Eine fast normale Bürgerversammlung

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Ungewöhnlich viele Besucher hatten sich am Donnerstagabend zur jährlichen Bürgerversammlung der Gemeinde Warngau im Gasthof Zur Post eingefunden. Auch Polizei war vor Ort. © THOMAS PLETTENBERG

Etwa 100 Besucher hatten diesmal in den Saal des Gasthofs Zur Post gefunden – ungewöhnlich viele für eine reguläre Bürgerversammlung in Warngau. Sie erfuhren Neues zum Thema Asyl. Kritik wurde auch diesmal laut – aber ohne Trillerpfeifen, Gejohle und Gekeife.

Ein Streifenwagen vor der Tür, zwei Polizisten am Einlass, wo Rathaus-Mitarbeiter kontrollierten, ob es sich bei den Besuchern auch um Bürger der Gemeinde handelt: Die reguläre Bürgerversammlung in Warngau hat am Donnerstagabend unter besonderen Vorzeichen stattgefunden. Die Gemeinde hat aus den Erfahrungen bei der Infoveranstaltung zur Asylunterkunft an der Vivo im Februar ihre Lehren gezogen. Dafür musste sie auch Kritik einstecken.

Ärger über Polizeipräsenz

„Ich find‘s so schade in Warngau, dass wir Bürgerversammlung machen müssen mit Polizeischutz“, meldete sich Peter Klaus zu Wort, nachdem ihm Rathaus-Mitarbeiter Eddy Biyogho das Mikrofon gereicht hatte. Klaus empfand die Präsenz als Provokation: „Sind wir so gewalttätig, dass wir einen Polizeischutz brauchen?“ Das rege ihn furchtbar auf. Wichtigere Probleme würden dagegen verharmlost. „Jetzt sag bloß, dass wir aggressiv sind“, wandte er sich an Rathauschef Klaus Thurnhuber.

Der Bürgermeister stellte klar, dass er die Entscheidung getroffen habe, die Polizei hinzuzuziehen: „Ganz einfach, weil wir schon eine Bürgerversammlung hier drinnen hatten, so eine möchte ich nie wieder erleben.“ Dafür erntete er lauten Applaus. Thurnhubers Eindruck mochte Klaus allerdings nicht teilen: „Das, was da im Saal abgelaufen ist, das war ganz normal. Wir haben nur gesagt, 500 Leute sind für Warngau zu viel.“ Einige stimmten Klaus da zu, andere intervenierten dagegen laut. Thurnhuber erklärte noch einmal: „Ich möchte, dass wir eine ganz normale Bürgerversammlung haben, wo wir diskutieren mit den Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde Warngau und nicht mit irgendwelchen, die von außen irgendeine Idee haben und vielleicht sogar noch hetzen.“

Kirche prüft Neubau

Tatsächlich verlief die reguläre Bürgerversammlung diesmal wieder in ruhigen Bahnen, auch wenn sich nicht alle der ungewöhnlich vielen Besucher – etwa 100 waren dabei – immer einig waren. So wurde auch eine Information von Pfarrer Gottfried Doll unterschiedlich aufgefasst: Er erklärte, dass die Kirche Möglichkeiten prüfe, auf dem Areal neben dem Pfarrheim und dem Kindergarten St. Johann am Bergfeld, wo einige Jahre eine Container-Unterkunft für 50 Asylbewerber stand, ein festes Wohnhaus zu errichten. Dieses könne zunächst ein Obdach für Geflüchtete bieten und langfristig günstigen Wohnraum für die Bürger. Eine nachhaltigere Lösung als Container-Unterkünfte. Das Grundstück hatte die Pfarrpfründe-Stiftung für ein solches Projekt auch schon dem Landratsamt angeboten, das allerdings abwinkte: „Sie bauen selber nichts, weil sie nur Geld für Miete bekommen“, erklärte Doll. Der Leiter des Pfarrverbands Holzkirchen-Warngau hat die Idee inzwischen an das Ordinariat weitergeleitet. Eine endgültige Antwort stehe noch aus. Doll denkt an ein Modell öffentlich-privater Kooperation. Er habe auch Kontakt zu zwei Personen, die ernsthaftes Interesse an einer Realisierung hätten. Vorgabe des Ordinariats wäre eine öffentliche Ausschreibung, so Doll.

Wohnraum für Geflüchtete und Einheimische? Die Kirche erwägt einen Neubau am Bergfeld – ohne Container.
Wohnraum für Geflüchtete und Einheimische? Die Kirche erwägt einen Neubau am Bergfeld – ohne Container. © THOMAS PLETTENBERG

Kritik an Unterkunft

Diese Pläne sah ein Bürger aus der Nachbarschaft, der sich in der Versammlung zu Wort meldete, kritisch. „Ich habe das sieben Jahre erlebt“, erinnerte er an die Zeit der Containerunterkunft, in der 50 Asylbewerber Platz fanden. Es sei nicht richtig, dass es dort keine Vorfälle gegeben habe. Die Polizei habe dort viele Einsätze gehabt, von Schlägereien war die Rede. Er verwies auf Meldungen von Gruppenvergewaltigungen und Morden in der bundesweiten Kriminalitäts㈠statistik. „Warngau hat genug gemacht jetzt“, fand er. „Ich halte gar nichts davon, da oben neben dem Kindergarten.“

Dritte Bürgermeisterin Andrea Anderssohn, die seinerzeit vom ersten bis zum letzten Tag der Containerunterkunft am Bergfeld den ehrenamtlichen Asylhelferkreis leitete und jeden Tag persönlich vor Ort war, wollte diese Darstellung nicht stehen lassen. „Ja, es gab Polizeieinsätze, aber niemals Bedrohlichkeiten gegen Leib und Leben, und niemals musste ein Warngauer Bürger Sicherheitsbedenken oder Angst haben“, betonte Anderssohn. Wer Genaueres zu den Abläufen im Container wissen wolle, dürfe gerne bei ihr nachfragen. Aber: „Ich finde es eine ganz ungeheuerliche Verallgemeinerung, Dinge, die tatsächlich auf der Welt passieren, in Verbindung zu bringen mit unseren Leuten, die nichts gemacht haben.“

Helferkreis im Aufbau

Auch für die Großunterkunft an der Vivo für bis zu 500 Personen, für die ab Montag die Container geliefert werden, ist wieder ein Helferkreis mit Ehrenamtlichen geplant. Lisa Richters von der Caritas und Barbara Bucher vom Verein Hilfe vom Mensch zu Mensch, die mit der professionellen Asylsozialarbeit in den Unterkünften im Landkreis beauftragt sind und auch die Arbeit der Ehrenamtlichen unterstützen, stellten sich in der Bürgerversammlung vor. „Wir sind dabei, neue Strukturen in Warngau aufzubauen“, erklärte Richters, regelmäßige Treffen und Schulungen liefen bereits. Richters machte auch deutlich: „Wir haben noch keine Erfahrung mit einer Unterkunft dieser Größenordnung.“ Wer sich engagieren wolle, antwortete Richters auf eine Anfrage zur Bürgerversammlung, könne über die Gemeinde mit ihr Kontakt aufnehmen.

Die Unterkunft, so hatte Thurnhuber aktuell vom Landratsamt erfragt, soll Ende Dezember fertig sein. Realistischerweise sei Anfang 2025 mit dem Bezug zu rechnen. Etwa 50 Personen sollen pro Woche ankommen, Kinder seien nun nicht vorgesehen. Es werde geklärt, ob ein Shuttlebus für die Berufstätigen zum Bahnhof eingesetzt werden könne. (Weitere Berichte folgen.)

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