Mehr Treffpunkt als Supermarkt: Abfüllerei will mit mehr Gastronomie neu durchstarten
Viel Optimismus begleitete vor zwei Jahren die Gründung der Genossenschaft und die Eröffnung des Ladens. Doch die Holzkirchner Abfüllerei mit ihrem ambitionierten Unverpackt- und Biokonzept landete schnell auf dem harten Boden des Wettbewerbs. Nur mit Mühe gelang es, das Projekt über Wasser zu halten. Ein Strategiewechsel soll das Blatt wenden: Die Abfüllerei setzt stärker auf Gastronomie und will mehr Treffpunkt als Supermarkt sein.
Holzkirchen – Es war fünf vor Zwölf, als die Genossenschaftsmitglieder der Holzkirchen-Unverpackt eG im April zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenkamen. Nach dem Rückzug der Interims-Vorstände Christine Hense und Birgit Oeder und weiter wackeligen Umsatz-Prognosen mussten neue Vorstände her. „Das Konzept stand vor dem Aus“, räumt Hannes Schißler ein. Der katholische Pfarrer, wohnhaft in Holzkirchen, war damals noch normales Genossenschaftsmitglied. Der 53-Jährige erbat sich einige Tage Bedenkzeit – und ließ sich dann auf Herausforderung ein. Zusammen mit dem Informatiker Andreas Felme übernahm er die ehrenamtliche und schwere Aufgabe, als Vorstände die Abfüllerei wieder auf Kurs zu bringen.
Dass es ein neuer Kurs wird, ist in den Räumen an der Münchner Straße unübersehbar. Marktleiterin Katharina Probst (38) verdichtete das Lebensmittel-Sortiment und räumte Platz frei für mehr Sitzplätze. „Plastikfrei einkaufen ist das eine“, sagt Probst, „aber wir haben gemerkt, dass die Leute gerne einen Treffpunkt mit Gastro-Angebot dabei hätten.“ Deswegen gibt es jetzt 26 Sitzgelegenheiten, um den vegetarischen Mittagstisch auszubauen und mehr Publikum, auch zur Kaffeezeit, in den Laden zu ziehen. Ein Strategiewechsel, den auch die Zahlen empfehlen: Zwar macht der Lebensmittelverkauf zwei Drittel des Umsatzes aus; es sind aber die Gewinne des Cafés, die das Abfüllerei-Konzept tragen.
Und Schißler setzt künftig noch konsequenter die Gastro-Schiene. Er hat eine Ausschank-Konzession und Gaststätten-Erlaubnis beantragt, um auch nach 20 Uhr öffnen und Alkohol ausschenken zu dürfen. „Ich rechne mit den Genehmigungen noch vor Weihnachten.“ Das würde Möglichkeiten eröffnen, die Abfüllerei als kleine Veranstaltungs- und Kulturbühne zu etablieren.
Finanziell getragen wird das gesamte Konzept von einem Privatkredit „einer uns wohlgesonnenen Person“, wie Schißler erklärt. Dringend geboten war aber auch, dass nach der Krise im Frühjahr (Probst: „Es wusste ja niemand, ob es weitergeht“) die Lager wieder gefüllt wurden. Die derzeit 160 Genossenschaftsmitglieder zeichneten zusätzliche Anteile im Wert von je 150 Euro, um mit insgesamt 6500 Euro frischen Kapitals einen Neustart zu ermöglichen. „Ohne das wäre es nicht gegangen“, räumt Schißler ein. Die Verantwortlichen setzen außerdem auf einen steigenden Absatz der Abo-Karten: Kunden laden die Karte per Dauerüberweisung auf und können mit dem Guthaben einkaufen. „Das Geld verfällt nicht und wir haben planbare Einnahmen“, erklärt Schißler.
Im Team arbeiten zwei Teilzeit-Angestellte sowie vier Minijobber und 15 bis 20 Ehrenamtliche, darunter die beiden Vorstände. Um Personalkosten zu sparen, bleibt am Montag und Dienstag geschlossen. Beim Einkauf der Waren wird jetzt darauf geachtet, tagesaktuell günstige Preise abzugreifen. „Das bringt auch 250 Euro jeden Monat“, sagt Schißler.
Unerfüllt blieb die Erwartung, dass die Lage in der Münchner Straße Laufkundschaft anlockt. „Wir sind auf der falschen Straßenseite gelandet“, glaubt Probst. Die Ortsdurchfahrt gleich nebenan ist laut, die Parkplätze auf der anderen Straßenseite erfordern einen kleinen Fußmarsch. „Das sind die Leute nicht gewohnt“, sagt Probst, „die kaufen einmal die Woche groß ein und erwarten dafür einen Parkplatz vor der Tür und ein Einkaufswagerl.“ Es brauche noch Zeit, um die Kunden zu motivieren, anders und entschleunigt einzukaufen – so wie in der Abfüllerei. „Wir sind nicht überm Berg“, warnt Schißler, „aber es gibt wieder Hoffnung.“
Veranstaltungsreihe zum zweijährigen Bestehen
Zum zweijährigen Bestehen hat die Abfüllerei eine kleine Veranstaltungsreihe auf die Beine gestellt. Eröffnet wird die Reihe am Freitag, 15. November, ab 18 Uhr mit einer Offenen Bühne für Kleinkunst und Musik. Am Samstag, 16. November, werden Blumenvasen und Gestecke gestaltet (ab 13 Uhr). Wie ätherische Öle das Immunsystem schützen, zeigt Martina Passreiter am 21. November von 17 bis 18 Uhr. Am 22. November ist ab 16 Uhr Salonmusik mit der Feilnbacher Bergwachtmusi angesagt. Familien können am 23. November zum Plätzchen-Verzieren vorbeischauen. Bei einer Weihnachtsbastelei am 30. November werden Geschenkpapier und Stoffbeutel gestaltet. Zum Abschluss am Samstag, 7. Dezember, lädt das Team von 10 bis 12 Uhr zu einem Brunch mit Harfenistin Eva Frauenrieder ein.
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