„Unglaublich“, „skandalös“: Gemeinderat kritisiert Deutsche Flugsicherung
Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am Dienstag scharfe Kritik an der Deutschen Flugsicherung geübt. Deren Veto verhindert die geplanten acht Windkraftanlagen.
Gauting – Es war ein Schock für alle, die es mit der Windkraft halten: Am 20. September gab Ingenieur Robert Sing zusammen mit Bürgermeisterin Dr. Brigitte Kössinger und Landrat Stefan Frey in einer Pressekonferenz bekannt, dass er die Planungen für die acht Windkraftanlagen auf Gautinger Flur nicht weiter verfolgen wird. Zu groß war Sing als Initiator und geschäftsführendem Gesellschafter der Bürgerwind Gauting GmbH das finanzielle Risiko, nachdem die Deutsche Flugsicherung (DFS) mit Blick auf den Sonderflughafen Oberpfaffenhofen luftfahrtrechtliche Bedenken geäußert hatte. Es war ein jäher Stopp nach intensiven Planungen und harten politischen Debatten. In der Gemeinderatssitzung am Dienstag äußerten viele Gemeinderäte ihren Unmut. Im Fokus: die Deutsche Flugsicherung.
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Zunächst gab Projektleiterin Lucy Gronitz Einblicke in das, was vorausgegangen war. Ganz am Anfang stand eine unverbindliche Voranfrage bei der Bundeswehr, die keine Einwände gegen die Standorte in Königswiesen und Buchendorf hatte. Anfang des Jahres stellte Bürgerwind Gauting dann eine Voranfrage an die Deutsche Flugsicherung für zunächst sieben von acht Windrädern, eben die, zu denen gültige Verträge existieren. Die knappe Auskunft der Behörde: Es gebe Probleme mit dem Sichtflugverfahren. Nun können solche Probleme durch Abstimmungen mit der DFS beseitigt werden. Bekannt sind aber auch Fälle, in denen die Behörde zunächst nur den Sichtflug moniert, später im Verfahren aber noch weitere Hinderungsgründe benannt hat. „Wir haben dem Braten nicht getraut“, erklärte Gronitz.
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Also wurden die Unterlagen an das renommierte Berliner Büro „Airsight“ weitergeleitet. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass die DFS im Verfahren noch deutlich mehr Einwände formulieren wird, und zwar nicht nur zum Sicht-, sondern auch zum Instrumentenflug. Das betraf vor allem den „Missed approach“, also einen abgebrochenen Landeanflug auf Oberpfaffenhofen, und zwar von Nordosten her, sprich aus München. In diesem Fall muss ein Pilot durchstarten und einen neuen Anlauf nehmen, der ihn über die Wälder von Buchendorf und Königswiesen führt. 260 Meter hohe Windräder würden in diesem Szenario eine Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellen. „Kleinere Windräder wie in Berg hätten ebenfalls keine Chance“, sagte Gronitz.
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Auch dieses Problem könnte sich theoretisch durch die Änderung von Flugrouten beheben lassen. Der praktische Aufwand wäre für das Ingenieurbüro Sing jedoch immens gewesen – mit ungewissem Ausgang. „Mitspielen müsste nicht nur die Deutsche Flugsicherung, sondern auch der Flughafenbetreiber“, so Gronitz. „Und der war an einer Lösung nur mäßig interessiert.“ Ihm drohen laut der Referentin, wenn er Kompromisse zugunsten der Windkraft eingeht, Einnahmenverluste, weil bestimmte Flugzeugtypen bei ihm möglicherweise nicht mehr landen können. Thomas Tronsberg, Kaufmännischer Leiter des Ingenieurbüros Sing, bezifferte in der Sitzung die Chance auf Realisierung der Windkraftanlagen auf unter zehn Prozent. Und: „Es kann Jahre dauern, bevor sich irgendjemand das Ganze überhaupt anschaut.“
Dr. Matthias Ilg (Grüne) sprach von einem „unglaublichen Vorgang“. Er fragte nach, wie oft denn ein „Missed Approach“ im Jahr in Oberpfaffenhofen vorkomme? Das war eine Frage, die die Referentin nicht beantworten konnte. Ilgs sarkastische Vermutung: „Wahrscheinlich 0,2 Mal im Jahr.“ Er ärgerte sich darüber, dass sich eine Behörde im Verein mit einem Flughafenbetreiber einfach weigern könne, eine pragmatische Lösung vor Ort zu suchen. Sein bitteres Fazit: „Die Geschäftsflieger und Privatjets aus München bremsen die Energiewende aus.“
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Auch Dr. Andreas Albath (UBG) zeigte sich zornig. „Ich finde es skandalös, wie hier die kommunale Ebene im Regen stehen gelassen wird“, betonte er. Windkraftanlagen seien „kein Gautinger Hobby“. Die Energiewende sei Teil eines von der Regierung gewollten Transformationsprozesses. Umso unverständlicher sei es, dass es ausgerechnet eine Bundesbehörde sei, die nicht zu einer konstruktiven Zusammenarbeit bereit sei. Albath brachte volles Verständnis für das Ingenieurbüro Sing auf, das sich als mittelständisches Unternehmen einem unkalkulierbaren Risiko nicht aussetzen wolle.
Maximilian Platzer (CSU) wollte wissen, ob es denkbar sei, dass sich in naher oder ferner Zukunft ein anderer Investor für die Standorte finden könnte. Lucy Gronitz äußerte Skepsis. „Ein potenzieller Dritter hätte die gleichen Probleme“, sagte sie. Auch dieser wäre auf das Wohlwollen der DFS und des Flughafenbetreibers angewiesen. Speziell Letzterer sitze „einfach am längeren Hebel“. Bürgermeisterin Dr. Brigitte Kössinger (CSU) bezeichnete es als das Grundproblem im Verfahren, dass der Energiewende kein überragendes Interesse eingeräumt werde. Einstimmig und ausdrücklich mit „großem Bedauern“ nahm der Gemeinderat vom Rückzug der Bürgerwind Gauting GmbH Kenntnis.
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