In der Debatte um die Abwehr von Drohnen fordert der Reservistenverband der Bundeswehr, auf Schrotflinten zurückzugreifen. Was nach veralteter Technik klingt, wird in anderen Ländern bereits erfolgreich praktiziert.
Das Prinzip ist immer gleich: Gegen Kleindrohnen, die auch im Elektronikmarkt erhältlich sind, braucht es keine besonders ausgeklügelte Technik. Wichtig ist nur, dass durch das Streuungsmuster von Schrotflinten die Trefferwahrscheinlichkeit enorm erhöht wird. Bis zu einer Entfernung von 100 Metern lassen sich die kleinen Drohnen so abschießen.
Ein Überblick, welche Länder bereits auf Schrotflinten setzen:
Ukraine ist Vorreiter – und entwickelt sogar Schrotflinten-Drohnen
Die ukrainischen Streitkräfte gehören zu den ersten weltweit, die diese Waffe in ihre organisierte Drohnenabwehr integriert haben, schreibt das Fachportal "Defence Blog". Weil Russland im Krieg ganze Schwärme von kleinen Drohnen zum Feind schickt, musste das ukrainische Militär schnell improvisieren. So erlangte die Schrotflinte plötzlich wieder Relevanz.
Die Ukraine hat daraufhin ein ganzes Regiment in ein Trainingsprogramm für den Drohnenabschuss geschickt. Laut "Defence Blog" haben fast 400 Soldaten den Kurs in nur sieben Monaten absolviert.
Das ukrainische Militär geht sogar noch einen Schritt weiter: Es will auf mit Schrotflinten ausgestattete Drohnen setzen, um feindliche Drohnen abzuschießen. Das ukrainische Unternehmen Besomar hat nach Angaben des Portals "Militarnyi" ein solches Modell bereits entwickelt. Damit können feindliche Drohnen nicht nur früher als vom Boden aus abgewehrt werden – dank Automatisierung reagiert das Modell auch viel schneller als ein Soldat.
Italienisches Unternehmen hat Anti-Drohnen-Schrotflinte entwickelt
Italien hat sich die Drohnenabwehr mit der Schrotflinte schnell von der Ukraine abgeschaut. Der heimische Rüstungskonzern Benelli hat für das italienische Militär "M4 AI Drone Guards" entwickelt.

Die Schrotflinte verwendet laut der Fachzeitschrift "The National Interest" spezielle bleihaltige Munition auf Wolframbasis. Die dichten Wolframkugeln sorgen für eine durchschlagende Wirkung und erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines Treffers. Jede Patrone enthält 350 Kugeln, jeweils 2,75 Millimeter groß.
Der italienische Schießausbilder Marco Angelelli erklärt im Gespräch mit dem "Defence Blog", dass die Schrotflinte besonders als letzte Verteidigungslinie nützlich ist, um das Leben von Soldaten zu retten: "Derzeit sind Angriffe von Drohnen die größte Bedrohung für Soldaten. Im Ukraine-Konflikt sind 80 Prozent der militärischen Verluste auf diese Art von Angriffen zurückzuführen." Es sei daher unerlässlich, dass Soldaten neben normalen Gewehren auch Anti-Drohnen-Schrotflinten mit sich tragen.
USA wollen auf Schrotflinten-Erfolgen in Weltkriegen aufbauen
Auch das US-Militär hat das Potenzial der Schrotflinte erkannt, schreibt "The National Interest". Der Rüstungskonzern Mossberg baut nach den Vorgaben des Verteidigungsministeriums eine Schrotflinte, die ebenfalls mit Wolframkugeln betrieben wird. Marine-Leutnant Colonel Timothy Warren schrieb auf der Seite des US Naval Institute, das Militär müsse nun schnellstmöglich Schulungen durchführen.
Der Soldat weist darauf hin, dass das Konzept keineswegs neu ist: "Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs verwendeten Bordschützen auf US-Bombern Schrotflinten als Teil ihres Trainings, um ihre Treffsicherheit und Reflexe zu verbessern, indem sie mit 12-Kaliber-Schrotflinten aus fahrenden Fahrzeugen auf Tontauben schossen."
Die Schützen hätten so gelernt, sich schnell bewegende Objekte zu verfolgen und zu treffen. Das sei überraschend effektiv gewesen: "Das Schrotflinten-Training trug damals dazu bei, Luftbedrohungen zu verringern und kann dies auch heute wieder tun."
Warren schlägt ein pragmatisches Vorgehen vor, um schnell mit der Schrotflinten-Verteidigung loslegen zu können: Das Militär könne kurze Erklärvideos zur Schulung bereitstellen. Soldaten, die zum Beispiel aus der Vogeljagd Erfahrung mit Schrotflinten mitbringen, könne man identifizieren und als erste Sicherheitseinheit einsetzen. Auch ein Austausch über Schießtechniken mit der zivilen Vogeljagd-Szene sei hilfreich.
Belgien schützt Luftwaffenstützpunkt mit Schrotflinten
Belgien setzt am Luftwaffenstützpunkt Kleine Brogel ebenfalls die italienischen Schrotflinten zur Drohnenabwehr ein – und zwar schon seit 2023. Neun Ausbilder haben die Soldaten im Umgang mit den Flinten trainiert.
Die belgische Armee schätzt die verwendeten Schrotflinten für ihre Zuverlässigkeit. Sie sollen auch unter extremen Bedingungen – zum Beispiel im Sand, Schlamm und bei Staub –funktionieren.
Frankreich verteidigt sich in Jordanien mit Schrotflinten
Die französische Armee schützt die internationale Luftwaffenbasis in Jordanien gegen terroristische Drohnenangriffe mit Schrotflinten. Sie verwendet ebenfalls die Benelli-Modelle.