„Muss die Bremse ziehen“: Münsings Bürgermeister hört auf - Er hat noch Ziele

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Der Abschied naht: Michael Grasl geht in seine letzten eineinhalb Jahre als Münsinger Bürgermeister. © Sabine Hermsdorf-Hiss

In dieser Gemeinde jagt ein Projekt das nächste: Seniorenstift, Bürgerhaus, Verkehrsberuhigung am Starnberger See - Münsings Bürgermeister spricht über Ziele.

Münsing - Bürgermeister Michael Grasl (Freie Wähler) hat bereits angekündigt, dass er bei den Kommunalwahlen 2026 nicht mehr antreten wird. Nach 21 Jahren im Amt ist es für den 57-Jährigen Zeit, sich aus der Politik zurückzuziehen. Es habe sich vieles verändert, sagt er – und das „eher zum Komplizierten“. Auf 2024 blickt Grasl relativ zufrieden zurück. In den verbleibenden knapp eineinhalb Jahren bis Ende April 2026 möchte er vor allem den Umbau des Rathauses in Räume für die Grundschule und den Umbau des Gemeindesaals in eine Kinderkrippe noch schaffen. Auch die Verkehrsberuhigung steht ganz oben auf der Agenda. Ein großes Anliegen ist dem Rathauschef die Seniorenbetreuung und -pflege, nachdem das KWA-Seniorenwohnstift gescheitert ist. Dass ihm Münsing am Herzen liegt, sieht man an der langen Liste an positiven Eigenschaften, die er sich von seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin wünscht. 

Herr Grasl, wie war das Jahr 2024 aus Sicht der Gemeinde?

Wie jedes Jahr überwiegend positiv. Es gab große und gute Veränderungen und enorm viele Veranstaltungen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es gut durchwachsen war. Schönfärberei entspricht ja nicht der Lebensrealität.

Was waren die Höhepunkte?

Das waren sicher alle Jubiläen und Kulturveranstaltungen. Für mich natürlich die Wertungsspiele und das Bezirksmusikfest in Münsing und emotional ganz besonders die Eröffnung des neuen Bürgerhauses im Mai. Dass bei der ersten Sitzung alle ehemaligen Gemeinderäte und die Musik gekommen sind, war stark. Den Bund der Steuerzahler wird es freuen, dass die Kosten nicht explodiert sind und das Haus sehr gut angenommen wird. Uns auch. Beim Ochsenrennen hat mich der professionelle Einsatz von Polizei, Ordnungsamt und Feuerwehr sehr beeindruckt. Das war eine Leistung, bei so vielen Besuchern derart gut für Sicherheit zu sorgen. Außerdem hat der Sportverein Münsing seit Sommer seinen Kunstrasenplatz. Das Spielfeld hat schon für eine echte Entlastung gesorgt und dient auch der sportlichen Kinder- und Jugendförderung.

Was lief nicht so gut?

Besonders enttäuschend war der Rückzug seitens KWA vom Seniorenwohnstift in Ambach trotz jahrelangen Verwaltungsaufwands und die Art und Weise, wie das erfolgt ist. Aber es gab auch im Gremium oder in der Verwaltung schwierige Situationen, weil es halt überall menschelt. Im Gemeinderat ist es auch nicht immer leicht, die vielen Themen einzufangen oder voranzubringen. Da ist es für mich schade, wenn zum Beispiel bei der Ganztagsschule gesagt wird, der Arbeitskreis hätte nichts gebracht oder dessen Ergebnisse wären nicht respektiert worden. Hätten wir es anders gemacht, wäre das auch kritisiert worden. 

Sie sind seit April 2005 Bürgermeister von Münsing. Wie hat sich das Amt in den vergangenen 20 Jahren verändert? 

Es ist alles schneller geworden, und man wird täglich per E-Mail mit Umfragen, Problemen und Terminen geflutet. Jeder Arzt oder Anwalt darf sich spezialisieren. Ein Bürgermeister soll gefühlt alles wissen und sich um jedes Thema kümmern. Hier muss man irgendwann mal eine Bremse ziehen, weil das auf Dauer nicht mehr geht. Krisenmanagement, Projektsteuerung und Themen des eigenen Personals überwiegen deutlich die Repräsentationsaufgaben. Es geht an einem Tag vom Rathaus in den Gerichtssaal und dann vielleicht in eine Veranstaltung. Überall ist voller Einsatz gefragt. Verfahren, die sich endlos und umständlich hinziehen, Blockaden durch private Beteiligte, etwa beim Hochwasserschutz, frustrieren. Die Gemeinde ist in der Badesaison ein Sammelbecken für gesellschaftliche Verhaltensstörungen. Wir sind aber keine Dorfpolizei oder Schiedsrichter. „Jährlich grüßt das Murmeltier“ zu immer gleichen Dingen.

Sind die Bürger anspruchsvoller und kritischer geworden? Der soziale Wohnungsbau, das Bürgerhaus, die Firmenerweiterung von Agrobs, das KWA-Seniorenwohnstift in Ambach – alles stieß erst einmal auf Widerstand.

Früher wurden Entscheidungen respektiert, auch wenn sie pragmatisch und nicht immer ganz normgerecht waren. Heute wird man für Pragmatismus gerügt oder noch mehr. Gegenüber neuen Projekten sind Skepsis und Privategoismen deutlich spürbar. Das hat sich seit Corona eher verschlechtert. „Ich bin ja für Windkraft, Wohnraum, Mobilfunk oder Gewerbe. Aber nicht in meinem Umfeld“, heißt es da. Die Gewerbesteuer soll aber sprudeln. Viele vergessen, dass sie uns alles ermöglicht hat.

Aber das Amt hat doch auch schöne Seiten, sonst hätten Sie sich nicht noch dreimal zur Wahl gestellt.

Ja, natürlich, es ist oft ein schönes Amt. Wenn eine Veranstaltung gelingt, eine Trauung oder auch ein Projekt. Die Bandbreite ist enorm, und kein Tag ist wie der andere. Münsing ist aber mit anderen Gemeinden nicht vergleichbar, vielleicht noch mit dem Isartal, Würmtal oder anderen Seegemeinden. Die Gegensätze sind hier extrem von der Bevölkerungsstruktur her und wegen der zahlreichen Ortsteile der Großgemeinde. 

Dringend benötigt wird in den Augen der Bevölkerung eine Tagespflege-Einrichtung für Senioren. Gab es noch einmal ein Gespräch mit dem KWA-Vorstandsvorsitzenden Dr. Johannes Rückert? Er hatte ja in Aussicht gestellt, auf dem Gelände in Ambach wenigstens eine Tagespflege einzurichten.

Dafür gibt es aktuell keine Anzeichen, und ich warte diesbezüglich noch auf Konkretes. Andererseits wollen Teile des Gemeinderats momentan auch nicht mehr mit KWA zusammenarbeiten. Ich werde mich hier nicht mehr einspannen lassen. Wie soll es auch funktionieren, wenn der Bebauungsplan aufgehoben wird? Es wird eine grüne Wiese, wie es ja gefordert wurde. Wir werden unsere Ansprüche geltend machen.

Gibt es andere Möglichkeiten für eine bessere Seniorenbetreuung und -pflege?

Das ist für mich das am meisten vernachlässigte Thema. Das habe ich immer wieder betont, und nicht alle wollten es immer hören. Die Gemeinde muss sich um Träger und Immobilien umsehen und kann diese Aufgaben lediglich fördern. Da braucht es aber Profis und teilweise auch neue Konzepte vor Ort, die rüstige Bürger ehrenamtlich und gegen Entgelt zum Helfen motivieren. Es wird künftig nicht nur eine Tagespflege geben, sondern viele Bausteine und Stützpunkte. Seien wir froh, dass es den Mittagstisch gibt, und Bedürftige immer noch Einrichtungen in Seeshaupt oder den Nachbarstädten nutzen können. Also: die Gemeinde alleine wird es nicht lösen können und muss bei ihren begonnenen Pflichtaufgaben bleiben. Diese Liste ist lang. Wir können nicht Beschlossenes wie Schule, Krippe und Kindergarten auf Jahre zurückstellen.

Obwohl Sie schon im vergangenen Jahr angekündigt haben, nicht mehr als Bürgermeister zu kandidieren, hat sich bisher noch kein potenzieller Nachfolger ins Spiel gebracht. Welche Fähigkeiten müsste er oder sie denn Ihrer Meinung nach mitbringen?

Sie oder er muss den Gemeinderat so moderieren, dass Ergebnisse erzielt werden und Prozesse in Gang kommen. Man muss dafür auch bei Gegenwind stehen bleiben und den Kopf hinhalten. Beim Verlassen des Hauses ist man eine öffentliche Person. Man darf aber auch Mensch bleiben. Jung und Alt kommen damit klar, wenn der Bürgermeister auch mal gesellig ist. Personalverantwortung beansprucht Zeit. Die Wahrnehmung sämtlicher Ortsteile bleibt wichtig. Seelsorger, Manager und Menschenfreund mit rechtlichem Verständnis wären auch noch brauchbare Grundvoraussetzungen.

Welche Projekte wollen Sie noch auf den Weg oder zu Ende bringen bis 30. April 2026?

Der Umbau von Schule, Saal und Rathaus muss jetzt forciert werden. Dann natürlich Entlastungen beim Verkehr. Aber mit machbaren Lösungen. Es ist nicht so, dass Umfahrungen bei uns doch problemlos umzusetzen wären. Diese würden heute wohl leider scheitern. Die Straßen wird niemand bezahlen und sie werden nach jahrzehntelangem Ringen mit Spaltung der Bevölkerung immer noch nicht gebaut. Dafür gibt es zig Beispiele, wie etwa Schäftlarn. 

An kleinen Lösungen wird ja mit dem Verkehrsbüro Modus Consult gearbeitet.

Genau. Wir werden demnächst Lösungen präsentieren, die mit kleineren baulichen Eingriffen umsetzbar sind. Das gilt für die Hauptstraße in Münsing, die Ortsdurchfahrt Holzhausen und andere Schwerpunkte. Wir werden weiterhin für bessere Querungen und Schulwegsicherheit kämpfen. Die Seestraße bleibt eine gesperrte Straße, und wir werden nicht jeden Hochgeschwindigkeits-Rennradfahrer einbremsen. Es gibt auch noch die Eigenverantwortung der eigenen Bürger, selbst immer angemessen zu fahren, auch ohne Schilderwald.

Wie geht es für Sie beruflich weiter ab Mai 2026, wenn Ihre Amtszeit endet?

Das ist momentan noch völlig offen. Meine Konzentration gilt bis 30. April 2026 meinem Dienstherrn. Und es gibt sicher Aufgaben außerhalb der Politik, wo ich mich nützlich machen kann. Familie und Gesundheit stehen ganz oben.

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