Bademeister: Wenn wir heute Kinder ermahnen, kriegen wir schnell was zu hören
Wer ins Freibad geht, sucht Erholung. Wasser, Sonne, vielleicht Pommes rot-weiß in der Pause – so stellen wir uns alle einen Sommertag vor. Doch damit das funktioniert, braucht es Regeln. Sie heißen Haus- und Badeordnung.
Viele überfliegen sie, manche verdrehen die Augen, andere kennen sie gar nicht. Aber sie sind verbindlich. Mit dem Lösen der Eintrittskarte erkennt jeder Badegast sie an. Nicht, weil wir es wollen – sondern weil es gesetzlich so geregelt ist.
Die Haus- und Badeordnung dient der Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit im gesamten Bereich des Bades. Sie ist kein starres Papier, das im Ordner verstaubt, sondern Grundlage für den Alltag. Dort steht, warum man nicht rennen soll, warum Glasflaschen verboten sind, warum die Rutsche nicht in Bauchlage genutzt werden darf.
Ralf Großmann wuchs im Schwimmbad auf und lebt Bäderbetrieb seit Kindheitstagen. Auf H2ohero.de teilt er seine Erfahrung aus deutschen Bädern – authentisch, alltagsnah und mit Herz für Sicherheit und Qualität. Er ist Teil unseres Experts Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Für Kinder mag das wie eine Schikane wirken. Für uns ist es Vorsorge. Wer einmal erlebt hat, wie ein Kind beim Rennen am Beckenrand stürzt und mit dem Kopf aufschlägt, weiß, dass eine einzige Sekunde alles verändert. Genau deshalb greifen wir ein.
Wenn wir heute Kinder ermahnen, kommt das nicht mehr gut an
Früher war das anders. Die Regeln gab es auch schon, aber vieles hat sich im Miteinander geregelt. Man passte gegenseitig auf. Der ältere Badegast ermahnte die Kinder, die Mutter schaute auch mal nach dem fremden Sohn, und viele Konflikte lösten sich sozial.
Heute ist dieses Netz schwächer geworden. Wir erleben öfter: Jeder schaut nur auf sich. Und wenn wir als Personal einschreiten und Kinder ermahnen, dann kommt das oft nicht gut an, dann heißt es schnell: „Lasst die Kinder doch, die wollen nur spielen.“ Doch wir tragen die Verantwortung – und niemand sonst.
Wir können nicht sagen: „Heute schauen wir mal nicht so genau hin“
Ein Beispiel: Kinder rutschen in Bauchlage. Für sie ist es ein Spaß, für uns bedeutet es Risiko. Ein Sturz, ein ausgeschlagener Zahn, eine Verletzung – und schon wird gefragt: „Warum haben Sie das erlaubt?“
Viele unterschätzen, dass wir im schlimmsten Fall wegen grober Fahrlässigkeit belangt werden können, wenn wir bewusst wegschauen. Das heißt: Nicht die Kinder, nicht die Eltern, sondern wir stehen dann im Fokus. Und genau deshalb greifen wir ein, auch wenn es manchmal unpopulär ist.
Als Fachangestellte für Bäderbetriebe oder Bademeister haben wir nicht die Freiheit zu sagen: „Heute schauen wir mal nicht so genau hin.“ Jeder Unfall wird geprüft. Jedes Wegschauen kann uns im Nachhinein zum Vorwurf gemacht werden.
Regeln, die geduldet werden, gelten schnell als aufgehoben. Das wissen auch Juristen. Und deshalb sind wir verpflichtet, konsequent zu bleiben – auch wenn wir manchmal das Gefühl haben, Spielverderber zu sein.
Bademeister deutlich: Wir verhindern Unfälle, bevor sie passieren
Rennen auf nassen Fliesen, Ballspielen im Schwimmerbecken, laute Musikboxen mitten auf der Liegewiese – all das erleben wir täglich. Und jedes Mal stehen wir vor der Entscheidung: durchgehen lassen oder einschreiten.
Wer nur den einen Moment sieht, denkt: „Warum so streng?“ Wer das große Ganze kennt, versteht: Wir verhindern Unfälle, bevor sie passieren.
Ich erinnere mich an Situationen, in denen Kinder beim Bauchrutschen auf der Rutsche die Zähne ausgeschlagen haben. Sekunden vorher hätten wir noch rufen können. Sekunden später war es zu spät. Solche Erlebnisse prägen.
Die Freude der Kinder braucht Rahmenbedingungen
Es geht nicht darum, Spaß zu verbieten. Im Gegenteil. Ein Bad lebt von Freude, von Leichtigkeit, vom Lachen der Kinder. Aber diese Freude braucht Rahmenbedingungen. Nur wenn Sicherheit gewährleistet ist, bleibt der Tag unbeschwert. Regeln sorgen nicht dafür, dass weniger Freude entsteht – sie sorgen dafür, dass sie ungestört bleiben kann.
Mir ist wichtig, das auch positiv zu sagen: Unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort leisten Großes. Sie haben den Mut, Unangenehmes anzusprechen, sie bleiben freundlich, auch wenn es Kritik hagelt. Viele Badegäste sehen das nicht.
„Wir sind heute mehr als Bademeister – wir sind Gastgeber, Helfer, Technikprofis und manchmal auch einfach Zuhörer“
Doch ohne diese Konsequenz würde ein Freibad schnell zum Chaosplatz. Deshalb danke ich allen, die Tag für Tag aufstehen, hinsehen, eingreifen – und damit dafür sorgen, dass alle anderen entspannen können.
Ein langjähriger Kollege hat es bei seiner Verabschiedung so gesagt: „Wir sind heute mehr als Bademeister – wir sind Gastgeber, Helfer, Technikprofis und manchmal auch einfach Zuhörer.“ Genau das bringt es auf den Punkt. Der Beruf hat sich verändert. Die Verantwortung ist groß, die Anforderungen vielfältig. Aber darin steckt auch Sinn: Wir schaffen Orte, an denen Menschen sicher und mit Freude ihre Zeit verbringen können.
Sehen Sie die Regeln nicht als Einschränkung, sondern als Einladung
Die Haus- und Badeordnung ist keine lästige Liste. Sie ist ein Schutzschild – für Gäste, für Personal, für den gesamten Betrieb. Früher hat das soziale Miteinander vieles abgefangen. Heute müssen wir Regeln klarer durchsetzen. Aber das Ziel ist dasselbe geblieben: ein sicherer Ort, an dem Menschen Spaß haben, schwimmen lernen, trainieren oder einfach die Sonne genießen.
Darum mein Appell: Sehen Sie die Regeln nicht als Einschränkung, sondern als Einladung. Denn nur mit ihnen bleibt das Freibad, was es sein soll – ein Ort der Freude, des Sports, der Erholung. Und wenn wir alle ein kleines Stück Verantwortung übernehmen, können wir das tun, was wir am liebsten machen: ein Bad gestalten, das für alle da ist.