Sicherheitsgarantie gegen Russland während Trump-Amtszeit: Könnte die Ukraine eine Atombombe bauen?

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Ein Dokument behauptet, die Ukraine könne schnell eine Atombombe bauen. Das sorgt für Kontroversen – und birgt das Risiko einer Eskalation.

Kiew – Die Ukraine könnte einem Bericht zufolge innerhalb kurzer Zeit eine eigene Atombombe bauen. Nach Ansicht mancher wäre die nukleare Wiederbewaffnung des Landes eine geeignete Notfallstrategie – für den Fall, dass Donald Trump sich nach bei seinem Sieg der US-Wahl dazu entschließt, die US-Militärhilfe für den Ukraine-Krieg erheblich zu kürzen. Andere sprechen sich vehement gegen ein solches Vorhaben aus und meinen, dass es der Ukraine letztlich nur schaden werde.

In einem Informationspapier, das für das ukrainische Verteidigungsministerium erstellt wurde, heißt es, die Ukraine sei in der Lage, schnell einfache Atomwaffen zu entwickeln. Das berichtet die britische Zeitung The Times. Demnach wird dort argumentiert, dass der einfachste und schnellste Weg zum Bau einer Atomwaffe darin bestünde, der Blaupause für „Fat Man“ zu folgen, der größeren der beiden Atombomben, die Amerika im Zweiten Weltkrieg gegen Japan eingesetzt hat. „Die Herstellung einer einfachen Atombombe, wie sie die Vereinigten Staaten im Rahmen des Manhattan-Projekts durchgeführt haben, wäre 80 Jahre später keine schwierige Aufgabe“, heiße es in dem Dokument.

Ukraine erwägt offenbar Notfallstrategie: Atomwaffen als Schutz bei Kürzung der Hilfe im Ukraine-Krieg

Da die Ukraine keine Zeit für den Bau von Urananreicherungsanlagen habe, könnte sie stattdessen Plutonium aus abgebrannten Brennstäben ihrer neun in Betrieb befindlichen Kernreaktoren gewinnen. Es gebe im Land genug Plutonium für den Bau eines vollständigen Arsenals, so der Autor. Selbst wenn diese Bomben aufgrund des Uranmangels eine zehnmal geringere Sprengkraft als die Fat Man hätten, sei dies immer noch genug, um strategische Ziele anzugreifen. In dem Bericht heißt es demnach, das Gewicht des in der Ukraine verfügbaren Reaktorplutoniums könne „auf sieben Tonnen geschätzt werden“. Eine Materialmenge, die „für Hunderte Sprengköpfe mit einer taktischen Sprengkraft von mehreren Kilotonnen“ ausreiche.

Hat die Ukraine einen nuklearen Notfallplan gegen Kürzungen der Kriegshilfe durch Donald Trump?
Hat die Ukraine einen nuklearen Notfallplan gegen Kürzungen der Kriegshilfe durch Donald Trump? © IMAGO/Ukraine Presidency

Auch eine mögliche rechtliche Grundlage für einen solchen Schritt liefere das Papier. Es argumentiere, dass Kiew seit dem Verstoß Moskaus gegen das Budapester Memorandum von 1994 durch den Angriff auf die Ukraine nicht mehr an den Atomwaffensperrvertrag von 1991 gebunden ist. „Die Verletzung des Memorandums durch die nuklear bewaffnete Russische Föderation liefert formale Gründe für den Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag und moralische Gründe für eine erneute Überprüfung der Entscheidung für eine nichtnukleare Option, die Anfang 1994 getroffen wurde“, heißt es dort.

Budapester Memorandum als Grundlage: Putin warnt vor Konsequenzen bei Atomwaffenplänen

Verfasst wurde das Dokument offenbar von Oleksii Yizhak, dem Abteilungsleiter des Nationalen Instituts für Strategische Studien der Ukraine. Dieses staatliche Forschungszentrum fugiert als Beratungsgremium für den Präsidenten und den Nationalen Sicherheitsrat des Landes. Es sei mit hochrangigen Sicherheitsbeamten geteilt worden. Am kommenden Mittwoch (20. November) soll es der Zeitung zufolge dem ukrainischen Verteidigungsministerium vorgelegt werden.

Das Risiko einer Eskalation, die folgen könnte, wenn Kiew beschließt, strategische Atomwaffen zu entwickeln, wird laut dem Zeitungsbericht nicht erwähnt. Mitte Oktober hatte der russische Präsident Wladimir Putin jedoch klargestellt, dass jeder Versuch der Ukraine, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen, sich wohl kaum verheimlichen lassen werde – und eine entsprechende Reaktion nach sich ziehen würde. „Russland wird dies nicht zulassen, egal was passiert“, so Putin vor Reportern.

Politologen bezweifeln Existenz offizieller Pläne: Wird Ukraine sich mit Atomwaffen gegen Trump absichern?

Dem vorangegangen war eine Aussage des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Er hatte Trump mitgeteilt, dass die Ukraine für ihre Sicherheit entweder Atomwaffen oder die Nato-Mitgliedschaft benötige. Da sie jedoch nach dem Zerfall der Sowjetunion ihre Atomwaffen aufgegeben habe, sei der Nato-Beitritt der einzige Weg, um Russland abzuschrecken, so Selenskyj damals. Später stellte klar, dass er nie gesagt habe, die Ukraine bereite den Bau einer Atomwaffe vor. „Wir haben keine Atomwaffen. Bitte veröffentlichen Sie diese Nachrichten nicht“.

Laut dem Politologen Oleksiy Koshel ist auch die erneute Behauptung über ukrainische Atomwaffen-Pläne „unbegründet und schädlich“. Es gebe „keine Beweise dafür, dass dieses Dokument vom ukrainischen Verteidigungsministerium oder dem ukrainischen Generalstab geprüft wurde, dass dieses Dokument dem Büro des Präsidenten oder dem Nationalen Sicherheits-Rat übergeben wurde, dass dieses Dokument verwendet wurde“, schrieb Koshel in der Zeitung The New Voice of Ukraine. Ihm zufolge handelt es sich um einen Informationsangriff. Für die Ukraine sei „allein die Tatsache, dass solche Publikationen erschienen sind“ sehr schlecht. Es handle sich lediglich um die Sichtweise einer einzelnen NGO. Darüber hinaus sei die technische Umsetzbarkeit zweifelhaft. (tpn)

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