Russland-Expertin analysiert: Aus drei Gründen greift Putin nicht in Iran-Krieg ein
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Nach den US-Luftschlägen auf iranische Atomanlagen wächst in Teheran der Druck, internationale Unterstützung zu mobilisieren – vor allem aus Russland. Außenminister Abbas Araghtschi reiste am Montag nach Moskau, um Kremlchef Wladimir Putin zu treffen.
Kann Russland den Iran jetzt unterstützen?
Die Lage habe sich durch die US-Angriffe "weiterentwickelt, und ich werde das weitere Vorgehen besprechen", erklärte Araghtschi. Russland habe in den vergangenen Tagen zusammen mit China versucht, eine Resolution im UN-Sicherheitsrat für ein Ende des Iran-Israel-Kriegs vorzubereiten.
Doch wie realistisch ist es wirklich, dass Russland militärisch an die Seite des Irans tritt? Für Dara Massicot, Russland-Expertin am Carnegie Endowment for International Peace in Washington, ist die Antwort klar: Russland hat nur äußerst begrenzte militärische Möglichkeiten, dem Iran in diesem Konflikt zu helfen – und das aus mehreren Gründen. In einer ausführlichen Analyse auf X erklärt sie, warum:
1. Der Ukraine-Krieg bindet Ressourcen
Ein zentraler Punkt in Massicots Analyse ist die massive Belastung des russischen Militärs durch den Krieg gegen die Ukraine: "Russische Luftabwehrsysteme sind stark in den Krieg in der Ukraine eingebunden und schützen kritische Infrastruktur und Luftwaffenstützpunkte in Russland", so die Expertin.
Russlands modernste Luftabwehrsysteme, wie etwa die S-300 und S-400, würden bereits zur Verteidigung des eigenen Luftraums eingesetzt – ebenso wie Frühwarnsysteme und große Teile der Luftwaffe. Eine Umverteilung solcher Systeme in den Iran wäre laut Massicot aber möglich gewesen – zumindest in kleinem Maßstab.
Doch daran hatte Putin offensichtlich wenig Interesse: "Hätte Russland eine einzelne Batterie in den letzten Monaten entbehren können? Ja. Haben sie es getan? Ich denke nicht."
2. Keine realistische Luftwaffen-Intervention
Russland hätte, so Massicot, auch Kampfflugzeuge in den Iran verlegen können, wie früher nach Syrien. Doch anders als dort müsste Moskau heute versuchen, israelische Angriffe auf iranisches Gebiet zu erschweren – und dazu sei die russische Luftwaffe nicht in der Lage: "Die russische Luftwaffe könnte keine Flugverbotszone durchsetzen – nicht vor dem Krieg in der Ukraine und jetzt erst recht nicht."
Ein Grund: Die russischen A-50-Aufklärungsflugzeuge sind laut der Expertin stark beansprucht oder bereits zerstört. Zudem fehle Russland eine funktionierende Tankerflotte, um Langzeiteinsätze in fremdem Luftraum durchzuführen.
3. Logistikprobleme beim Waffentransport
Auch der Transport von Waffen in den Iran ist laut Massicot problematisch. Möglich wäre eine Route über das Kaspische Meer – doch auch das ist nicht risikofrei: "Könnte Russland – wie in Syrien – Waffenlieferungen über Marineschiffe schützen? Technisch ja. Aber mit Risiko."
Die israelische Armee habe in der Vergangenheit wiederholt russische Waffentransporte ins Visier genommen, sobald sie in Mittelmeerhäfen entladen wurden – egal ob von Kriegsschiffen oder Frachtern.
Was Russland dennoch tun könnte
Trotz aller Einschränkungen sieht Massicot begrenzte indirekte Möglichkeiten, mit denen Russland den Iran oder dessen Stellvertreter unterstützen könnte: Russland produziert derzeit monatlich rund 1000 bis 2000 Shahed-/Geran-Drohnen – viele davon basierend auf iranischem Design.
Einen Teil davon könnte laut Massicot an den Iran oder an pro-iranische Milizen geliefert werden: "Drohnen sind vermutlich die am leichtesten verfügbare Option, die Russland liefern könnte", so die Expertin. "Iran könnte sie dann an seine Stellvertreter weitergeben, um israelische oder amerikanische Ziele anzugreifen."
Russland könnte außerdem Zielinformationen oder moderne Anti-Schiff-Raketen (ASCMs) an Huthi-Rebellen oder andere Gruppen liefern, um die israelische Marine oder westliche Kriegsschiffe im Roten Meer und Golf von Aden zu bedrohen.
Massicot verweist auch auf das Kontayner-Radar, ein über den Horizont arbeitendes russisches Frühwarnsystem. Damit könnte Moskau dem Iran ein Luftlagebild zur Verfügung stellen – zumindest theoretisch.
Putin: Ein Iran-Partner ohne Rückgrat?
Doch auch wenn Russland punktuell militärisch unterstützen könnte – eine eindeutige Stellungnahme Putins an der Seite Irans bleibt bislang aus. Zwar haben Moskau und Teheran im Januar eine "strategische Partnerschaft" unterzeichnet – doch dieser Vertrag verpflichtet nicht dazu, dem anderen im Falle eines Angriffs militärisch beizustehen. Eine sogenannte Beistandsklausel, wie sie etwa in der Nato gilt, fehlt.
Anstelle eines militärischen Schulterschlusses mit Iran verfolgt Moskau offenbar vor allem eigene strategische Interessen. Aus Sicht vieler Analysten ist der Iran-Israel-Krieg für Putin eine geopolitisch willkommene Entwicklung: Er lenkt von der Ukraine ab, lässt die Ölpreise steigen – und könnte Russland in diplomatische Schlüsselrollen drängen. "Die Iraner werden sehr schnell herausfinden, dass Putin nicht nur ihnen nicht helfen kann, sondern auch nicht helfen will", sagte Politikforscher Maximilian Terhalle zu "ZDF heute".
Putin pflegt zudem eine langjährige persönliche Beziehung zu Israels Premier Benjamin Netanjahu, mit dem er laut "Spiegel"-Informationen zuletzt ebenso telefonierte wie mit Irans Präsident Masoud Pezeshkian. Sein Zögern, Iran offen militärisch zu helfen, könnte also auch taktisch motiviert sein – etwa als Faustpfand für spätere Verhandlungen mit Trump im Ukraine-Krieg.