Was ich über Arme und Reiche im Schwimmbad lerne, entsetzt mich als Bademeister

Da steht er wieder. Dienstagnachmittag. Ich komme gerade aus dem Kurs, da sehe ich ihn wieder: den Vater, der jede Woche pro Kurseinheit 45 Kilometer einfach fährt, damit sein Sohn schwimmen lernen kann. Thermoskanne in der Hand, Mütze tief ins Gesicht gezogen.

"Servus", sagt er. Ich nicke. Und denke mir: Was läuft hier eigentlich schief?

Die Schwimmkurse sterben – nicht der Bedarf

Ich bin Schwimmtrainer. Und Vater. Und ich sehe, wie sich die Lücken auftun. Es fehlen nicht die Kinder – es fehlt das Angebot. Bäder wurden geschlossen. Kurse gestrichen. Wartelisten immer länger. Und irgendwann geben die Familien auf. Dann lernen die Kinder nie schwimmen.

Corona? Spüren wir bis heute

In der Pandemie waren die Bäder zu – und tausende Kinder haben damals die Chance verpasst, schwimmen zu lernen. Da wurde nichts nachgeholt. Da wurde einfach weitergemacht. Die Lücke ist geblieben. Und das merken wir jetzt. Tag für Tag.

Schwimmkurse nur für reiche Kinder?

Was Eltern erzählen:

"400 Euro für einen Kurs – das kann ich mir gerade nicht leisten."

"Für den Schwimmkurs muss ich jedes Mal weite Strecken mit dem Auto zurücklegen."

"Wir haben überall angerufen – nichts frei."

"Ich hab’s aufgegeben. Mein Sohn geht halt nicht mehr hin."

Solche Sätze höre ich fast täglich. Und dahinter stehen echte Menschen. Eltern, die alles versuchen – und irgendwann kapitulieren. Nicht, weil sie nicht wollen. Sondern weil das System sie hängen lässt.

Ich hab's versucht – ehrlich. Ich habe Kurse aufgebaut, nach der Arbeit noch Termine organisiert, Schwimmzeiten gesucht. Nicht, weil es sich "lohnt". Sondern weil ich weiß, wie wichtig es ist. Aber leicht war es nie.

Was hängen bleibt? Meistens das Handtuch

Ich gebe oft sonntags Kurse. Während andere frei haben, stehe ich am Beckenrand. Was bleibt übrig? Nicht viel. Denn alles kostet: Hallenmiete, Versicherung, Material.

Und dann kommt das Finanzamt. Ob du frierst, ob du Stunden mit Kindern im Wasser verbringst – interessiert keinen. Was zählt, ist die Zahl auf dem Papier. Ich bin Unternehmer. Ich zahle meinen Teil. Aber manchmal bleibt da mehr Frust als Lohn.

Eine Geschichte, die mich besonders beschäftigt

Ein Bürgermeister wollte, dass ich Kurse in seinem Bad anbiete. Ich war offen – bis ich hörte, was ich dafür zahlen soll. Keine realistische Grundlage. Kein Entgegenkommen. Ich hab nichts gesagt – nur gedacht: So werden wir nie vorankommen.

Die Eltern wollen. Die Kinder sowieso. Aber es gibt zu wenig Wasserfläche, zu wenig Personal, zu viel Bürokratie. Und die, die helfen wollen, werden oft ausgebremst.

Was es jetzt braucht

Wir brauchen keine großen Reden mehr, sondern pragmatische Lösungen. Kommunen könnten Belegzeiten flexibler freigeben. Trainer, die selbstständig arbeiten, sollten nicht wie Unternehmen mit Sitz und Chefetage behandelt werden.

Und das Finanzamt dürfte ruhig mal genauer hinschauen, wem es da gerade die letzten Reserven nimmt. Am Ende geht es nicht um Luxus. Es geht um Sicherheit.

Und um Kinder, die es verdienen, schwimmen zu lernen – ohne Umwege, ohne Wartezeit, ohne Ausrede.

Wir verlieren etwas – und merken es erst, wenn’s zu spät ist

Ein Schwimmkurs ist kein Hobby. Es geht um Sicherheit, Mut, Selbstständigkeit. Ein Kind, das schwimmen kann, kann überleben. Das ist nicht übertrieben – das ist Alltag. Wir dürfen das nicht weiter verschlafen.