicherheit und Qualität. Er ist Teil unseres Experts Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Wenn Ferien nicht gleich Freiheit bedeuten
In den Ferien sieht man’s noch mehr. Die einen erzählen von Spanien, Kroatien, Italien.
Die anderen sagen:
„Wir sind einfach hier.“
Und du merkst: Für manche ist das Freibad der Urlaub. Einmal am Tag raus. Mal lachen, mal rutschen, mal nicht an alles denken.
Was Eltern tun, um es trotzdem schön zu machen
Ich seh sie oft – die Mütter, die Brotdosen liebevoll vorbereiten. Die Väter, die mit alten Handtüchern Schattenplätze suchen.
Die Familien, die sagen:
„Ist doch schön hier.“
Und es meinen. Weil sie das Beste draus machen. Aber du merkst auch: Sie wissen, dass es nicht reicht. Dass das Freibad heute ein Ort ist, an dem Unterschiede sichtbar werden. Nicht durch Worte. Sondern durch Blicke, Gesten, Pausen.
Wasser ist ehrlich
Im Wasser verschwimmt manches. Aber nicht alles. Markenbadehosen, teure Schwimmbrillen, iPhones in wasserdichten Hüllen – sie zeigen sich.
Genauso wie ausgelatschte Crocs, alte Shirts und der Blick nach dem Eisstand.
Und das prägt. Vor allem die, die noch klein sind. Die vergleichen, ohne zu wissen, was sie da tun.
Die merken: Ich hab weniger.
Und manchmal: Ich bin weniger.
Was ich daraus lerne
Ich hab lange gebraucht, das zu verstehen. Weil ich dachte: Freibad ist für alle. Aber es stimmt nicht mehr.
Ich lerne: Wir müssen hinschauen. Still. Mitfühlend. Ohne Vorwurf. Denn jedes Lächeln am Beckenrand erzählt auch von dem, was fehlt.
Und manchmal reicht es, wenn man einfach da ist. Sieht, was andere nicht sehen wollen. Und erkennt:
Freibäder sind Spiegel – nicht nur für den Sommer. Sondern für unsere Gesellschaft.
Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.