Vom Telegrafen-Haus zum Netzwerk-Rucksack: Militärische Meilensteine der Kommunikation

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Starnberg
  4. Pöcking

Kommentare

Das modernste System der Bundeswehr: Ausbilder und Oberstabsfeldwebel  Marco L. führt das Kleinstnetzwerk vor, quasi ein Handysendemast und Router in einem Rucksack. © Andrea Jaksch

Die Bundeswehr in Pöcking und Feldafing feiert 125 Jahre Fernmeldewesen. Ein Streifzug durch die technische Entwicklung – vom Telegrafen-Haus bis zum autarken, digitalen Netzwerk, das in einen Rucksack passt.

Pöcking/Feldafing - Kommunikation ist alles, besonders bei der Bundeswehr. Und die Kompetenzen dafür sind mehr denn je am Starnberger See gebündelt. Im März wurde das bundesweite Ausbildungszentrum Cyber- und Informationsraum gegründet, der Standort Pöcking-Feldafing ist nun auch für die Bereiche elektronische Kampfführung und Nachrichtenwesen verantwortlich. Wie sehr Kommunikation dem Wandel unterliegt, beweist ein historischer Handy-Schaukasten in der Lehrsammlung der Bundeswehr in der Feldafinger Kaserne – vom „Knüppel“ bis zum modernen Smartphone. In einem der denkmalgeschützten Sturmblockhäuser sind insgesamt 1200 Exponate ausgestellt – nicht in erster Linie für Museumsbesucher (Gruppen können sich auf Anfrage anmelden), sondern vor allem, um den Auszubildenden Einblicke in die Historie zu bieten. Am Dienstag, 1. Oktober, feiert die Bundeswehr den 125. Geburtstag der Telegrafie- und Fernmeldetruppe. Zu diesem Anlass erzählt der Starnberger Merkur die Geschichte des Fernmeldewesens, ein veralteter Begriff für den Austausch von Informationen und Daten über weitere Distanzen. Sechs Geräte sind prägend für die einzelnen Epochen der Kommunikation.  

61 Telegrafen-Häuser im Land verteilt

Das Telegrafen-Haus in Miniatur: 61 solche Stationen gab es zwischen Berlin und Koblenz ab 1833.
Das Telegrafen-Haus in Miniatur: 61 solche Stationen gab es zwischen Berlin und Koblenz ab 1833. © Andrea Jaksch

Mit der Erfindung des Telefons und der Errichtung von Fernsprechämtern formierten sich 1899 die ersten Telegrafenbataillone. Deshalb feiert die Bundeswehr nun das 125-jährige Bestehen der Truppe. Die Geschichte der Telegrafie beginnt aber schon früher: mit der optischen Telegrafie zu Zeiten des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. Das Kommunikationsnetz bestand aus 61 Stationen zwischen Berlin und Koblenz und wurde am 1. Oktober 1833 in Betrieb genommen. Die technische Ausstattung: 6,30 Meter hohe, frei stehende Masten, meistens auf Wohnhäusern, an denen sechs, jeweils 1,35 Meter lange, paarweise angebrachte Zeiger drehbar montiert waren. Das Prinzip: Jede von Telegrafisten (die auch in den Häusern wohnten) händisch vorgenommene Zeigerstellung entsprach einer Ziffer, deren Zeichenbedeutung in einem Codebuch wahlweise festgelegt werden konnte. Eine Technologie, die nicht einmal 20 Jahre später schon wieder überflüssig war.

Feldtelegrafenapparat im Morse-Zeitalter

Dieser Feldtelegrafenapparat stammt aus dem Jahr 1870.
Dieser Feldtelegrafenapparat stammt aus dem Jahr 1870. © Andrea Jaksch

Die elektromagnetische Telegrafie hielt mit der Erfindung von Samuel Morse Einzug, die Sprache in elektrische Signale verwandelte. Der mobile Feldtelegrafenapparat – der aus der Bundeswehr-Lehrsammlung stammt aus dem Jahr 1870 – war auf einer Holzplatte montiert. Je nach Einsatzvariante konnte das Gerät mit Morsetaste und Papierrolle aus dem Stationswagen ausgebaut und in einer festen Unterkunft betrieben werden.

Der Feldfernsprecher: Telefon in der Holzkiste

Militärisches Telefon: ein Feldfernsprecher aus dem Jahr 1916, verpackt in einer Holzkiste.
Militärisches Telefon: ein Feldfernsprecher aus dem Jahr 1916, verpackt in einer Holzkiste. © Andrea Jaksch

So haben Telefone also mal ausgesehen: In einem stabilen Holzkasten verpackt, befindet sich der Feldfernsprecher aus dem Jahr 1916 in der Lehrsammlung. Betrieben wurde er per Kurbel(induktor). Das Feldtelefon sollte, in immer moderneren Ausführungen, die militärische Kommunikation für lange Zeit prägen.

Die Engima: 159 Trillionen Schlüssel

Prägte den Zweiten Weltkrieg: die letztlich entschlüsselte Chiffriermaschine Engima. Stabsfeldwebel Reno S. führt eines der seltenen Exemplare in der Lehrsammlung der Bundeswehr in Feldafing vor.
Prägte den Zweiten Weltkrieg: die letztlich entschlüsselte Chiffriermaschine Engima. Stabsfeldwebel Reno S. führt eines der seltenen Exemplare in der Lehrsammlung der Bundeswehr in Feldafing vor. © Andrea Jaksch

Das komplexeste Gerät, allein schon wegen seiner für damalige Zeiten unfassbar viele Einstellungsmöglichkeiten. Wer eine echte Engima, eine Chiffriermaschine zur Verschlüsselung von Nachrichten, mit fünf Rotoren, der Buchstabentastatur und den Steckern mal aus der Nähe sehen will, hat in Feldafing die Gelegenheit dazu. Es gebe nur noch 70 bis 80 Stück davon in öffentlichen Museen, und oft stünden sie hinter Panzerglas, sagen die Verantwortlichen in der Lehrsammlung. Die Engima stand für die geheime Kommunikation von Heer, Luftwaffe und Marine im Zweiten Weltkrieg. Das Prinzip, erklärt auf der Internetseite des Deutschen Patentamts: „Die Enigma (griechisch für Rätsel) verschlüsselte Texte mit einem System von drei oder mehr rotierenden, austauschbaren Walzen und Steckverbindungen, das theoretisch 158 962 555 217 826 360 000 verschiedene Schlüssel bot.“ In Worten: rund 159 Trillionen. „Wie bei einer Schreibmaschine wurden Texte eingetippt, die dann als Buchstabensalat ausgegeben und per Morse-Code gefunkt wurden“, heißt es weiter. Genauso berühmt wie die Engima ist ihr Entschlüssler: Der britische Mathematiker Alan Turing entwickelte die sogenannte Turing-Bombe, eine elektromagnetische Maschine, die die Engima-Funksprüche durch ein schnelles Ausschlussverfahren ans Tageslicht brachte.

Das automatisierte Kommunikationssystem

Container voll mit Technik und mehr: ein Automatisiertes Kommunikationssystem aus den 1980er-Jahren, demonstriert von Stabsfeldwebel Matthias K. in der sogenannten Gefechtsstandvermittlung.
Container voll mit Technik und mehr: ein Automatisiertes Kommunikationssystem aus den 1980er-Jahren, demonstriert von Stabsfeldwebel Matthias K. in der sogenannten Gefechtsstandvermittlung. © Andrea Jaksch

Ein Container voller Technik und noch einiges mehr: Das Automatisierte Kommunikationssystem, kurz AutoKo, wurde Ende der 1970er-Jahre entwickelt. Der letzte Stand der Technik ist das AutoKo 90 aus dem Jahr 1995. Digitalisierter Richtfunk und Modems waren im Einsatz, um über weite Distanzen Netze aufzubauen, Sprache, Texte und andere Daten zu übertragen. Der Container, in dem Einsatzkräfte Platz finden, nennt sich im Bundeswehr-Sprech „Gefechtsstandvermittlung“.

Das Kleinstnetzwerk im Rucksack

Das Fernmeldewesen heißt heute Cyber-Informationsraum. Die Grundaufgaben – Verbindungen herstellen, schützen und unterhalten – sind immer noch gleich. Doch die Basis dafür passt in einen 25 Kilo schweren Rucksack. Kleinstnetzwerk, Version 2, heißt das Modernste, was die 1955 gegründete Bundeswehr heute zu bieten hat. Eine Kombination aus Internet-Router und Handy-Funkmast, erklärt Ausbilder und Oberstabsfeldwebel Marco L. vereinfacht. „Wir sind die Telekom im Einsatz.“ Überall auf der Welt, auch im tiefsten Wald, vernetzt der Rucksack rund 100 Nutzer – Einsatzkräfte, Panzer und Co. Das LTE-Netz reicht, je nach Gelände, etwa zwei Kilometer weit. Übrigens: Die Firma Blackned mit Außenstelle in Gilching hat die Software entwickelt, die Bedienung ist nicht schwieriger als bei einem Router daheim. Und das Beste: „Über eine zusätzliche Satellitenanbindung kann man jeden auf der Welt erreichen“, sagt der Ausbilder.

Lesen Sie auch:

Neuer Name, neue Ansprüche: Bundeswehr will „digital kriegstüchtig“ werden

Auch interessant

Kommentare