Nach 30 Jahren im alten Job: Armin Schäfer hat den Quereinstieg als Busfahrer gewagt
30 Jahre lang hat Armin Schäfer (58) Baumschinen auf der ganzen Welt verkauft. Jetzt fährt er Linienbusse für den RVO – und ist glücklich im neuen Beruf. Von seinem Quereinstieg erzählt der Bad Wiesseer nun bei einem Besuch am Arbeitsplatz.
Landkreis – Privat fährt Armin Schäfer (58) einen 7,5 Tonnen schweren Campingbus, an sonnigen Tagen auch Motorrad. Der Bad Wiesseer ist ans Steuer gewöhnt. „Ich war die meiste Zeit meines Lebens auf der Straße“, sagt er. Doch wenn Schäfer morgens seinen Schlüssel ins Schloss eines zwei- oder dreichachsigen Linienbusses steckt und den Blick im Rückspiegel prüfend zwölf bis 15 Meter hinter sich wirft, huscht ihm noch immer ein breites Lächeln übers Gesicht. „Wer große Fahrzeuge bewegen will, der ist hier definitiv richtig“, sagt er. Schäfer ist seit vier Jahren Busfahrer beim Regionalverkehr Oberbayern (RVO), begeisterter Quereinsteiger. Ein Musterbeispiel für das, was die Tochterfirma der Deutschen Bahn (DB) so dringend braucht.
Doch Schäfer ist eher eine Ausnahme. Schon seit vielen Monaten muss der RVO in seinen E-Mails an Betroffene immer wieder einräumen: „Unsere angespannte Fahrerlage lässt die Aufrechterhaltung des Fahrplans leider nicht zu.“ Schuld daran ist der Personalmangel, der sich auch durch Mehrarbeit und Zeitarbeiter nicht ausgleichen lässt. „Wir hoffen am meisten auf Quereinsteiger“, sagt Andy Päschel, Niederlassungsleiter in Tegernsee. Interessenten dafür zu finden, ist aber nicht leicht. „Die meisten Leute haben ja schon einen Job.“ Und wenn sich doch jemand interessiert, scheitert es oft an der Wohnungssuche in der hochpreisigen Region. „Vielen Bewerbern ist es egal, ob sie im Bayerischen Wald oder hier fahren“, erklärt Päschel.
Zehn von 70 Fahrer fehlen derzeit
Seit einem halben Jahr versucht ein Team der DB sogar direkt vor Ort in Ländern wie Ungarn, Albanien oder dem Kosovo Bewerber zu finden, schaltet Radiospots oder lobt Prämien aus. Der Erfolg ist spürbar, aber nicht ausreichend. Vor einigen Monaten waren noch 16 Stellen unbesetzt. Heute fehlen dem rund 70-köpfigen Team noch zehn zusätzliche Fahrer. Dabei, sagt Schäfer, sind die Rahmenbedingungen des Berufs (siehe Infobox unten) äußerst attraktiv.

„Ich hab‘ 30 Jahre lang etwas ganz anderes gemacht“, erzählt der Wiesseer. Weltweit verkaufte er Baumaschinen, 20 Jahre davon im Außendienst, zehn im Innendienst. „Aber mir hat das irgendwann keinen Spaß mehr gemacht.“ Die Gesundheit kippte, die Pendelei in den Münchner Norden – im Winter bis zu fünf Stunden pro Tag – wurde dem Familienvater zu viel. „Ich war immer weg. Jetzt wollte ich heimisch werden“, sagt Schäfer. Er kündigte, ließ sich mit 55 von der Agentur für Arbeit Vorschläge unterbreiten – und entschied sich fürs Busfahren. „Ich fahre gerne“, sagt Schäfer.
Vier oder fünf Monate brauchte er für den Führerschein, die IHK-Prüfung und den Gesundheitstest, dann stieg er mit einem Kollegen in den ersten Bus, um die Tücken des Alltags kennenzulernen. Und war begeistert: „Die Gegend ist schön. Man kann den ganzen Tag aus dem Fenster schauen und, wenn man positiv eingestellt ist, kommt man mit allen Fahrgästen ganz wunderbar zurecht.“
Diese Herausforderungen gibt‘s im Quereinstieg
Die Verkehrssituation sei nicht einfach an manchen Tagen. Doch der 58-Jährige mag diese Abwechslung, die Herausforderung im dichten Verkehr oder auf schneeglatten Straßen. „Je widriger die Bedingungen, desto lieber fahre ich“, sagt Schäfer und lacht. Eine Lieblingsstrecke hat er nicht – „ich fahre alles“. Auf dem Achenpass oder zum Spitzing habe er die Fahrgäste schon mal nach hinten gebeten, um den Anpressdruck der Antriebsräder auf die Straße zu erhöhen. Liegengeblieben ist er mit dem Bus noch nie – auch nicht zum Kettenanlegen. Andere Strecken, etwa die zur Monialm, seien vor allem im Sommer ganz besonders. Wenn viele Fahrgäste mitfahren, macht Schäfer der Beruf am meisten Spaß. „Ich will ja nicht den Bus von A nach B bringen, sondern die Menschen.“
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Solange der Fahrplan eingehalten wird, könne er den Tag selbstständig gestalten, erklärt der Busfahrer. Bei längeren Schichten sei schon nach vier Tagen das Wochenpensum erfüllt, die Möglichkeit zur Mehrarbeit gibt's aber immer. „Die Planung und Freizeitgestaltung ist auf jeden Fall gewährleistet.“ Herausfordernd sei der Quereinstieg schon gewesen. Nachmittags kommt über den Fahrzeugeinteiler der Dienstplan aufs Handy, im Handschuhfach liegen Zündschlüssel und Fahrtenbuch bereit. Ab dann ist Schäfer allein zuständig für Abfahrtskontrolle, vorschriftsmäßiges Fahren, Fahrkartenverkauf, Beantworten von Fragen bis hin zur abendlichen Busreinigung und Kassenabrechnung. Auf neuen Strecken wisse man nie, ob hinter der nächsten Kurve niemand oder eine Reisegruppe wartet, sagt Schäfer. Auch Probleme oder Kratzer im Bus gehören dazu. „Aber die Leitstelle hilft dir immer, rund um die Uhr. Das Wichtigste ist, Ruhe zu bewahren, gerade wenn es eilt.“
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Das gilt auch für Päschel, seit 2010 Chef in Tegernsee. Die Situation belaste ihn, manchmal schlafe er schlecht, sagt er. „Den Personalmangel hat man vor fünf, sechs Jahren noch nicht gehabt.“ Bis zu 20 Prozent der Fahrer fehlen, gleichzeitig sollen die Busse an sieben Tage pro Woche auf der Straße sein. Aber: „Wir haben eine super Mannschaft, auch das Landratsamt steht hinter uns“, betont er und lächelt. Quereinsteiger wie Armin Schäfer sind für den Betrieb gerade in diesen Tagen Gold wert. nap
Der Beruf in Zahlen
Auf 2,4 Millionen Kilometern im Jahr, davon 1,5 Millionen im Landkreis Miesbach und 900 000 im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, transportiert der RVO seine Fahrgäste. Pro Tag sind es im Landkreis zwischen 6000 und 7000, schätzt Niederlassungsleiter Andy Päschel. Darunter sind allein 4500 Schüler. Gesteuert werden die Busse von 70 Fahrern und 15 Unternehmerfahrer örtlicher Betriebe, hinzu kommen zehn Büromitarbeiter. Für den Quereinstieg übernimmt der RVO die Ausbildungskosten – Führerschein und Gehalt machen rund 20 000 Euro aus, sagt Päschel. Die Quereinsteiger erwartet ein monatliches Einstiegsgehalt von rund 2800 Euro brutto. Mit Zulagen für Feiertags- und Nachtfahrten kommen die meisten Fahrer laut Päschel auf rund 3500 Euro brutto.